Gunter Weißgerber / 10.04.2023 / 14:00 / Foto: Pixabay / 18 / Seite ausdrucken

Grüne besser als Brecht

Sollen doch die Götter des Wetters wählen gehen! Sie sind, wenn auch nicht der Neue Mensch, der Neue Souverän. Ein Souverän, der beliebig auslegbar ist und nicht widerspricht. Wenn das mal nichts ist!

Bertolt Brecht riet nach dem Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953 der SED-gelenkten Kommunismus-Transformationsregierung auf dem richtigen Weg zum Aufbau der makellosen Gesellschaft, das sich als ungehörig erwiesene Volk aufzulösen und sich ein anderes zu wählen. Gewissermaßen fehlte der „Partei neuen Typus“ der „Neue Mensch“ als Nummer in einem neuen Volk.

Die Lösung 

Ein Vorschlag von Bertolt Brecht:

Nach dem Aufstand des 17. Juni 
Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands 
In der Stalinallee Flugblätter verteilen 
Auf denen zu lesen war, daß das Volk 
Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe 
Und es nur durch verdoppelte Arbeit 
zurückerobern könne. Wäre es da 
Nicht doch einfacher, die Regierung 
Löste das Volk auf und 
Wählte ein anderes
?“ 

Die Grünen haben Brechts Problem auf ihre Art erkannt. Das Volk auflösen, es neu sortieren und schulen, für richtige Grüne kann das nicht die endgültige Lösung sein. Was ist, wenn dieses umsortierte Volk erneut störrisch wird? Wenn die neuen Menschen ins Alte zurückfallen? 

Die Grünen aller Parteien lösten den gordischen Knoten. Ihr Alexander von Makedonien heißt Stephan Harbarth, ist Mitglied einer befreundeten Organisation – der CDU – und seines Zeichens Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Seit dem 21. April 2021 steht die Bundesrepublik dank ihm und einer Richtermehrheit seines Senats unter Klima-Vorbehalt. Die Entscheidung besitzt damit Verfassungsrang. 

Totale „Klimarettung“ steht über dem Souverän

Das Sozialismus-Ziel in der Verfassung der DDR und der Klima-Vorbehalt gemäß Bundesverfassungsgericht unterscheiden sich in der Sache, in der Reduzierung des Gemeinwesens auf ein scheinbar übergeordnetes höheres Ziel bei Beschneidung grundsätzlicher Freiheiten unterscheiden sich beide totalitären Lösungen nicht. 

Die SED engte das Volk in seiner Meinungs- und Willensbildung auf das totalitäre Ziel „Sozialismus“ ein. Verfassungsrechtlich stand damit der „Sozialismus“ über dem Souverän, dem Staatsvolk. Zur Durchsetzung des Sozialismus-Ziels war jedes Mittel erlaubt. Der Souverän war, obgleich lästig, verzichtbar. 

Das Bundesverfassungsgericht setzte die totale „Klimarettung“ über den Souverän. Zur Klimarettung ist jedes Mittel erlaubt. Der Souverän ist seit 2021 auch in der Bundesrepublik, obgleich verdammt lästig, verzichtbar. 

Carl Schmitt ist wieder modern: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand verfügt“ (in „Politische Theologie 1922). Das Klima-Ziel als ununterbrochener Klassenkampf unserer Epoche. Mit uns geht die grüne Zeit. Ein neuer Klassiker der grün-kommunistischen Weltliteratur heißt „Es ist Zeit für eine wehrhafte Klimademokratie“. Klingt wie „Sozialistische Demokratie“ – Attribute als Demokratiebeschränkungen. Die kundigen Thebaner aus Realsozialismuszeiten riechen den Muff der Diktatur. Mal sehen, ob die vielen Leutchen in der wiedervereinigten Bundesrepublik, die weder Nationalsozialismus noch Realsozialismus persönlich erlebten, überhaupt was schnuppern. 

