Stefan Frank / 27.03.2020 / 16:00 / 1 / Seite ausdrucken

Aliyah in Zeiten von Corona

163 olim – so der hebräische Begriff für Einwanderer– kamen in der ersten Hälfte des Monats März nach Israel. Das meldet die israelische Tageszeitung Jerusalem Post unter Berufung auf die Jewish Agency. Diese 1929 gegründete halbstaatliche Agentur hilft Juden aus aller Welt, die nach dem israelischen Rückkehrgesetz Anspruch auf die israelische Staatsbürgerschaft haben, bei der Durchführung der Aliyah.

Derzeit läuft diese etwas anders ab als in normalen Zeiten. Jeder Neuankömmling muss sich umgehend für 14 Tage in Quarantäne begeben und schon vor seiner Einreise nach Israel angeben, unter welcher Adresse er die Selbstisolation antreten wird. Juden, die keine Adresse nennen können oder nicht in Quarantäne möchten, können – und müssen – ihre Aliyah auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.

„Es ist hart, in Quarantäne zu sein“, zitiert die Jerusalem Post den 61-jährigen Neuisraeli Rabbi David Bassous. „Ich darf nicht auf die Straße, ich kann keinen Spaziergang machen. Aber ich glaube, dass Israel derzeit der sicherste Ort ist.“ Die Aliyah sei für ihn ein lebenslanger Traum gewesen, sagte Bassous der Zeitung. Früher war er Rabbi der Gemeinde Etz Ahaim Sephardic in Highland Park, New Jersey. Nach seiner Pensionierung war für ihn der richtige Zeitpunkt zur Aliyah gekommen. Er zog die Übersiedlung sogar ein paar Tage vor, sagt er, weil er befürchtete, dass es bald vielleicht keine Flüge nach Israel mehr geben wird.

Ausweichen auf das Internet

Und noch etwas ist anders als sonst. Am 15. März wollte die Organisation Nefesh B’Nefesh, die sich um Juden kümmert, die aus Nordamerika und Großbritannien nach Israel auswandern wollen, in New Jersey eine große Informationsmesse für 1.500 an der Aliyah interessierte Juden aus den Vereinigten Staaten abhalten. Wegen der Epidemie musste die Veranstaltung ins Internet verlegt werden.

Statt der angestrebten Teilnehmerzahl hätten sich dann aber sogar 2.500 Personen in live übertragenen Online-Vorträgen „zu einer Vielzahl von Aliyah-Themen informiert“, schreibt die Atlanta Jewish Times (AJT).

„Angesichts dieser komplexen Situation und der Absage unserer jährlichen Mega-Aliyah-Veranstaltung haben wir unseren Ansatz neu ausgerichtet und beschlossen, die besten verfügbaren technologischen und digitalen Tools zu verwenden, um potenziellen Olim alle erforderlichen Informationen in Echtzeit zur Verfügung zu stellen“, sagte Rabbi Yehoshua Fass, Mitbegründer und Geschäftsführer von Nefesh B’Nefesh, der AJT.

„Wir setzen unsere Unterstützung für Olim in jeder Situation fort, um ihren zionistischen Traum vom Leben in Israel zu verwirklichen.“ Zu den Themen der Onlinevorträge gehörten etwa das israelische Steuerrecht, Beschäftigungsmöglichkeiten in Israel, der Kauf und das Mieten von Wohnungen oder das israelische Bildungs- und das Gesundheitssystem.

Aliyah geht weiter

„Die Aliyah geht weiter“, sagte Yael Katsman, Vizepräsidentin und Pressesprecherin von Nefesh B’Nefesh, der Jerusalem Post. „Wir hatten zwei Olim, die am Mittwoch ankamen, die ersten, die gezwungen waren, in Quarantäne zu gehen. Wir arbeiten sehr eng mit der Jewish Agency und dem Aufnahmeministerium zusammen “, so Katsman. „Es gibt eine Gruppe von 24 Olim, die am Donnerstag eintreffen und aus der Ferne abgefertigt werden sollen, was eine Premiere ist.“

Die Neuankömmlinge seien angewiesen, vor der Ankunft am Flughafen Ben-Gurion so viele Informationen wie möglich bereitzustellen. Anstatt nach der Landung die Einwanderungsbehörde des Flughafens anzusteuern, geben sie einfach ihre Pässe und andere relevante Dokumente ab und erhalten ihre Unterlagen in einem beschleunigten Verfahren zurück.

Die Gruppe bestehe aus Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und Alter, so Katsman: Familien, Rentner und Singles. Nur einige wenige ältere Menschen, die ursprünglich eine Übersiedlung geplant hatten, hätten beschlossen, ihre Aliyah zu verschieben.

In der Quarantäne steht den Neuankömmlingen eine Hotline in verschiedenen Sprachen zur Verfügung. „Wir planen, Telefonnummern für alle unsere Olim bereitzustellen, damit diese Informationen und Hilfe erhalten können.“ Das Büro der Organisation wechsle gerade in einen „Online-Modus“, erklärt sie. Die Angestellten arbeiten nun von zu Hause aus. „Wir arbeiten virtuell so gut wir können, wir sind darauf eingestellt.“

Rückgang nicht in Sicht

Bis zum Passahfest würden etwa 60 oder 70 Olim erwartet. Noch könne man nicht sagen, ob es 2020 einen Rückgang der israelischen Neubürger geben werde. „Das Jahr hat gerade erst begonnen. Ein sehr positiver Indikator ist derzeit, dass Menschen, die geplant hatten zu kommen, weiterhin kommen, ungeachtet der neuen Realität.“

Auch die Jewish Agency hat einen speziellen „Lageraum“ eingerichtet, um im Notfall rund um die Uhr neue Einwanderer und jüdische Gemeinden auf der ganzen Welt zu unterstützen. Isaac Herzog, Vorsitzender der Jewish Agency, sagte der israelischen Tageszeitung Israel Hayom: „Wir werden Maßnahmen ergreifen, um die jüdischen Gemeinden auf der ganzen Welt zu unterstützen und technologische Mittel und spezielle Programme implementieren, um unsere laufenden Aktivitäten in Regionen fortzusetzen, in denen es nicht möglich ist, vor Ort zu arbeiten.“

Jetzt sei die Zeit für gegenseitige Verantwortung und gesellschaftliche Solidarität in Israel, im jüdischen Volk und auf der ganzen Welt, so Herzog.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

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Leserpost

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Wilfried Cremer / 27.03.2020

Die Briten sollten ihre zyprischen Gebiete an Israel verschenken. Wer Helgoland an Deutschland abgibt, darf doch, was das Heilige Land betrifft, kein Frosch sein.

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