Die Debatte um gentechnisch veränderte Feldfrüchte (GVO) nimmt wieder Fahrt auf. Der Grund: Der Europäische Gerichtshof hat die EU-Kommission aufgefordert, den Anbau der Genmais-Sorte 1507 zuzulassen. Es gebe keinerlei Gründe, sagen die Richter, die Zulassung weiter hinauszuzögern. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hat der Sorte bereits vor neun(!) Jahren wohlbegründet ihre Unbedenklichkeit bescheinigt und mehrfach bestätigt. Auf EU-Ebene muss der Anbau des Maises also genehmigt werden. Es wird allerdings darauf hinauslaufen, dass die Mitgliedstaaten selbst regeln dürfen, ob der Anbau bei ihnen erlaubt ist oder nicht. Grund genug, hierzulande nun wieder Schreckensszenarien aus allen Kanälen schallen zu lassen, um die Bundesregierung auf ablehnenden Kurs zu bringen und festzuzurren.
Erst im vergangenen Jahr wurde die letzte Studie, auf die sich Gentechnikgegner berufen bei ihrer Behauptung, GVO-Pflanzen seien gesundheitsschädlich, von der Zeitschrift, die sie abgedruckt hatte, zurückgezogen. Die Zeitschrift warf dem Autor Gilles-Eric Seralini – ein Forscher, der für Greenpeace arbeitete – vor, seine Studie sei wissenschaftlich unhaltbar. Eine ganze Reihe von Mikrobiologen hatten dies längst zuvor festgestellt. Schließlich konnte auch die Redaktion des Fachblattes den Beitrag nicht mehr halten.
Endgültig war damit ein weiterer Argumentationsstrang der Gegner von Gentechnik zusammengebrochen, so dass letztlich nur noch einer übrig blieb: Die Menschen würden die Gentechnik ablehnen. Das allerdings ist kein Wunder, nachdem jahrelang mit – wie sich inzwischen herausstellte unhaltbaren – Argumenten der gesamte Forschungszweig diskreditiert wurde. Die Begründungen dafür sind verschwunden, die Angst ist geblieben. Und zwar in reichlich diffuser Form, etwa wenn Verbraucher befürchten, womöglich auf Gene zu beißen. Es handelt sich um das Paradebeispiel einer konstruierten Gefahr.
Keine wissenschaftlich fundierte Studie liefert heute einen Grund dafür, dass gentechnisch veränderte Pflanzen für die Gesundheit oder die Umwelt aus Prinzip – also deshalb, weil sie Ergebnis eines biotechnischen Eingriffs seien – eine Gefahr darstellten. Macht nichts, hat man die Angst erst einmal etabliert, ist die Ratio unnötig.
Jetzt bringen Kritiker der grünen Gentechnik – Greenpeace wieder an vorderster Front dabei – ein anderes Argumente ins Spiel, das allerdings bereits im Ansatz seinen Mangel an Logik offenbart: Der Anbau von Mais 1507 würde sich nicht rechnen, heißt es. Ein kompletter Beitrag des TV-Magazins “Report München” stützte sich kürzllich vor allem auf dieses Argument, ohne auch nur ein einziges Mal zu hinterfragen, warum der Mais ausgerechnet deshalb verboten werden müsse. Konsequenterweise hätte der Moderator eigentlich sagen müssen: Ich halte die deutschen Bauern für so blöd, dass sie den Gen-Mais anbauen, obwohl es für sie ein Minusgeschäft ist. Die Frage, warum man etwas verbieten sollte, was sowieso niemand anwenden würde, der klar im Kopf ist, wurde nicht nur nicht beantwortet, sie wurde nicht einmal gestellt. Qualitätsjournalismus aus Bayern.
Als ein Grund für die mangelnde Wirtschaftlichkeit taucht in den letzten Tagen und Wochen nun der Hinweis auf, der Gen-Mais würde einen erhöhten Verbrauch von Pestiziden mit sich bringen. Ein Argument, das ziemlich einsam dasteht im Diskurs, weil wissenschaftliche Studien seit vielen Jahren zum genau gegenteiligen Ergebnis kamen. Dem Internet-Lexikon Wikipedia kann gewiss niemand nachsagen, sich einseitig gegen die politische Korrektheit aufzustellen, und dennoch: der Wikipedia-Beitrag zum Genmais mit einer sehr breiten Übersicht über die wissenschaftliche Literatur kommt zu einem eindeutigen Ergebnis.