Wahlen kommen und gehen, die Klimaregierungen bleiben

Der Staatsrechtler Wolfgang Merkel schreibt „Für Demokratien gilt: Das Volk ist der Souverän. Allein über die Legitimation von Wahlen wird die legislative Souveränität auf das Parlament übertragen. Das Parlament, der Souverän zweiten Grades, wählt die Exekutive. Durch diese zwei Delegationsstufen haben demokratische Regierungen in parlamentarischen Regimen nur eine abgeleitete Souveränität. Demokratietheoretisch könnte man die Regierung daher als demokratische Akteurin dritten Grades bezeichnen.“ 

Wolfgang Merkels Sicht ist überholt, sozusagen eine Sichtweise aus dem demokratietheoretischen Museum. Er müsste öffentlich Einspruch einlegen, würde er weiterhin glaubhaft sein wollen! Mit der verfassungsgerichtlich bindenden Unterstellung des Souveräns unter die regional unterschiedlichen 30-Jahre-Wetter-Abschnittsbetrachtungen, gemeinhin Klima genannt, verlor der Souverän seine souveräne Stellung über Regierung und Institutionen. Er ist vernachlässigbar. Wahlen, deren Ergebnisse unter dem Diktat von Klimabetrachtungen in Spreu und Weizen sortiert werden müssen, besitzen die Bedeutung von Stimmungsermittlungen, Richtungsentscheidungen ziehen sie nicht mehr nach sich. Wahlen kommen und gehen, die Klimaregierungen bleiben – hätte der große Generalissimus in seiner speziell-saloppen Art gesagt.

Sollen doch die Götter des Wetters wählen gehen! Sie sind, wenn auch nicht der Neue Mensch, der Neue Souverän. Ein Souverän, der beliebig auslegbar ist und nicht widerspricht. Wenn das mal nichts ist!

Der Kabarettist Vince Ebert erklärt uns das alles auf Facebook auf seine unnachahmliche Art so:

„Im Kern basiert jedes totalitäre System auf dem gleichen Gedanken: Gib ein höheres (am besten sogar ein unerreichbares) Ziel vor und erkläre dann, dass dieses Ziel so (überlebens)wichtig ist, dass dessen Erreichung über allem stehen muss. Mache dabei immer wieder klar, dass am Ende das Paradies auf alle wartet. Haben das die Leute erst mal verinnerlicht, kannst Du die Daumenschraube fast nach Belieben anziehen. Der Grund, weshalb so viele Menschen den totalitären Kern einer Idee nicht erkennen, liegt daran, dass am Anfang das Ziel so nett und so harmlos klingt.“

 

Gunter Weißgerber war Gründungsmitglied der Leipziger SDP. Für die SDP/SPD sprach er regelmäßige als Redner der Leipziger Montagsdemonstrationen 1989/90. Gunter Weißgerber war von 1990 bis 2009 Bundestagsabgeordneter und in dieser Zeit 15 Jahre Vorsitzender der sächsischen Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion (1990 bis 2005). Den Deutschen Bundestag verließ er 2009 aus freier Entscheidung. 2019 trat er aus der SPD aus. Die Gründe dafür erläutert er hier. Er sieht sich, wie schon mal bis 1989, wieder als “Sozialdemokrat ohne Parteibuch”. Weißgerber ist studierter Ingenieur für Tiefbohr-Technologie. Er ist derzeit Unternehmensberater und Publizist.

Foto: Pixabay

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Jochen Lindt / 10.04.2023

Die Verfassungsrichter werden nicht gewählt, sondern von den Parteien ernannt, insofern sind sie per definitionem nicht neutral.  Früher war das nicht so erheblich, da es wesentliche Unterschiede zwischen den Parteien gab.  Jetzt haben wir aber eine Art Einheitspartei aus CDUCSUSPDFDPGRÜN und da wird es natürlich zum Problem, wenn Ideologien (“Klimaschutz”, “Offene Grenzen”, “Energiewende”) Verfassungsrang bekommen.

