Peter Grimm / 12.02.2024 / 10:00 / Foto: Pixabay / 47 / Seite ausdrucken

Berliner Nachwähler ignorieren Kampf gegen rechts

Ein Teil der Berliner durfte gestern noch einmal zur Bundestagswahl gehen. Ändern konnten sie damit nichts, aber dennoch mit ihrer Stimmabgabe etwas sagen.

In Zeiten, in denen es nach den Worten führender Politiker und Medienschaffender gerade um die Rettung der Demokratie geht, wofür viele staatlich geförderte Vereinigungen doch seit Wochen unermüdlich Demonstrationen organisieren, müsste eine Wahl doch wenigstens als Stimmungstest auf ungeteilte Aufmerksamkeit stoßen. Immerhin waren mehr als eine halbe Million Wähler in Berlin aufgerufen, in ihren jeweiligen Wahlbezirken die vor zwei Jahren vergeigte Bundestagswahl nachzuholen. Zwar waren nennenswerte Veränderungen der Parlamentszusammensetzung bei Zahl und Auswahl der Wiederholungswahlbezirke nicht zu erwarten, aber galten Wahlen nicht dennoch einstmals als das „Hochamt der Demokratie“? 

Zumindest gibt es bestimmte Rituale, an die man sich in der deutschen Nachkriegsdemokratie zu Wahltagen gewöhnt hat. Dazu gehören Sondersendungen in öffentlich-rechtlichen Sendern am Wahlabend, die um 18 Uhr mit einer Prognose beginnen und sich dann über diverse Hochrechnungen bis zum vorläufigen amtlichen Endergebnis ziehen können. Und Politiker der Parlamentsparteien wechseln sich mit diversen Politikwissenschaftlern in der Präsentation ihrer Textbausteine ab, wobei sich der eine oder die andere dabei in der praktischen Anwendung auf das aktuelle Ergebnis zum Glück immer mal verstolpern, so dass diesen Sendungen meist ein realsatirischer Unterhaltungswert innewohnt. 

Wer solches auch für die Bundestagsnachwahl in Teilen Berlins erwartet hatte, wurde enttäuscht. Es gab keine Prognosen, keine Hochrechnungen und keine Wahlsondersendungen. Halt, eine Wahlsondersendung gab es doch: Im Regionalsender RBB ging es eine halbe Stunde lang um diese eigenartige Wahl. Man freute sich dort darüber, dass es die allenfalls eingeschränkt funktionstüchtige Hauptstadt geschafft hatte, in den Nachwahlbezirken ohne große Pannen abstimmen zu lassen. Es kamen ja auch kaum Wähler. Nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten wollte ihre Stimme gestern abgeben. Eine Wahl, von der es allenthalben schon im Vorfeld hieß, dass sie nichts verändern könne, ist nicht sonderlich attraktiv und möglicherweise war es das zur Wahl stehende Angebot für viele Wähler auch nicht. 

Kaum Veränderungen?

Bleibt der Stimmungstest. Was hat sich gezeigt? In den vergangenen Wochen hatten es ja die Initiatoren und Unterstützer der vielen Kundgebungen „gegen rechts“ als ihren Erfolg gefeiert, dass die AfD in Umfragen Verluste verzeichnete. Gab es da vielleicht auch die Hoffnung, bei einer Wahl auf nicht gerade AfD-freundlichem Terrain könnte es ähnliche Verschiebungen geben? Wenn es sie gab, dann wurde sie enttäuscht. 

Interessante Zahlen zu den Wahlergebnissen sind diesmal schwerer zu entdecken als sonst. Die meisten Stimmungsbildsucher hätten sich wahrscheinlich gefreut, wenn Medien und/ oder Behörden ihnen die Wahlergebnisse in allen Nachwahlbezirken einmal zusammengerechnet präsentiert hätten. Stattdessen gibt es beim Landeswahlleiter ein Berliner Gesamtergebnis, das die Nachwahlergebnisse mit den Zahlen aus den Wahlbezirken, in denen nicht nachgewählt wurde, zusammenrechnet. Und natürlich kann man sich die Ergebnisse der einzelnen Wahlkreise und -bezirke anschauen.

