Ralf Schuler / 01.10.2017 / 16:33 / Foto: Pujanak / 17 / Seite ausdrucken

Deutschland muss „Rechts“ wieder lernen

Kurz vor der Wahl ließ die CDU noch eine Umfrage zum internen Dienstgebrauch machen, in der unter anderem gefragt wurde, wo man die Union auf einer Skala von 1 (links) bis 10 (rechts) verorte. Mit einigem Stolz ließen die Strategen aus dem Adenauer-Haus durchsickern, dass die CDU als Partei bei 5,3 landete, die Kanzlerin selbst habe sogar eine Punktlandung in der Mitte mit einer glatten 5,0 hingelegt.

Ein schöner Erfolg für die Kanzlerin, deren Berater Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen bereits 2012 im Präsidium eine Grafik vorlegte, die in der Mitte einen Wählerberg zeigte, den es zu gewinnen gelte. An den Rändern siedeln einfach zu wenige Wähler. Angela Merkel hat es beherzigt und den rechten Flügel der Union von Wirtschaftsliberalen über Nationale bis zu Konservativen mehr und mehr veröden lassen.

Unschöner Nebeneffekt: In weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit ist heute die von links liebevoll bediente Meinung verbreitet, „Rechts“ beginne etwa bei 6,5 auf der politischen Meinungsskala. Und da der „Kampf gegen rechts“ zum festen, unhinterfragten Bestandteil der politischen Kampagnenkultur geworden ist, bringen auch die Wahlerfolge der AfD mitunter erstaunliche Reaktionen hervor. Von Schlagzeilen über den Einzug von „Nazis“ in den Bundestag bis zur braunen Einfärbung Sachsens auf der politischen Landkarte.

Jetzt rächt sich, dass linke Unsäglichkeiten bis ins extreme Spektrum hinein vielfach als schräg-sympathische subkulturelle Blüten belächelt werden, während der „Kampf gegen rechts“ bewusst diffus gehalten wird und als Sammelbegriff für das gesamte Spektrum zwischen Lebensschützern und überzeugten Nationalsozialisten herhalten darf. Eine „Rote Flora“ ist akzeptiert, eine „Schwarze Flora“ wäre undenkbar.

Rechts ist nicht automatisch Nazi

Kurz gesagt: Deutschland muss „Rechts“ wieder lernen. Wer AfDisten wieder zurückgewinnen will, muss unterscheiden, wo rechts rechtens ist und wo nicht.

Wenn der öffentliche Diskurs nicht nur mit der AfD und ihren Unterstützern, sondern in seiner ganzen Breite nicht unter die Räder schmalspuriger Korrektheit kommen soll, sind gerade auch die tonangebenden und gern „Haltung“ zeigenden Eliten gefordert, wieder unterscheiden zu lernen zwischen tatsächlich inakzeptablen Meinungen und solchen, die sie lediglich nicht teilen.

Rechts ist nicht automatisch Nazi. Rechts ist kein Synonym für Faschismus. Soweit bekannt, plant die AfD weder Angriffskriege noch industriellen Massenmord. Wer vermeintlich noch immer „fruchtbaren Schößen“ tatsächlich und ernsthaft wehren will, sollte eher ein Interesse daran haben, jene, die er für anfällig hält, aus Ecken heraus zu holen, als sie hinein zu stellen.

Es ist erlaubt, eine geregelte und damit begrenzte Einwanderung und sichere, kontrollierte Grenzen zu fordern. Es ist sogar Rechtslage.

Es ist erlaubt, die Probleme muslimischer Migranten zu thematisieren. Dazu wurde eigens eine Islamkonferenz eingesetzt. Und so sehr sich am Buch von Thilo Sarrazin „Deutschland schafft sich ab“ die Geister schieden – rechtlich gab es daran genau so wenig zu deuteln, wie an der Faktenlage.

Es ist erlaubt, gegen Abtreibungen und für mehr Lebensschutz zu demonstrieren. Abtreibung ist auch in Deutschland verboten, wird lediglich nur nicht strafrechtlich verfolgt.

Es ist erlaubt, mit Blick auf die NS-Zeit über die Gedenkkultur zu diskutieren, wie das etwa rund um den Bau des Holocaust-Mahnmals in Berlin jahrelang geschah. Es ist der Ton, den Höcke & Co dabei anschlagen, der gar nicht geht. Wie mit deutscher Schuld umgegangen wird, ist ein Thema und sollte es auch immer wieder sein. Bellende Hinterzimmer-Reden braucht dazu allerdings niemand.

