In Süddeutschland geht nichts ohne Leberkäse. Eine Leberkässemmel – eine Scheibe vorzugsweise warmen Leberkäses zwischen zwei Brötchenhälften, wahlweise mit süßem oder scharfem Senf verfeinert – findet man hier in ausnahmslos jeder Metzgerei. Und nicht nur dort.
Sinkende Fleischproduktion in Deutschland, drohender Spanferkelmangel auf dem Münchner Oktoberfest, ein Fernsehkoch namens Johann Lafer, der auf den offenbar unaufhaltsam voranbrausenden Veganismus-Zug („Essen gegen Arthrose: Vegane Genussrezepte bei Schmerzen und Gelenkbeschwerden“) aufspringt – Karnivoren stehen offenbar bittere Zeiten bevor. Zum Glück scheint zumindest in einem deutschen Nachbarland die Welt der Fleischliebhaber noch einigermaßen in Ordnung zu sein.
Die Rede ist von Österreich, wo man nicht nur unbeirrt am Wiener Schnitzel und der nationalen Würstelkultur festhält, sondern wo jüngst die fleischlastige Trikotwerbung eines Fußballvereins für mediales Aufsehen und Aufruhr in den sozialen Medien sorgte. Sogar Bild berichtete über die angeblich „skurrilste Trikotwerbung aller Zeiten“, eine leibhaftige Leberkässemmel, die auf dem linken Ärmel der Spieler des Zweitligisten SV Guntamatic Ried prangt.
Bei Guntamatic, dem Hauptsponsor, handelt es sich um den Hersteller von eher ungenießbaren Biomasseheizanlagen. Für die Leberkässemmel verantwortlich ist indes die Firma gourmetfein, nach eigenen Angaben einer der führenden Leberkäsehersteller Österreichs, vielleicht sogar Europas, mit Sitz in Michaelnbach (Oberösterreich), eine halbe Stunde entfernt von Ried im Innkreis.
Die süddeutsche Antwort auf Hamburger und Currywurst
Aber lassen wir den Hersteller selbst zu Wort kommen: „Seit unserer Gründung im Jahre 2004 haben wir uns auf die traditionelle Fertigung von hochwertigem Leberkäse und ausgezeichneten Wurst- und Fleischwaren spezialisiert. Als mittelständisches Unternehmen leben wir, was wir versprechen. Alle bei gourmetfein sind Träger und Bewahrer unserer besonderen Philosophie – von den Bauern bis zur Feinkostfachberaterin. Das spürt und schmeckt man auch.“
Flaggschiffprodukt der Firma gourmetfein ist der „echte Naturkrusten Leberkäse“, Unternehmensangaben zufolge „kein industrielles Massenprodukt“ und ohne Zusatzstoffe wie den Geschmacksverstärker Glutamat hergestellt. Neben der schnörkellosen „Classic“-Ausführung gibt es fantasievolle Kompositionen mit Käse, Speck, Chili, Paprika („Mexikanisch“) und Spinat, gipfelnd in der Luxusvariante „Steinpilz-Trüffel“.
Nicht nur in Österreich, auch in Bayern geht nichts ohne Leberkäse. Eine Leberkässemmel – eine Scheibe vorzugsweise warmen Leberkäses zwischen zwei Brötchenhälften, wahlweise mit süßem oder scharfem Senf verfeinert – findet man hier in ausnahmslos jeder Metzgerei und auch in den meisten Imbissbuden und gut sortierten Tankstellenshops. Es handelt sich um die süddeutsche Antwort auf Hamburger und Currywurst, irgendwo angesiedelt zwischen Fastfood und Brotzeit. Auf jeden Fall leichter und kultivierter „on the road“ zu konsumieren als ein Big Mac oder Doppel Whopper. In der Innengastronomie haben sich Scheiben „abgebräunten“ Leberkäses etabliert, die mit einem Spiegelei belegt sind – wahlweise mit Spinat und Bratkartoffeln (oder Brot) als Beilage.
Der Leberkäse der Anderen
Leber ist in Leberkäselaiben nicht enthalten, zumindest nicht in Bayern. Außerhalb Bayerns muss Leberkäse dagegen nach den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs für Fleisch- und Fleischerzeugnisse – bei Leberkäse handelt es sich im engeren Sinne um eine schlichte Brühwurst – zu einem gewissen Anteil Leber enthalten. Bei Stuttgarter Leberkäse beispielsweise darf dieser Anteil nicht unter fünf Prozent liegen. Herauszuschmecken ist das meist nicht. Leberkäse ohne Leber nach Bayerischem Rezept darf außerhalb von Markus Söders („Wir sind die Leberkäs-Etage, nicht die Kaviar-Etage“) Herrschaftsbereich nur als „Bayerischer Leberkäse“ oder als Fleischkäse verkauft werden.
Leberkäse wird traditionell aus sehr fein und zwecks besserer Bindefähigkeit mit Eis gekuttertem Kalb- und Schweinefleisch, Gewürzen, Speck und Eiern hergestellt und in Brotform gebacken. Viele Metzgereien bieten die rohe Masse in einem Alubehälter zum häuslichen Selbstbacken an, was in jedem Fall mehr Frische garantiert. Ansonsten weiß man oft nicht so genau, wie lange ein Stück Leberkäse schon unter der Wärmelampe vor sich hingeschmurgelt hat. Wenn einem ein übriggebliebenes, trockenes Endstück („Scherzl“) angeboten wird, sollte man auf einen Preisnachlass bestehen.
Ob sich der Name Leberkäse wirklich von der bei vielen Menschen wenig geschätzten Innerei ableitet, ist wie so oft unklar. Die alte Bezeichnung Laibkas oder Loabkas kann sich auch auf die in Brotform zu einem knusprigen „Laib“ gebacken Form der Speise beziehen. Kas oder Käs wiederum bezeichnet im Bayrischen eigentlich nur eine kompakte Masse.
Nicht weniger unsicher als seine Etymologie ist die Entstehung des Leberkäses. Angeblich soll ihn vor mehr als 200 Jahren zur Regierungszeit Kurfürst Max III. ein Münchner Metzger erfunden haben. Der Überlieferung nach ohne Leber und all jene Verfeinerungen, wie sie etwa die Firma gourmetfein bietet, die zwar mächtig auf Nachhaltigkeit macht, aber offenbar noch keinen veganen Leberkäse kreiert hat. Ein Hoffnungszeichen.
Das nächste Heimspiel des SV Ried findet am 18. August statt. Anpfiff der Partie gegen den DSV Leoben ist um 18.10 Uhr. Nicht verpassen!
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.