Ralf Schuler / 15.11.2020 / 06:10 / Foto: Achgut.com / 53 / Seite ausdrucken

Ich distanziere mich schon einmal präventiv…

„Jetzt haben Sie einen neuen Verlag, einen Neuanfang. Das wäre jetzt ja die Gelegenheit, sich grundsätzlich zu den sogenannten Neuen Rechten zu positionieren“, sagt die Kollegin Mara Delius im WELT-Interview mit der Schriftstellerin Monika Maron (14. Nov. 2020) anstelle einer Frage. Ich finde das sehr richtig. Die Dinge zu ordnen, ist immer wichtig. Man kann Leben und Werk nicht einfach so dahinhudeln, ohne sich im Meinungs-GPS eine klare Ortskennzahl zu geben. 

Rechts, neurechts, alt-, mittel-, zwischen-, semi-rechts – die Öffentlichkeit hat schließlich ein Rechts darauf, die klaren Koordinaten auf der nach rechts offenen Rechtenskala zu erfahren. Wo kämen wir hin, wenn man einfach so über Bücher und Werk von Autoren spräche! Ob das heroische Männerbild, das Monika Maron in „Artur Lanz“ thematisiert, tatsächlich im Schwinden begriffen ist, ob Rollenbilder womöglich für eine Gesellschaft auch produktiv sein können oder die Natur die zwei Geschlechter womöglich im Sinne produktiver Befruchtung und Polarität hervorgebracht hat. Aber das wäre ja langweilig.

„Sag mir, wo du stehst / Und welchen Weg du gehst!“, sang dereinst in der DDR der FDJ-„Oktoberclub“. „Wir haben ein Recht darauf dich zu erkennen, / auch nickende Masken nützen uns nichts. / Ich will beim richtigen Namen dich nennen, / und darum zeig mir dein wahres Gesicht.“

Nein, nein, das ist natürlich gemein, den grassierenden Bekenntniszwang der immer rechthabenden Partei mit der Etikettierung von Autoren heute zu vergleichen. Denn dieser Zwang beinhaltet ja bereits eine Unterverdachtstellung, die allenfalls durch glaubhafte Distanzierung entkräftet werden kann. Na, wollen wir es mal glauben, Genosse. Aber die Partei vergisst nicht… Es ist zweifellos ein gravierender Unterschied, ob eine System- und Staatspartei zum öffentlichen Bekenntnis antreten lässt, oder in freiheitlicher Selbstorganisation im öffentlichen Raum unter Verdacht gestellt wird.

Ein Körnchen Wahrheit im Meinungsmüsli

Ordnung ist immer wichtig im Leben. Manche meinen sogar, in einer Hälfte des Lebens sei sie es ganz. Wir Metal-Fans zum Beispiel sortieren da penibel nach Heavy Metal, Death Metal, Melocic Death Metal, Power Metal, Thrash, Doom, Math, Prog, Industrial, Black, Ambient, Folk und Nu Metal und Metalcore. Und natürlich Mischformen. Was das im Einzelnen ist, weiß auch keiner. Ist auch wurscht. Hauptsache heavy.

Bei der Rechten, der neuen oder alten, ist das komplizierter und die Sortierung weniger arglos. Hier gibt es Vorstufen, wie etwa das für sich genommen unscheinbar daherkommende „umstritten“. Ein „umstrittener“ Autor ist so etwas wie die „Ernte 23“ unter den Publizisten. Rauchen kann tödlich sein. Vor diesem Autor muss gewarnt werden. Schockbilder auf Büchern, die Lektüre kann Spuren von Gedanken enthalten. Ein Körnchen Wahrheit im Meinungsmüsli. Obacht für Inhaber von Denkprothesen! Gegen „umstritten“ kann man sich nicht wehren, und es liegt die Frage nahe, ob es überhaupt erstrebenswert wäre, ein „unumstrittener“ Autor zu sein. Aufzuschreiben, was alle anderen auch denken, klingt zumindest wenig aufregend. Die Schriften von Nicolae Ceausescu und Enver Hodscha waren zeitweise im regionalen Kontext unumstritten, was aber hier auch nicht weiterführt…

Eine andere Form des dezenten Angezähltseins ist die „Scharnierfunktion“, wie es die Frankfurter Allgemeine unlängst über die Berliner Bibliothek des Konservatismus schrieb. Diese werde dem „Umfeld“ der Neuen Rechten zugeordnet, hieß es in einem Beitrag über den Rücktritt des sächsischen Bischofs Carsten Rentzing. Muss man mehr sagen? „Scharnier“, „Umfeld“ – weißte Bescheid, Schätzelein. Eine Art geistig-kultureller No-Go-Ärea, von der man sich besser fern hält. Man weiß zwar nichts genaues, aber man kann sich’s ja denken. Nicht auszuschließen, dass man dort auf einen trifft, der „umstritten“ ist oder dem „Umfeld“ zugeordnet wird. Oder vielleicht war früher mal einer dort oder später kommt einer, der mit einem gesehen wurde, der auch schon an einer Anthologie mitgewirkt hat, die über einen Verlag vertrieben wurde.

