Alexander Gutzmer / 03.01.2012 / 16:58 / 0 / Seite ausdrucken

Bild lässt schreiben

Die Vorkommnisse um Bundespräsident Wulff haben einige Leute und Institutionen schlecht aussehen lassen. Doch es gibt auch einen großen Gewinner: Den Springer-Verlag. Natürlich hat Christian Wulffs Mailbox-Wut dem Verlag eine Steilvorlage geliefert. Doch es ist auch ein ziemlicher Coup, wie Kai Diekmann, Mathias Döpfner und Springers PR-Abteilung momentan die gesamte deutsche Medienelite für eine Kampagne „Rettet den unabhängigen Journalismus – rettet die Bild“ einspannen. Gerade für linksliberale Medien und die traditionsbewussten unter deren Lesern ist das eine Provokation. Doch die Entscheider bei SZ, Spiegel online und Co. können nicht anders. Sie müssen über die Handy-Thematik berichten; alles andere wäre unjournalistisch. Wirklich glücklich dürften sie dabei, anders als der entspannt zurückgelehnte Diekmann, aber nicht sein. Und der auch zu lesende Vorwurf, er selber lasse es an Etikette mangeln, dürfte kaum jemanden weniger schockieren als den Chefredakteur der Bild.

Christian Wulffs Handy-Ansage geschah am 12. Dezember. Publik wurde sie aber erst vor zwei Tagen. So werden Nachrichten getaktet. Offenbar stimmt die These nicht, unter dem Einfluss des World Wide Web könne man nichts mehr geheim halten. Man kann. Und als Medium muss man danach (Stichwort „online first“) auch nicht alles selbst veröffentlichen. Die Bild hält sich ja gerade komplett zurück. Sie lässt schreiben.

Das vermeintliche Skandalblatt Bild wird medial selber als Objekt von Attacken gegen die Pressefreiheit präsentiert. Ebenso der Springer-Verlag insgesamt. Das ist neu. Spiegel online interviewt den Chefredakteur der Welt zu einem anderen Fall, in dem ein Journalist ins Präsidialamt zitiert wurde. Und Springer-Chef Döpfner kann ganz nebenbei, ebenfalls in anderen Medien, die Botschaft positionieren, dass es um die Unabhängigkeit des Journalismus in seinem Verlag besser bestellt sei, als postwallraffsche Analytiker der fiesen „Springer-Presse“ glauben möchten: „Wir reden unseren Chefredakteuren nicht rein“, so Döpfners Message.

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