Bei dem Berliner Gesamtergebnis zeigten sich kaum Verschiebungen. Die CDU hat demnach 1,3 Prozent hinzugewonnen und die AfD ein Prozent, während SPD 1,2 Prozent, die FDP 0,9 Prozent und die Grünen 0,3 Prozent verloren. Aber wie sollte sich das Ergebnis auch nennenswert verschieben, wenn nur ein Fünftel der Wähler neu abstimmen darf? Da ist ein Blick in die Wahlkreise schon interessanter und hier vor allem in den Wahlkreis Pankow, weil dort immerhin 85 Prozent der Wahlberechtigten noch einmal abstimmen durften. 

Die Sprache der lokalen Zahlen

Es ist ein Wahlkreis mit klarer rot-rot-grüner Mehrheit. Und ausgerechnet hier gelang der AfD der Sprung in die Zweistelligkeit. Trotz aller „Enthüllungen“ und Demonstrationen gewann sie sogar hier 5,7 Prozent hinzu und kam auf 14,5 Prozent. Die CDU konnte einen Zugewinn von fünf Prozent verbuchen und kam auf 16,7 Prozent, während beispielsweise die SPD um satte sieben Prozent einbrach und nur noch 15,1 Prozent einfuhr. Die FDP sank um 4,4 Prozent auf 3,7, während die Grünen nur einen halben Prozentpunkt verloren und mit 25,9 Prozent stärkste Partei im Wahlkreis Pankow blieben. 

Die Grünen als ideologischer Taktgeber der Bundesregierung können ihre Wähler dort offenbar noch mobilisieren, während der Rest der Ampel einbricht. Doch vor allem ist interessant, dass die große Allparteien-Mobilisierungswelle gegen die AfD offenbar wirkungslos bis kontraproduktiv verpufft. Für das politische Klima im Land – immerhin tatsächlich ein Klima, das rein menschengemacht ist – wäre es sicher gut, diese Erkenntnis würde die Organisatoren möglichst schnell erreichen. 

Natürlich kann man argumentieren, dass die Stärke der AfD hier auch an der dramatisch gesunkenen Wahlbeteiligung liegt. Nur wäre die doch bei erfolgreicher Mobilisierung im Sinne all der Demo-Organisatoren auch höher ausgefallen. Aber auch sie werden lernen müssen, dass man die eigene inhaltliche Leere nicht nachhaltig damit ausfüllen kann, gegen einen gemeinsamen Gegner anzutreten. Letztlich will ja jeder am liebsten jemanden wählen, dem er halbwegs glauben kann, dass er seine Interessen vertritt. Wenn das nicht im Angebot ist, dann entscheidet er sich für das aus seiner Sicht kleinste Übel, für ein Protestzeichen, oder er geht nicht hin. 

Sicher kann man aus einer Nachwahl in einem kleineren Teil der deutschen Hauptstadt nicht allzuviel ableiten. Aber ein Zeichen dafür, dass der Kurs, die Bürger mit einem Politik-Ersatz aus Anti-AfD-Kampagnen zu beschäftigen, mindestens keinen Erfolg hat oder das Gegenteil dessen erreicht, was er erreichen will.

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

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Rudolf Dietze / 12.02.2024

Gerade lese ich in Welt:“Die in Untersuchungshaft sitzende AfD-Kandidatin Birgit Malsack-Winkemann hat bei der teilweisen Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin ihr Ergebnis von 2021 noch minimal verbessert…..Im Dezember 2022 war sie wie zahlreiche andere Verdächtigte bei einer Großrazzia festgenommen worden.”—“Wie lange dauert die Untersuchungshaft? Die maximale Dauer für eine Untersuchungshaft beträgt grundsätzlich 6 Monate, § 121 I StPO. Wenn besondere Gründe vorliegen, kann diese jedoch bis zu insgesamt 12 Monaten verlängert werden.” Google. Wie passt das zusammen? Werden in D inzwischen die Gesetze wie Gummi behandelt? Langsam ist es zum fürchten, entweder Anklage oder Freilassen! Eigentlich ein Fall für die Medien. Ph. Medien schreiben, sitzt schon über ein Jahr in U-Haft. und

Nathalie Werner / 12.02.2024

Man nehme die Parteien, die in den 16 Merkeljahren und jetzt seit 2 Jahren dieses Land langsam Richtung Abgrund schieben, Wohlstand weg, Wirtschaft weg, bezahlbare Energie weg, immer mehr teure Beamte, immer mehr voll zu versorgende aus aller Welt und kommt als Ergebnis auf rund 70 Prozent. Das heißt, Jeder sollte sich dringendst um seine eigene Zukunft kümmern und sich ernsthaft an die Vorsorge fürs Alter ranmachen und niemals auf die Politik hoffen, das wird nix mehr, mit diesem Volk,

