Walter Schmidt / 21.08.2009 / 14:49 / 0 / Seite ausdrucken

Blockflöten, Schalmeien und Schönredner

Der Freistaat Sachsen gehört zu jenen Ländern der Bundesrepublik Deutschland, deren Wirtschaftsdaten selbst im Gefolge der Finanzkrise relativ gut aussehen. Es ist ein Land, das sich nach seiner Neugründung im Jahre 1990 vorrangig an den süddeutschen Ländern Baden-Württemberg und Bayern orientiert hat und nach wie vor orientiert. Es verfügt über ein Schulsystem, das, glaubt man den letzten Bildungsstudien (PISA und Bildungsmonitor), zu den leistungsfähigsten nicht nur bundesweit, sondern mittlerweile sogar im OECD-Maßstab gehört und das immer stärker an die hierzulande viel bewunderten finnischen Ergebnisse heranreicht. Und es verfügte mit Kurt Biedenkopf nach der “Wende” über einen charismatischen Ministerpräsidenten, der zweimal in Folge die absolute Mehrheit der Stimmen für seine Partei, die CDU, erzielen konnte, bevor sein Nachfolger Georg Milbradt, den er, Biedenkopf, des öfteren als “hervorragenden Finanzminister” aber “miserablen Ministerpräsidenten” apostrophiert hatte, dieses Erbe mit ca. 41% der Stimmen bei der letzten Landtagswahl im Jahre 2004 verspielte. Als Ergebnis dieser Wahl entstand ein Sechs-Parteien-Parlament, in dem neben der CDU, der LINKEN, der SPD, der FDP und den GRUENEN auch die NPD mit 12 Abgeordneten Platz nehmen durfte. Mittlerweile verfügt die NPD-Fraktion, bedingt durch Austritte, Ausschlüsse sowie im Ergebnis eines intensiven Selbstzerfleischungsprozesses nur noch über 8 Abgeordnete. Daneben steht sie bundesweit vor dem finanziellen Ruin und droht nach eigener Sichtweise langsam aber sicher zu zerfallen.

Betrachtet man das Personal bzw. die politische Klasse des Freistaates vor der nunmehr bevorstehenden Landtagswahl am 30.08.2009 etwas genauer, so fällt vor allem auf, das es sich, um mit dem SPD-Landtagsabgeordneten und Troubleshooter Karl Nolle zu sprechen, im wesentlichen um Blockflöten, Schalmeien und Schönredner handelt, die kräftig dabei sind, die eigene DDR- Vergangenheit zu verklären, den real existierenden Sozialismus, zumindest im Bereich Bildung und Schule, zu verharmlosen sowie die Geschichte der DDR insgesamt schönzureden.

An dieser Stelle nur einige wenige Beispiele:

Der von Biedenkopf aufgebaute und protegierte gegenwärtige Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wurde im Herbst des vergangenen Jahres 2008 mit der sog. “Biographie-Affäre” konfrontiert, nachdem er insgesamt mindestens vier verschiedene Lebensläufe in Bezug auf seine DDR-Vergangenheit als stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises Kamenz Ende der achtziger Jahre vorgelegt und scheibchenweise immer nur das an Verstrickung in das SED-Regime zugab, was einige kritische Journalisten wie z.B. Uwe Müller von der “WELT” sukzessive ans Tageslicht brachten. Heute betrachtet Tillich die Art und Weise des eigenen Umgangs mit seiner Vergangenheit als sog. “Blockflöte” im Rat des Kreises Kamenz zumindest ansatzweise durchaus kritisch, ohne jedoch irgendein Anzeichen von ernsthafter Selbstkritik an den Tag zu legen. Stattdessen gelingt es ihm offenbar, wie schon seinem Mentor Biedenkopf, den “Stolz der Sachsen” auf die eigene Leistung nach der “Wende” zu mobilisieren, so daß er bei der bevorstehenden Wahl mit vorraussichtlich 42% der Stimmen rechnen kann.

Sein SPD-Herausforderer, der bisherige Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD), der nach der “Wende” ziemlich bald der damals in der DDR neu gegründeten SDP beigetreten war, die sich damals eindeutig von der in der DDR herrschenden SED distanziert und als deren legitime Nachfolgerin betrachtet hatte tritt gegenwärtig, nur zwanzig Jahre nach der “Wende”, für einen definitiven Schlußstrich unter die DDR-Vergangenheit ein.
Befragt nach seinen potentiellen Machtoptionen nach der Landtagswahl mag er Gespräche und ggf. auch eine Zusammenarbeit mit der SED-Nachfolgepartei “DIE LINKE” nicht nur nicht auszuschließen. Es stört ihn offenbar sogar herzlich wenig, wenn die sächsische LINKE zumindest mit dem Leipziger Landtagsabgeordneten Volker Külow über einen nachweislichen ehemaligen IM der Staatssicherheit in ihrer Fraktion in Dresden verfügt. O-Ton Jurk: “Das ist allein Sache der Partei “DIE LINKE”. Darin habe ich mich nicht einzumischen.”

