Peter Grimm / 14.02.2023 / 18:30 / Foto: Pixabay / 14 / Seite ausdrucken

Berliner Wahl mit ungezählten Stimmen

Am Montag nach der Berliner Wiederholungswahl glaubten alle, das Ergebnis zu kennen, doch am Dienstag wurden 450 bislang ungezählte Briefwahlstimmen gefunden. So schnell endet eine Berliner Wahl eben nicht. Muss die SPD jetzt um ihren kleinen Vorsprung vor den Grünen fürchten? 

Was soll man davon halten, wenn am Dienstag nach der Wahl plötzlich 450 Briefwahlstimmen entdeckt werden? Nach dem bisherigen Wahlergebnis, war die Frage, ob in einer rot-grün-roten oder grün-rot-roten Koalition der Posten des Regierenden Bürgermeisters von der SPD oder den Grünen besetzt wird, nur durch einen SPD-Vorsprung von 105 Stimmen beantwortet worden. Und nun sind plötzlich 450 ungezählte Briefwahlstimmen neu auf dem Wahl-Markt. 

Die Wahlbriefe seien laut Landeswahlleiter Stephan Bröchler recht spät im Bezirk Lichtenberg angekommen und am Sonntag bei der Auszählung liegengeblieben. Wie es dazu kommen konnte sei noch unklar, das müsse der zuständige Bezirkswahlausschuss jetzt erst klären. Es soll Kommunikationsprobleme im Bezirkswahlamt gegeben haben, "die Zettel waren vorhanden, wurden aber nicht richtig weitergeleitet", wird Bröchler vom RBB zitiert. 

Also sind die Stimmen nun fristgerecht am richtigen Ort angekommen und wurden nur vergessen zu zählen? Oder lagerten sie woanders? Solche Fragen kann man jetzt natürlich stellen. Andererseits klangen die Berichte vom Wahlsonntag in Berlin schon ein wenig unheimlich, denn dass etwas in dieser Stadt so reibungslos funktioniert haben soll, wie allenthalben zu hören war, grenzte schon an ein Wunder. Jetzt kann sich der Berliner freuen, dass Berlin noch Berlin ist und bekommt zudem eine spannende Fortsetzung des Wahlabends. Sollten in den 450 Briefwahlumschlägen 106 Stimmen mehr für die Grünen als für die SPD liegen, dann könnte die grüne Bettina Jarasch doch noch den Anspruch darauf erheben, ins Rote Rathaus einzuziehen. Jenen Berlinern, die am Sonntagabend erleichtert aufatmeten, als sie dachten, dass ihnen wenigstens eine Regierende Bürgermeisterin Jarasch erspart bleiben würde, wird noch einmal etwas zusätzliche Spannung gewährt. 

Rotation oder Doppelspitze?

Noch unterhaltsamer als ein grüner Vorsprung wäre es nur, wenn genau 105 mehr grüne Stimmen als SPD-Stimmen auftauchen würden, denn dann müssten Frau Jarasch und Genossin Giffey - oder wen immer die SPD dann ins Rennen schickt - auf andere Weise klären, wer die Hauptstadt an der Spitze regieren darf. Vielleicht vereinbaren sie ja ein Rotationsmodell. Oder eine Doppelspitze? Das Modell kennen die gegenwärtigen Berliner Koalitionäre ja schon von ihren jeweiligen Parteivorsitzenden. Dummerweise müsste für diese Lösung erst die Berliner Verfassung geändert werden, denn da heißt es in Artikel 55: "Der Senat besteht aus dem Regierenden Bürgermeister und bis zu zehn Senatoren." Aber das Rotieren verbietet die Verfassung wohl nicht. Bei eventueller Stimmengleichheit bietet sich bei einer Wiederholungswahl vielleicht vor weiteren Verhandlungen auch eine Auszählungswiederholung an. 

Aber das sind alles nur spinnerte Ideen. Jetzt werden erst einmal die 450 neu entdeckten Stimmen ausgezählt. Der Landeswahlleiter verspricht ein Ergebnis in den nächsten Tagen. So eine ungeplante Auszählung von 450 Wählerstimmen muss ja auch erst einmal wahlrechtlich korrekt organisiert werden. Bei dieser Wahl will Berlin bekanntlich alles richtig machen.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Rainer Hanisch / 14.02.2023

In Berlin hat noch nie etwas ohne Pleiten, Pech und Pannen funktioniert. Es sei denn es hat Hilfe aus dem Rest der Republik gegeben. War schon zu DDR-Zeiten so und wird sich auch mit dem “freien Teil” der Stadt nicht ändern.

Ulla Schneider / 14.02.2023

Der Herr sprach:“Es werde Licht,” Und als er Berlin sah, fand er den Schalter nicht.-

Jörg Themlitz / 14.02.2023

“Was soll man davon halten, wenn am Dienstag nach der Wahl plötzlich 450 Briefwahlstimmen entdeckt werden?”; Wie sagt der Pilzsammler: Wo einer ist da sind noch mehr. Warten wir mal ab. Zumindest wir Ossis sollten das etwas positiver sehen. Denn mal ehrlich, soviel Aufregung und Spaß hatten wir bei SED Wahlen nie. Letztendlich ist es herzschonender, wenn Klima und Wahlen von oben geregelt werden.

Fred Burig / 14.02.2023

Als letztes Mittel bleibt ja immer noch das “Schätzen”. Ob es da eine Vorgabe gibt, um wie viele Stimmen man sich “verschätzen” darf, um nicht gleich das Ergebnis als über- oder unterschätzt bewerten zu müssen, ist wohl nicht bekannt. Wenn ich mich frage, dann schätze ich mal, “die haben sie doch nicht alle” ..... MfG

Peter Volgnandt / 14.02.2023

So eine Auszählung dauert ja auch wahnsinnig lange. Vor allem wenn die Wahlhelfer ihr Erfrischungsgeld gleich komplett bestimmungsgemäß auf den Kopf gehauen haben. Da müssen sie sich erst mal erholen. Apropos Erfrischungsgeld. Ich war jahrelang Wahlhelfer und leider auch meist Wahlvorstand. Ich fing mit 20 € Erfrischungsgeld an und zum Schluss waren es 30. Und das im ach so reichen Bayern. Aber mit dem Finanzausgleich können die Berliner ja leicht ihre Spendierhosen anhaben.

Florian Bode / 14.02.2023

Von den 450 Stimmen wurden 10.500 für die Grünen. Alles ist Möglich in dieser korrupten sozialistischen Metropole.

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