Multikulti ist kein Naturgesetz

Es ist erlaubt, die Interessen der eigenen Nation zuerst in den Blick zu nehmen. Jeder Staat ist der Interessenvertreter SEINER Bürger. Das kann auch bedeuten, Souveränität abzugeben, aber ein Streit darüber ist völlig legitim und nicht per se schlimmer Nationalismus.

Es ist erlaubt, Gender-Sprech- und –Studien abwegig zu finden, gegen Unisex-Toiletten und sogar gegen die „Ehe für alle“ zu sein. Die Kanzlerin selbst hat gegen die Öffnung der Ehe gestimmt, die sie selbst ermöglichte.

Es ist erlaubt, den Euro als kränkelndes Konstrukt zu sehen, der gerade seinen Kernzweck, das Zusammenwachsen der Völker Europas, NICHT erfüllt, sondern zu Neid, Missgunst und Spaltung zwischen den Ländern beiträgt. Und natürlich darf auch über die Verfasstheit Europas gestritten werden, so, wie es die Briten getan und entschieden haben. Politik ist keine Einbahnstraße und schon gar nicht alternativlos.

Es ist erlaubt, keine „bunte“ Gesellschaft anzustreben. Multikultur ist kein Naturgesetz, sondern gesellschaftlicher Wille. Oder eben nicht. Wenn Ungarn, Slowaken, Polen oder beispielsweise Japan sich anders entscheiden, ist das genauso legitim wie hierzulande. Am Ende entscheidet die Mehrheit.

Kurz: Es ist erlaubt, rechts zu sein, solange man sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt und die rechtsstaatlich-demokratische Ordnung nicht aggressiv-kämpferisch bedroht. Die „Vielfalt“ (Diversity), die viele vor sich hertragen, ist verlogen, wenn sie nur die eigene Weltsicht umfasst. Wer Inklusion predigt, darf auch ihre Gegner nicht ausschließen.

Mit dem Einzug der AfD in den Bundestag wird vor allem eines deutlich: Die Einbettung des rechten Spektrums im „bürgerlichen Lager“ tat der politischen Kultur dieses Landes weitaus besser, als die schulterzuckende Ausgliederung in ein Sammelbecken freier Radikaler.  Wer die Ränder rechts wie links nicht im eigenen Lager hält, muss damit leben, dass die Ausgestoßenen alle Tabus herunterreißen.

Und: Enttäuschte Stammwähler, die man einmal verloren hat, kehren selten zurück und werden ihre neue Freiheit auch in Zukunft genießen...

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Dietmar Schmidt / 02.10.2017

Hallo Herr Schuler, schon richtig was Sie schreiben, aber ich bin z.B. nicht nationalistisch aber trotzdem gegen eine ungesteuerte Einwanderungspolitik, das Gender- und Schwulenthema ist für mich max. nice to have und Migranten die sich nicht gesetzestreu verhalten sind auszuweisen. So denken viele und es werden immer mehr und wenn unsere Mainstreampolitiker nicht aufpassen werden sich immer mehr Wähler abwenden. So einfach ist das. Gruß Dietmar

Christiane Werner / 02.10.2017

Bezeichnend, dass heruntergebetet werden muss, dass es “erlaubt” ist, eine eigene konservative Meinung zu haben und zu vertreten! Das ist es ja, wo wir gelandet sind! Da frage ich mich: wer betreibt die Spaltung des Landes? Die Political Correctness ist Gedanken- und Meinungspolizei - die Kontrolle Andersdenkender, indem Rufmord begangen und Ausgrenzung betrieben wird. Bereits in Facebook werden Äußerungen selektiert! Das ist 1984 pur ! Das ist die Gedankenpolizei! Konservative und ihre Positionen sind Freiwild und zum Abschuss freigegeben für Grüne, Rote und die Merkel-CDU. Da muss selbst Sarah Wagenknecht von rechts überholen, wenn sie links sein will!!!!!