Zu seinem eigenen Glück wird Jurk, glaubt man den letzten Meinungsumfragen vor der Wahl, die die SPD bei maximal 15% sehen, während der LINKEN etwa 20% prophezeit werden, nach der Landtagswahl wohl kaum in die Verlegenheit kommen, irgendwelche Koalitionsgespräche mit der LINKEN und ihrem Fraktionsvorsitzenden André Hahn führen zu müssen, obwohl dieser sicher gerne mit einem sozialdemokratischen Koalitionspartner unter Einschluß der GRÜNEN einen Mindestlohn von EUR 7,50 oder mehr sowie eine landesweite Umweltzone, die nur noch mit einer sog. “grünen Plakette” zu befahren wäre, einführen würde. O-Ton Hahn: “Im Gegensatz zu dem Genossen Bodo Ramelow in Thüringen werde ich als stärkerer Partner gegenüber der SPD auf jeden Fall das Amt des Ministerpräsidenten beanspruchen!”

Eine solche naßforsche Aussage von Hahn vermag nicht einmal die sächsischen GRÜNEN, die zumindest in Teilen noch der Bürgerbewegung in der ehemaligen DDR entstammen, über Gebühr zu stören. So kündigte deren Spitzenkandidatin Antje Hermenau bereits in der vergangenen Woche an, nicht nur Gespräche mit SPD, FDP und CDU, sondern auch mit der LINKEN über eine eventuelle Regierungsbeteiligung nach dem 30.08.2009 führen zu wollen.

Bleibt die FDP, die, wie schon bei der vergangenen Landtagswahl im Wohlgefühl äußerst positiver Umfrageergebnisse dem Populismus zu fröhnen bereit ist, und beispielsweise gemeinsam mit SPD, GRUENEN und LINKEN (sowie der NPD) ein sog. “längeres gemeinsames Lernen” von Schülerinnen und Schülern in Sachsen über die Grundschule hinaus, mindestens bis zur 6. Klasse, propagiert.

Einig ist man sich bei sämtlichen im Landtag in Dresden vertretenen politischen Parteien im übrigen in der Ablehnung des sog. “Rechtspopulismus” der sächsischen NPD, die nicht nur eine sog. “Höchststrafe für Kinderschänder!”, sondern auch das Verbot einer militärischen Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle durch die USA in Bezug auf Afghanistan und den Irak, sowie einen Mindestlohn von EUR 8,80 (!) fordert, ohne dabei zu sehen, daß derartige Forderungen u.a. auch von der Partei “DIE LINKE” erhoben werden. Die sächsischen GRÜNEN haben gar ein Wahlplakat aufgehängt, bei dessen Betrachtung, der unvoreingenommene Betrachter den Eindruck erhält, eine neue “Machtergreifung” der Nazis in Sachsen stehe nach dem 30.08.2009 sozusagen unmittelbar bevor.

Zusammenfassend bekommt man als Beobachter des gegenwärtigen Landtagswahlkampfes in Sachsen den Eindruck, es im kommenden Landtag mit einem Konglomerat aus “Blockflöten” (CDU, Tillich u.a.), “Schalmeien” (DIE LINKE einschl. Stasi-IMs, Kühlow u.a.) sowie “Schönrednern” der SED-Dikatur in der DDR (SPD, Jurk) zu tun zu haben, die jegliche Kritik an ihrer politischen Vergangenheit am liebsten ausblenden, mundtot machen oder gar kriminalisieren wollen, um sich selbst Macht und Pfründe zu sichern.

Angesichts der Erkenntnis, daß im kommenden Landtag aller Voraussicht nach vermutlich nur ca. 10-15% aufrechte Demokraten sitzen werden, bleibt dem skeptischen bis verzweifelten Betrachter einer derartig gespenstischen politischen Szenerie in Sachsen offenbar nur ein oft bemühtes Brecht-Zitat, mit dem dieser die Ereignisse des 17. Juni 1953 in der ehemaligen DDR kommentierte und das, in leicht abgewandelter Form in unseren Tagen etwa wie folgt lauten könnte:

“Wäre es nicht besser, das Volk entließe die zahlreichen “Blockflöten”, “Schalmeien” und “Schönredner” der “guten, alten Zeit” in den Ruhestand und übernähme selbst die Macht?”

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