Albert Pelka / 12.02.2024

Die DAVA, die Hisb-Allah , übersetzt die Partei Allahs, von Berlin-Gazamitte, stand eben noch nicht zur Wahl. da hat dann halt der Neudeutsche Doppelstaatler an sich seine aufwachsende, seine bald aufmarschierende Majorität in Spe nicht unnützerweise, weil etwas zu früh ins Gespräch bringen wollen und ist darum “zuhause” geblieben: Gerade deshalb, weil für gewöhnlich das ‘Zuhause’ für diese Passdeutschen “BERLINER” stramm in Richtung Mekka zu verorten ist. Und wo sowas wie die Terrororganisation Hamas als eine ganz normale , hundsgewöhnliche Partei gilt und Zivilisten schlachten, entführen und vergewaltigen als Märtyrertum regelmäßig zu frenetisch gefeierten Volksfesten Anlass gibt. Und grade dann erst recht, wenn sie Terror-Märtyrer von BMW-Mehrtürer nicht so recht, was die Orthographie angeht, unterscheiden können.

Steffen Huebner / 12.02.2024

@Friedrich Richter, Wahlbeteiligung. “Wenn man mit Wahlen etwas ändern könnte…” - das wissen auch, spätestens nach der letzten Kommunalwahlveranstaltung, die meisten Berliner.  Seit dem 27. April 2023 heißt der Regierender Bürgermeister von Berlin Kai Wegner, CDU. An der Politik seiner rotgrünen Vorgänger hat sich nichts wesentliches geändert.

Judith Panther / 12.02.2024

“Die Grünen als ideologischer Taktgeber der Bundesregierung können ihre Wähler dort offenbar noch mobilisieren ...” Mir fiel irgendwann vor Jahren auf, daß die Zahl der Grün-Wähler in den einzelnen Wahlkreisen und auch im Bund ziemlich stabil bleibt. Das interpretiere ich allerdings so, daß Grüne einfach nicht lernfähig sind und daß es ihnen einfach noch zu gut geht. Da lob ich mir doch die rhetorische Fangfrage an Radio Eriwan: “Was ist ein Blauer? Radio Eriwan: “Ein Grüner, nachdem er mal von einer Horde Brauner verdroschen wurde!”

Fred Burig / 12.02.2024

@Robert Schleif:”... Seinen Standpunkt mutig vertreten und die AfD wählen ist eine Frage der Selbstachtung und Würde.” Das kann ich bedenkenlos unterschreiben!! Außerdem ist es - real gesehen - alternativlos und das Gebot der Stunde!  MfG

Fred Burig / 12.02.2024

@Thomas Taterka:”... aber ich kann unmöglich eine Partei wählen , die praktisch auf alles , lassen Sie es mich sehr freundlich sagen , “pfeift ” , was mir in meinem 64jährigen Leben “heilig” , d.h. selbstverständlich war und es lebenswert macht . ” .....” Deshalb wähle ich überhaupt nicht . Ich habe die Regierung ebenso satt wie die angeblich einzige Opposition ....” Aber, aber ..... mit 64 Lenzen wird man doch wohl noch Erfahrungen machen können…. Die mit den “Altparteien” haben sie ja scheinbar zu ihren Ungunsten gemacht - aber die mit der AfD sollten sie nicht auslassen! ...... Schließlich könnte es auch gut gehen und ihr Leben wieder lebenswerter machen - gerade, weil sich die meisten Ruheständler noch so manches “vorgenommen” haben ..... Zudem kann es doch eigentlich nur wieder besser werden, oder? Und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt! MfG

Thomin Weller / 12.02.2024

@Thomas Taterka Wenn sie schon ihre Wahlstimme dem Gewinner geben, gehen sie zur Wahl und machen den Wahlzettel ungültig. Sonst wird ihre schweigende Stimme dem “Gewinner” zugerechnet. Ergo wären sie in Pankow ein grüner Wähler. Bis heute haben viele Bürger nicht verstanden das eine Nichtwahl weitaus schlimmer ist.

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