Sam Lowry / 10.04.2023

Von mir aus kann die Wlt und der Rest untergehen. Ich bin nicht “geimpft”! Und werde es auch nicht niemals sein, obwohl der Testlauf ja erfolgreich war. Was ich sagen würde, sage ich nicht. Denn dann würde sich Ugur Sahin und Mutti in Sicherheit wiegen… nee, ich stürzt bald an der Börse ab, “verliert” euer Portemonnaie im Supermarkt… nee, ich bin extrem nachtragend… ich mache eine Anzeige… lol… ich hätte Hitler erschossen! Und den ganzen Rest dazu…

U.Hering / 10.04.2023

Nun, auch auf die Gefahr, die Mitleser durch Wiederholung zu langweilen: Im Leben läuft das meiste auf eine einzige Frage hinaus: Was will ich, und was bin ich bereit, dafür zu tun? - Wenn mein Hund von Parasiten befallen wird, werde ich wohl alles in einer Macht stehende tun, ihn davon zu befreien (eine gewisse Sympathie mit dem Hund vorausgesetzt und unterstellt). Wenn mein Staat von Parasiten befallen wird, was tue ich dann? - Es ist ja nicht ohne jeden Verdienst, daß die Achse des Guten ihre Leser regelmäßig ebenso wortgewandt wie sachlich begründet über den neuesten regierungsgenerierten Unsinn unterrichtet. Und es ist für deren Leser und Kommentatoren ebensowenig völlig verdienstlos, dies zu lesen und zu kommentieren. Doch, wer denkt da an den alten Kohelet: “Es nimmt kein Ende mit dem vielen Bücherschreiben, und viel Studieren ermüdet den Leib”  (12,12). Das Gewissen mag rein sein und das Wort wahr, aber nur die Tat ist gut. Wo aber bleibt die Tat der Sammlung? Eine Sammlung der Guten, die endlich mit dem alten Amos sagt: “Das Fest der Faulenzer ist vorbei” (6,7)? Nur larmoyant zu Beklagen (und mag es sprachlich und sachlich noch so elegant und überzeugend sein) reicht wohl nicht mehr aus: Wenn der Master sieht, daß der Kapitän das Schiff auf die Klippen zu setzen droht, hat er die Pflicht, einzugreifen. Wenn der Steuermann bemerkt, das das Boot Schlagseite nach Backbord (vulgo links) hat, muß er die Mannschaft nach Steuerbord befehlen, um ein Kentern zu verhindern. Verehrte Redaktion: Solange Sie nicht klaren Standpunkt im Interesse der zunehmend gefährdeten Demokratie und der in ihr geltenden Meinungsäußerungsfreiheit beziehen, können Sie sich larmoyante Artikel zu diesem oder jenem Thema getrost schenken - sie bleiben nämlich folgenlos.

W. Renner / 10.04.2023

Ein weiteres klares Symptom für totalitäre Regierungen: Die Vergangenheit verklären, die Gegenwart negieren und die Zukunft verherrlichen.

sybille eden / 10.04.2023

Auch ein ” Bundesverfassungsgericht” kann ebenso wie ein ” Volksgerichshof ” entmachtet werden ! Man muss nur die richtige Partei wählen. So einfach wäre das .............

Juliane Gröger / 10.04.2023

Auf den Punkt gebracht. Nach dem Urteil des Bundes Verfassungsgerichts gibt es leider kaum Hoffnung auf Besserung.

Gerhard Schweickhardt / 10.04.2023

Der Klimaschutz ist die Heilslehre und der Schlüssel zur Diktatur. Könnte man seit gut 10 Jahren sehen. Widerworte wurden wie in einer Religion ohne Argumentation, abgewürgt. Wobei die Öffis kräftig Demagogie betrieben. Der Pöbel ist irre und schreit auf die rhetorische Frage wollt ihr den totalen Klimaschutz mit JAAA.

Anton Weigl / 10.04.2023

Zurzeit jammern ja viele über das Wetter, weil es scheinbar nicht ganz so schön ist, wie es manche Zeitgenossen haben wollen.  Ich antworte dann immer, daß das Aprilwetter so wie es zurzeit ist eigentlich ganz normal für den April ist. Außerdem muß  jeder der gegen die Klimaerwärmung ist mit diesen Wetter zufrieden sein. Das sitzt. Meist gibts dann auch noch ein dummes Geschau dazu.

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