Edgar Timm / 02.10.2017

Kurzum: Lieber geRECHT sein als geLINKT werden ;-)

Marie-Jeanne Decourroux / 02.10.2017

Aber der Selbstgefälligkeit der Linken hat der Rechte nichts entgegen zu setzen: »Der Linke sieht sich in einer Reihe untadeliger Vorfahren. Er ist ein Mensch von Kultur und voller Mitgefühl. Er ist überzeugt, einer intellektuellen und moralischen Elite anzugehören. Der linke Mensch liebt den Menschen, für den er die beste aller möglichen Welt erschaffen will. Und deshalb liebt er sich selbst: Er liebt sich als den Menschen, der die Menschheit liebt. Diese Selbstliebe, die den Linken in sich liebt, ist sein viertes Merkmal.« aus:  »Zehn Kriterien der Linken« von Jean-François Chemai

Oliver Hoch / 02.10.2017

Bei der Frage pro oder contra AfD geht es im Grunde nicht um “Rechts” oder “Links”. In früheren Jahren waren meine Freunde und ich entweder von den Positionen der SPD, der CDU oder der Grünen am meisten überzeugt. Wir hatten unterschiedliche Ansichten (links und rechts), aber ein gemeinsames rechtsstaatliches Fundament. Das hat sich geändert. Union, SPD, B90/G und Linke haben sich vom Rechtsstaat verabschiedet. Wir sind ihnen nicht gefolgt, und wir werden das auch zukünftig nicht. Zumindest derzeit ist die AfD die einzige Partei, welche sich eindeutig zu den im Grundgesetz formulierten Werten bekennt. Dabei ist irrelevant, ob einzelne Vertreter eher rechts oder links einzuordnen sind. Wir stehen zum Rechtsstaat.

Adelheid Pöpping / 02.10.2017

Endlich mal ein Artikel, der sachlich formuliert wurde!

Helmut Driesel / 02.10.2017

Man kann über Herrn Höcke denken, was man will, aber mit dem Satz über die Leistungsschau der deutschen Beton-Industrie in Berlin hat er ein Stück deutsche Realität im beginnenden 21 Jahrhundert benannt, nicht mehr und nicht weniger. Die Tatsache, dass die Diskussionen in den verschiedenen Berliner Tageszeitungen während der Planungs- und Bauphase viel kritischer und ungeschminkter waren, zeigt doch, wie sehr der Grad an Realitätsverweigerung in bestimmten, nicht nur linken Kreisen inzwischen zugenommen hat. Warum nur? Sehen die Verantwortlichen ihre Felle davon schwimmen?

Karin Adler / 01.10.2017

Sicher steht es Deutschland frei, “Rechts” wieder zu lernen und auch Frau Merkel kann versuchen, Wählerstimmen aus diesem Spektrum für sich zu gewinnen. Vielleicht geht es aber gar nicht darum. Ein - leider nur sehr kleiner - Teil der Wähler möchte nicht, dass gravierende Entscheidungen nach einem herrschenden Zeitgeist oder quasi aus dem Bauch heraus getroffen werden. Die Struktur unseres Staates und unserer Gesetzgebung mit z.B. einer erforderlichen 2/3 Mehrheit zur Änderung des Grundgesetzes und der Anlage des Parlamentes, der Judikative und des Bundesrates ist so angelegt, dieses möglichst nicht zuzulassen. In verschiedenen Bereichen hat diese Aufteilung der Macht aus meiner Sicht versagt. Heute loben wir Vielfalt und Buntheit, die im Bundestag, kaum vorkommt. Der allseits vorherrschende Gleichklang verhindert, dass durch diskutieren, abwägen und streiten die bestmögliche Entscheidung getroffen werden kann. Die Medien tun ihres dazu und verhindern sowohl mit der Auswahl, als auch mit einer regierungsfreundlichen Interpretation der Entscheidungen, dass der Wähler anständig informiert wird (achgut.com, tichy, etc. sind hiervon ausgenommen). Er wird auch nicht überzeugt, er wird erzogen. Meinungen in rechts und links zu sortieren, ist wenig hilfreich. Besser wäre, Meinungen zu aktzeptieren und gegebenenfalls durch Argumente zu entkräften. Dazu muss zunächst einmal eine Vielfalt und Buntheit der Meinungen zugelassen werden, ohne sie sofort in eine politische Ecke zustellen. Und dann muss darüber geredet werden, argumentiert und ja, auch gestritten. Natürlich. Und wenn dann auch die Medien die Fakten auf den Tisch legen und unterschiedliche Argumente publizieren, kann aus den vielen Puzzelteilen von Meinungen ein Bild entstehen.

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