Das wundert nicht. Schließlich bildet gentechnischer Mais, der sogenannte Bt-Mais, seinen Pflanzenschutz selbst aus und benötigt deshalb weniger Chemieeinsatz. Der Hinweis, dass das pflanzeneigene Insektizid bei den Schädlingen Resistenzen herausbildet, stimmt zwar, verfängt aber in keiner Weise, weil genau das auch für den Einsatz von herkömmlichen Pflanzen mit herkömmlicher (gesundheitlich weit schädlicherer) Spritz-Chemie gilt. An der Vorsorge vor und der Reaktion auf Resistenzen kommt niemand vorbei, der Pflanzenzucht betreibt, egal ob konventionell oder gentechnisch – auch dies übrigens wieder ein Beispiel dafür, dass es wenige bis gar keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen beiden Ansätzen gibt (auch bei der so leidenschaftlich und viel zitierten mangelnden „Rückholbarkeit“ nicht: Auch ausgebrachte konventionelle Neuzüchtungen sind nicht rückholbar, ein Scheinargument also). Auf einer Ebene gibt es schon gar keinen Unterschied: Der Einsatz eines jeden Saatgutes muss sich für den Bauern rechnen, sonst wählt er ein anderes. Ganz einfach. Niemand wird zu „Einmal Gentechnik, immer Gentechnik“ gezwungen.
Gewiss, die Lesart des erhöhten Pestizideinsatzes kann sich auch auf eine wissenschaftliche Studie berufen. Was in der Diskussion allerdings verschwiegen wird: Das geprüfte Papier von Charles M. Benbrook bezieht sich allein auf die USA. Und sie ist auch für die dortigen Verhältnisse nicht unumstritten. Ganz abgesehen von der auch hier auf der Hand liegenden Frage: Warum setzen die Farmer dort auf Genmais, wenn sie dafür noch mehr von dem so teuren Pflanzenschutz einsetzen müssen?
Was die globale Entwicklung angeht, sieht der Trend (siehe auch wie gesagt Wikipedia) ganz anders aus, wie diese – ebenfalls geprüfte – Studie von Graham Brookes und Peter Barfoot deutlich macht. Sein Ergebnis: Der Pestizideinsatz konnte mithilfe von gentechnisch verändertem Saatgut weltweit um 9,1 Prozent gesenkt werden, der Faktor für den schädlichen Einfluss der Landwirtschaft auf die Umwelt (Environmental Impact Quotient, EIQ) verringerte sich um 17,9 Prozent.
Auch Matin Qaim, Gentechnikexperte und Agrarökonom an der Universität Göttingen, sagt: Wenn überhaupt, dann habe sich der Verbrauch von Pestiziden lediglich bei den GVO-Sorten erhöht, bei denen eigens eine Herbizid-Toleranz eingebaut wurde, die also auf bessere Verträglichkeit der Spritzmittel ausgelegt wurden. Bei Bt-Pflanzen, jenen Sorte also, die ihren Pflanzenschutz selbst herausbilde, träfe dies auf keinen Fall zu. Qaim hat dazu ebenfalls zwei Studien erarbeitet, eine zu dieser Diskussion insgesamt und eine zu seinem Spezialgebiet, der GVO-Baumwolle in Indien – einem Erfolgsmodell, wie sich nach anfänglich aufgeregten Diskussionen (vor allem dem bösen Gerücht über gehäufte Selbsttötungen von Baumwollfarmern) inzwischen herausgestellt hat.
Der nun zur Debatte stehende Genmais 1507 ist beides: Er bildet als Bt-Mais seine Mittelchen gegen Schädlinge (den Maiszünsler) in sich selbst aus, was zu einer gehörigen Einsparung an Giftspritzen führen könnte. Andererseits ist er – zwar – auch tolerant gegen ein bestimmtes Herbizid, was womöglich zu einem erhöhten Chemieeinsatz führen könnte. Bei dem Mittel, das er besser verträgt, handelt es sich allerdings um Glufosinat. Und dessen Gebrauch unterliegt in der EU nicht nur sehr starken Restriktionen, die 2013 nochmal verschöärft wurden, ab 2017 ist es ganz und gar verboten. Und, was nicht vergessen werden sollte: Es kostet den Landwirt Geld. Die Gefahr, dass wegen des Einsatzes von Mais 1507 die Äcker in Chemiewolken verschwinden, ist also nicht gegeben.
Spritzen oder nicht Spritzen, Resistenzen oder nicht Resistenzen, Teuer oder billig, rentabel oder unrentabel – all dies sind Alternativen, die für beide Arten von Züchtungen gelten, konventionell und gentechnisch. Es giubt keine prinizipiellen Unterschiede. Aber sehr, sehr viel Angstmache.
Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT