@ Dr. Maria T. Groepper Ich hatte nicht geschrieben, dass “bonhomme” wortwörtlich “Spießer” heißt. Das Bedeutungsfeld des Begriffes scheint es aber (neben den von ihnen genannten Bedeutungen) zu umschließen. “Biedermann und die Brandstifter” heißt im Französischen “Monsieur Bonhomme et le Incendiaires”. Über Asterix und Obelix heißt es, dass Römerlager “Kleinbonum” sei von franz. “petit bonhomme” abgeleitet, was (laut dortiger Angabe) sinngemäß für “Kleinbürger” oder “Spießer” stehe. Darauf beziehe ich mich. Eine mir bekannte Muttersprachlerin verwendet es auch in dem Sinne.
Bekenntnis: Ich werde weiterhin das Wort “Gutmensch” verwenden, wenn es angebracht ist. Ich brauche keine Orwell´sche Wortpolizei.
“bonhomme” ist aber kein “konservativer Spießer”, sondern einfach ein “Mann”, “Bursche”, “Kerl”, “Typ” etc.
Es ist schon bemerkenswert, dass die Entscheidung der Jury für “Gutmensch” als Unwort das Jahres mit einer handfesten Lüge begründet wird. Denn es trifft doch nicht im Geringsten zu, dass dieses Wort in “zunehmendem Maße” als Schimpfwort auch gegenüber guten Menschen benutzt wird, die Anderen ganz real helfen. Ich jedenfalls habe diese Erfahrung nicht gemacht, und ich lese viel. Natürlich gibt es Blogs mit extrem niveaulosen Kommentaren, da kann man nichts auszuschließen. Aber selbst wenn man dort fündig würde: Es kann doch wohl nicht sein, dass dann solcher Müll die Argumentationsgrundlage für das Unwort des Jahres ist.
Hier ein Kommentar, den ich vor einigen Jahren bereits an anderer Stelle ins Netz gestellt habe: Den „Rittern der Politischen Korrektheit“ geht es gar nicht so sehr um das Wohl und Wehe der Ausländer, der Frauen und der anderen von ihnen „umsorgten“, angeblich oder tatsächlich diskriminierten Bevölkerungsgruppen, sondern vielmehr darum, sich selbst als wahrhaft edel und menschenfreundlich hinzustellen – stets mit dem pharisäerhaften Unterton: Seht her, was für ein guter Mensch ich bin, und nehmt euch an mir ein Beispiel! Aus diesem Grund wird in den Medien und auch im Volksmund für diese Zeitgenossen oft der Begriff „Gutmensch“ verwendet. Es handelt sich um einen polemischen Ausdruck, der ein positiv besetztes Adjektiv – in diesem Fall „gut“ – mit einem bestimmten Substantiv verbindet, um auf diese Weise Ironie, Sarkasmus, Zynismus zu erzeugen. (Ähnliche Begriffe sind: Besserwisser, Rechthaber, Klugscheißer – alles Typen, die fast immer lächerlich, oft genug zudem aber auch ausgesprochen lästig daherkommen…) „Gutmensch“ und „guter Mensch“ sind keineswegs identisch, vielmehr ist der Erstgenannte oft genug das genaue Gegenteil von letzterem. Ein guter Mensch war beispielsweise Mutter Theresa: sie hat ihr Leben den Armen in Kalkutta gewidmet und dafür auf viele Annehmlichkeiten der westlichen Welt verzichtet. (Bei den „Politisch Korrekten“ ist Mutter Theresa übrigens nicht gut angesehen: sie werfen ihr vor, gewisse Dogmen der katholischen Kirche gepredigt zu haben, wie etwa das Verbot der Empfängnisverhütung – als würde das ihren lebenslangen Einsatz für die Armen auch nur im Geringsten entwerten!!!) Hat man je davon gehört, dass jemand, der sich über die Ausweisung südosteuropäischer Roma aus Frankreich echauffiert, auch nur einen dieser armen, verfolgten, ausgegrenzten, diskriminierten Menschen bei sich zu Hause aufgenommen und ihm dort eine neue Heimstätte geboten hat? (Eine ganze Sippe – Roma-Oma, Roma-Opa, Mamma, Pappa und viele, viele Kinderlein vom Säugling bis zum Milchbart – wäre natürlich noch besser. Die Wohnqualität von Gutmensch’s Villa würde sich innerhalb kürzester Zeit drastisch verändern, ebenso das Verhältnis zu den Nachbarn.) Aber so weit geht Gutmensch’s Gutherzigkeit denn nun doch nicht. Lieber lässt er die Allgemeinheit (sprich: den Steuerzahler) für seine guten Werke finanziell aufkommen.
Das nächste Geschwader der Korrectness Kampftruppen – die steuerzahlerfinanzierte „Gesellschaft für deutsche Sprache“ (gfds - klingt irgendwie wie GST – die Wehrsportgruppen in der DDR) hat pflichtschuldigst ihr Betroffenheitsscherflein geliefert: Die Kür von „Gutmensch“, das von den „Stammtischen“, also dem dumpfen, reaktionären Volk, - dem Gegensatz der linkselitären, humanistisch aufgeklärten Elite, - sprachgebraucht wird. Isch geh ma kurz Sarkasmus.
Die “sprachkritische Aktion” einer selbsternannten handvoll linker Juroren aus dem germanistischen, linguistischen und journalistischen Fach findet fast aufgeregt Beachtung. Unbemerkt wurde für 2015 der “Gutmensch” zum Unwort gekürt, der es im Jahr 2011 mit dem gleichen Begründungstext nur zu einer Rüge hinter dem Unwort “Döner-Morde” gebracht hatte. Offenbar fehlt es den eifrigen Sprachregulierern an Input. Zu befürchten ist, dass Sie 2016 gar kein Unwort mehr feiern können, denn sie haben durch die zwei zusätzlich gerügten Begriffe, die jährlich der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit entgehen, ihr sprachideologisches Pulver geradezu verschossen. Rügen erhielten seit 2011 bspw. die Worte “erweiterte Verhörmethoden” (mit Hinweis auf die CIA), “Russland-Versteher”, “Pleite-Griechen”, “Lebensleistungsrente”, “Integrationsverweigerer”, “marktkonforme Demokratie”. So gesehen erwartbare und wenig originelle Auswahlen. “Willkommenskultur” kommt bei dieser Jury als Unwort-Kandidat deshalb nicht in Frage, weil dieser Neologismus eher eine Sprachschöpfung der so gescholtenen Gutmenschen sein dürfte und somit eher Aussicht hat, zum Wort des Jahres erklärt zu werden. Weshalb vernebelnde Wortungetüme wie “Migrationshintergrund” oder “Migration” nicht längst zu Unworten erklärt worden sind, ist ebenso verwunderlich wie die fortdauernde Duldung von Begriffen wie “national” oder “deutsch”.
Wie wäre es statt Gutmensch mit Lobsuchende?
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