Sollen doch die Götter des Wetters wählen gehen! Sie sind, wenn auch nicht der Neue Mensch, der Neue Souverän. Ein Souverän, der beliebig auslegbar ist und nicht widerspricht. Wenn das mal nichts ist!
Bertolt Brecht riet nach dem Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953 der SED-gelenkten Kommunismus-Transformationsregierung auf dem richtigen Weg zum Aufbau der makellosen Gesellschaft, das sich als ungehörig erwiesene Volk aufzulösen und sich ein anderes zu wählen. Gewissermaßen fehlte der „Partei neuen Typus“ der „Neue Mensch“ als Nummer in einem neuen Volk.
Die Lösung
Ein Vorschlag von Bertolt Brecht:
„Nach dem Aufstand des 17. Juni
Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands
In der Stalinallee Flugblätter verteilen
Auf denen zu lesen war, daß das Volk
Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe
Und es nur durch verdoppelte Arbeit
zurückerobern könne. Wäre es da
Nicht doch einfacher, die Regierung
Löste das Volk auf und
Wählte ein anderes?“
Die Grünen haben Brechts Problem auf ihre Art erkannt. Das Volk auflösen, es neu sortieren und schulen, für richtige Grüne kann das nicht die endgültige Lösung sein. Was ist, wenn dieses umsortierte Volk erneut störrisch wird? Wenn die neuen Menschen ins Alte zurückfallen?
Die Grünen aller Parteien lösten den gordischen Knoten. Ihr Alexander von Makedonien heißt Stephan Harbarth, ist Mitglied einer befreundeten Organisation – der CDU – und seines Zeichens Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Seit dem 21. April 2021 steht die Bundesrepublik dank ihm und einer Richtermehrheit seines Senats unter Klima-Vorbehalt. Die Entscheidung besitzt damit Verfassungsrang.
Totale „Klimarettung“ steht über dem Souverän
Das Sozialismus-Ziel in der Verfassung der DDR und der Klima-Vorbehalt gemäß Bundesverfassungsgericht unterscheiden sich in der Sache, in der Reduzierung des Gemeinwesens auf ein scheinbar übergeordnetes höheres Ziel bei Beschneidung grundsätzlicher Freiheiten unterscheiden sich beide totalitären Lösungen nicht.
Die SED engte das Volk in seiner Meinungs- und Willensbildung auf das totalitäre Ziel „Sozialismus“ ein. Verfassungsrechtlich stand damit der „Sozialismus“ über dem Souverän, dem Staatsvolk. Zur Durchsetzung des Sozialismus-Ziels war jedes Mittel erlaubt. Der Souverän war, obgleich lästig, verzichtbar.
Das Bundesverfassungsgericht setzte die totale „Klimarettung“ über den Souverän. Zur Klimarettung ist jedes Mittel erlaubt. Der Souverän ist seit 2021 auch in der Bundesrepublik, obgleich verdammt lästig, verzichtbar.
Carl Schmitt ist wieder modern: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand verfügt“ (in „Politische Theologie 1922). Das Klima-Ziel als ununterbrochener Klassenkampf unserer Epoche. Mit uns geht die grüne Zeit. Ein neuer Klassiker der grün-kommunistischen Weltliteratur heißt „Es ist Zeit für eine wehrhafte Klimademokratie“. Klingt wie „Sozialistische Demokratie“ – Attribute als Demokratiebeschränkungen. Die kundigen Thebaner aus Realsozialismuszeiten riechen den Muff der Diktatur. Mal sehen, ob die vielen Leutchen in der wiedervereinigten Bundesrepublik, die weder Nationalsozialismus noch Realsozialismus persönlich erlebten, überhaupt was schnuppern.
Wahlen kommen und gehen, die Klimaregierungen bleiben
Der Staatsrechtler Wolfgang Merkel schreibt „Für Demokratien gilt: Das Volk ist der Souverän. Allein über die Legitimation von Wahlen wird die legislative Souveränität auf das Parlament übertragen. Das Parlament, der Souverän zweiten Grades, wählt die Exekutive. Durch diese zwei Delegationsstufen haben demokratische Regierungen in parlamentarischen Regimen nur eine abgeleitete Souveränität. Demokratietheoretisch könnte man die Regierung daher als demokratische Akteurin dritten Grades bezeichnen.“
Wolfgang Merkels Sicht ist überholt, sozusagen eine Sichtweise aus dem demokratietheoretischen Museum. Er müsste öffentlich Einspruch einlegen, würde er weiterhin glaubhaft sein wollen! Mit der verfassungsgerichtlich bindenden Unterstellung des Souveräns unter die regional unterschiedlichen 30-Jahre-Wetter-Abschnittsbetrachtungen, gemeinhin Klima genannt, verlor der Souverän seine souveräne Stellung über Regierung und Institutionen. Er ist vernachlässigbar. Wahlen, deren Ergebnisse unter dem Diktat von Klimabetrachtungen in Spreu und Weizen sortiert werden müssen, besitzen die Bedeutung von Stimmungsermittlungen, Richtungsentscheidungen ziehen sie nicht mehr nach sich. Wahlen kommen und gehen, die Klimaregierungen bleiben – hätte der große Generalissimus in seiner speziell-saloppen Art gesagt.
Sollen doch die Götter des Wetters wählen gehen! Sie sind, wenn auch nicht der Neue Mensch, der Neue Souverän. Ein Souverän, der beliebig auslegbar ist und nicht widerspricht. Wenn das mal nichts ist!
Der Kabarettist Vince Ebert erklärt uns das alles auf Facebook auf seine unnachahmliche Art so:
„Im Kern basiert jedes totalitäre System auf dem gleichen Gedanken: Gib ein höheres (am besten sogar ein unerreichbares) Ziel vor und erkläre dann, dass dieses Ziel so (überlebens)wichtig ist, dass dessen Erreichung über allem stehen muss. Mache dabei immer wieder klar, dass am Ende das Paradies auf alle wartet. Haben das die Leute erst mal verinnerlicht, kannst Du die Daumenschraube fast nach Belieben anziehen. Der Grund, weshalb so viele Menschen den totalitären Kern einer Idee nicht erkennen, liegt daran, dass am Anfang das Ziel so nett und so harmlos klingt.“
Gunter Weißgerber war Gründungsmitglied der Leipziger SDP. Für die SDP/SPD sprach er regelmäßige als Redner der Leipziger Montagsdemonstrationen 1989/90. Gunter Weißgerber war von 1990 bis 2009 Bundestagsabgeordneter und in dieser Zeit 15 Jahre Vorsitzender der sächsischen Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion (1990 bis 2005). Den Deutschen Bundestag verließ er 2009 aus freier Entscheidung. 2019 trat er aus der SPD aus. Die Gründe dafür erläutert er hier. Er sieht sich, wie schon mal bis 1989, wieder als “Sozialdemokrat ohne Parteibuch”. Weißgerber ist studierter Ingenieur für Tiefbohr-Technologie. Er ist derzeit Unternehmensberater und Publizist.