„Soll ich mich von mir selbst distanzieren?“

Ich war eigentlich ehedem recht froh, dass die Zeit vorbei war, als Akten angelegt wurden, wenn man mit wem gesehen wurde. Der Feind schläft nicht. Kontrolle ist besser. „Was soll ich sagen?“, sagt Monika Maron in dem WELT-Interview. „Seit zwei Jahren steht über mich in der Zeitung, ich sei neurechts oder rechts oder von irgendwelchem neurechten Gedankengut infiltriert. Soll ich mich von mir selbst distanzieren? Ich habe weder mit nationalistischen oder rassistischen noch sonst wie verdächtigen Positionen das Geringste zu tun und habe darum auch keinen Grund, mich in dieser Sache zu erklären. Ich distanziere mich ja auch nicht öffentlich von Mord und Totschlag oder sonstigen Gewaltverbrechen, obwohl ich das natürlich furchtbar finde, aber eben nichts damit zu tun habe. Erklären müssen sich die Leute, die bedenkenlos andere zu politischen Verdachtspersonen erklären, weil die etwas anderes denken als sie selbst.“

Um irgendeine politische Auffassung oder literarische Meinung von Monika Maron geht es in dem ganzseitigen Zeitungsinterview übrigens nicht. Ich distanziere mich jedenfalls schon einmal präventiv von diesem Beitrag und seinem Umfeld…

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Karola Sunck / 16.11.2020

Ich glaube die Mehrheitsgesellschaft der Menschen in diesem Lande ist einfach krank und sie waren es schon immer. Die Therapie der Amerikaner für diese Nation nach und seit 1945 war nur oberflächig und hat nichts gebracht. In den Tiefen seiner Seele ist der Deutsche, deutsch geblieben. Und das bedeutet zwei Seiten: Die Erste und weit verbreitete, ist die des Untertanen. Die Zweite, ist die des Herrschenden über den Untertanen. So fühlen sich die Deutschen wohl. Herrschen und beherrscht zu werden. Dazwischen gibt es nichts. Die Zeit der gewissen Freiheit zwischen dem Untergang des III. Reiches und der neuen Machtergreifung der Öko- Sozialisten wurde nicht genutzt um ein verändertes freies und inneres gesundes Denken zu gewährleisten und zu verfestigen. Man hofft nun stark, gesund zu bleiben und dem bösen Virus zu entgehen und merkt gar nicht wie psychisch krank man in Wirklichkeit ist. Man möchte wieder beherrscht werden und folgt willig einem System der Unterdrückung und Bevormundung. Ein neuer, alter Geist der Deutschen wird wieder belebt und ein neuer Führer, dieses mal von weiblicher Natur wird in den Himmel gehoben. Was noch niemand dieser Gesellschaft begriffen hat und auch die Herrschenden nicht.  Es wird das letzte mal sein, dass Deutsche herrschen werden, wie lange es dieses mal gehen wird, kann niemand voraussagen, ein 1000 jähriges Reich wird es auf keinen Fall geben. Denn die Herrschenden haben einen großen Fehler begangen, sie haben sich starke Konkurrenz ins Haus geholt, die immer stärker wird, in Form einer starken Religion. Da sie diese noch fördern, werden sie davon hinweggefegt werden. Was bleibt, ist der ewige Untertan und die Auslöschung einer Nation, die nie gesunden konnte und wollte!

Charles Brûler / 15.11.2020

Monika Maron kenne ich. Aber wer ist Mara Delius?  Also distanziere ich mich überhaupt nicht mehr. Sollen die anderen doch machen was sie wollen.

PALLA, Manfred / 15.11.2020

Eigentlich wäre UM-Bennennug in “LINKS”-Staat angemessen - wenn doch mehr und mehr “linke Vögel” hier das Sagen haben - also zunehmend “ungediente LAU-Malocher” auf allen hochdotierten PÖSTCHEN ?!? - ist nur eine “satirische” ZwischenFrage !?!  ;-)

Arnold Warner / 15.11.2020

BILD Framing von heute: die Angehörigen der linksterroristischen Vereinigung,, die im Dannenröder Forst schlimmste Straftaten begehen, werden in einem Bericht noch immer mehrfach als “Aktivisten” bezeichnet. Wie würden die Textschmierer dieses Blattes wohl Rechte bezeichnen, die solche Taten begehen? Ganz sicher nicht “Aktivisten”! BILD trägt eine gehörige Portion Mitschuld an den heutigen Zuständen in Deutschland.

Gabriele H. Schulze / 15.11.2020

Ganz schön unverschämt und respektlos, diese Schnepfe. Aufforderung zur kommunistischen “Selbstkritik”, oder wie? “Sagen Sie jetzt nichts, Hildegard”.

Steffen Huebner / 15.11.2020

Im Mittelalter hätten man ihr die Daumenschrauben angesetzt, heute dafür hochnotpeinliches Verhör durch die Lückenpresse. Gestehe es endlich!

Christoph Kaiser / 15.11.2020

Kann man dieser “aufmüpfigen” Monika Maron nicht irgendeine “Kontakt-Schuld” andichten, das geht doch viel schneller als solche lästigen Interviews. x-))

Rainer Nicolaisen / 15.11.2020

“Lächerlichkeit tötet”—Versuchen wir uns, wie Sie in Ihrem Beitrag, im Lächerlichmachen!

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