Peter Grimm / 20.06.2022 / 10:00 / Foto: Sandro Halank / 104 / Seite ausdrucken

AfD-Parteitag mit Notbremse

Das vorzeitige Ende des AfD-Pateitags in Riesa wird als chaotisch beschrieben, doch es war eine Notbremse, mit der Höckes Durchmarsch ins Stocken geriet.

Die meisten Medien-Berichterstatter des am Sonntag vorzeitig beendeten AfD-Bundesparteitages in Riesa sprachen und schrieben zunächst nur von Erfolgen des Strippenziehers im Hintergrund, dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke. Höcke, der AfD-Rechtsaußenmann, der gelegentlich gern mit rechtsradikalem Vokabular provoziert, kokettiert und damit die gewünschte Aufmerksamkeit erreicht, wird von AfD-Gegnern seit jeher gern zum eigentlichen Gesicht der Partei erklärt. Auf ihn lässt sich das projizieren, was all jene von einer Stimmabgabe für die AfD zurückschrecken lässt, die sich zwar gegen einen ideologischen Einheitskurs aller in Bund und Ländern regierenden Parteien in zentralen Politikfeldern wenden würden, aber gleichzeitig nicht für eine rechte Gegenideologie stimmen wollen.

Diejenigen, die – egal ob sie grundsätzlich eher konservativ, liberal oder sozialdemokratisch geprägt sind – vor allem gern all das Ideologische, das Bevormundende und die Beleidigungen des gesunden Menschenverstandes in der etablierten Politik abwählen würden, suchen keine Gegenideologie, sondern unideologische Politiker. Und Höcke tritt – egal mit welchen kämpferischen Adjektiven von Freund und Feind stets bedacht – als Ideologe auf. Das befeuert zwar eine ideologieaffine Anhängerschaft, dem Thüringer AfD-Chef trotz seiner nicht gerade überwältigenden rhetorischen Fähigkeiten zu folgen. Doch außerhalb der Anhängerschaft verhindert es, dass sich unideologische Bürger der Partei annähern.

Unabhängig davon, dass es in das Meinungsbild der meisten Medienvertreter passen dürfte, Höcke als eigentlichen Führer der AfD zu sehen, hatte er tatsächlich offenbar große Erfolge beim Riesaer Parteitag. Er setzte sich durch mit der Satzungsänderung, die auch die Wahl eines einzigen Vorsitzenden ermöglicht, auch wenn er die Option dann für diesen Parteitag gar nicht nutzte. Die Zusammensetzung des Vorstands soll seinem Geschmack entsprechen. Dass sie ihm in jedem Fall mehr zusagen dürfte als der bisherige, ist in der Tat unzweifelhaft. Doch stimmt das Bild vom Höcke-Durchmarsch in Gänze? Immerhin hat sich vor allem wieder einmal gezeigt, wie zerrissen die Partei ist.

Wenn man im wiedergewählten Vorsitzenden Tino Chrupalla einen Höcke-Mann sieht, dann ist ein Wahlergebnis von 53 Prozent weit von einem Durchmarsch entfernt. Co-Vorsitzende Alice Weidel hat mit 67 Prozent ein deutlich besseres Ergebnis erzielt, und sie kann man wohl kaum zur Höcke-Gefolgschaft zählen. Sie ist viel zu sehr Alpha-Frau, als dass man sie überhaupt irgendeiner Gefolgschaft zuordnen mag und Höcke außerdem in Auftritt und Rhetorik deutlich überlegen. Das schützt zwar nicht davor, am Ende vielleicht Intrigen zu erliegen, aber aktuell dürfte ihr politisches Gewicht durch diesen Parteitag trotz dessen Ende gewachsen sein.

Noch kein Sieg

Das chaotische Ende des Parteitags am Sonntagnachmittag war zwar auch eine erste Schlappe des neuen Vorsitzenden-Duos, aber es war auch für Höcke kein Sieg. Denn er ist am Ende weder mit jener Europa-Resolution durchgekommen, die letztlich zum Parteitags-Abbruch führte, noch mit anderen Richtungspapieren, die anschließend noch verhandelt werden sollten.

Der von Höcke unterstützte Resolutionsentwurf „Europa neu denken“ habe sich unter anderem für eine „einvernehmliche Auflösung der EU“ ausgesprochen, die als „fehlgeleitetes und dysfunktionales politisches Gebilde“ bezeichnet worden sei, heißt es in Medienberichten. Die neue Co-Vorsitzende Alice Weidel hat, so wird berichtet, in ihrer Intervention erklärt, dass die Intervention zwar insgesamt in die richtige Richtung gehe, aber sprachlich „nicht sonderlich gelungen“ sei. Der Text enthalte „sehr unspezifische Sätze, die sehr wulstig klingen“, wird sie zitiert. Der Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz habe kritisiert, dass in dem Text „nicht ein Mal“ das Wort Krieg vorkomme und „völlig verharmlosend“ von einem Ukraine-Konflikt gesprochen werde.

Höckes Gefolgsmänner hätten sich wiederum vehement für eine Verabschiedung eingesetzt. Der AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider aus Sachsen-Anhalt habe beispielsweise erklärt, der Antrag enthalte „genau die Begriffe und die Orientierungen, die wir als Botschaft nach außen schicken müssen. Der Gegensatz zwischen Globalisten und Nationalstaaten – das ist der Weltkampf, in dem wir stehen, und das wird hier klar und deutlich benannt“.

Doch vielen Delegierten als auch den Vorsitzenden stand der Sinn offenbar nicht nach „Weltkampf“. Vorsitzender Tino Chrupalla wollte den großen Streit nicht eskalieren lassen und versuchte es den Berichten zufolge mit einem Antrag, die Resolution in den neuen Bundesvorstand zu überweisen, der sie binnen zwei Wochen mit dem zuständigen Fachausschuss und Europaabgeordneten überarbeiten sollte. Begründet habe er seinen Vorstoß damit, dass der Parteitag nicht zu einer einvernehmlichen Haltung komme und ein knappes Abstimmungsergebnis bei einem solch wichtigen Thema nicht gut aussehe. Ironischerweise scheiterte Chrupallas Antrag mit einem knappen Abstimmungsergebnis: 210 zu 208 Stimmen.

Erst als es Chrupalla später gemeinsam mit sechs Landeschefs noch einmal versuchte und darum bat, die Resolution an den Bundesvorstand zu überweisen, hatte er Erfolg und bekam 56 Prozent der Stimmen. Anschließend zog ein Delegierter die Notbremse und beantragte erfolgreich, den Parteitag  sofort zu beenden. Damit konnten die Debatten und Abstimmungen über zwei weitere Höcke-Projekte verhindert werden. Ein Resolutionsentwurf gegen Waffenlieferungen hätte sich auch gegen einen Beitritt der Ukraine in die NATO ausgesprochen sowie für die Aufhebung der Russland-Sanktionen und der Blockade von Nord Stream 2.

Innerparteilich brisant wäre Höckes Vorschlag gewesen, eine maximal elfköpfige „Kommission zur Vorbereitung einer Parteistrukturreform" zu installieren.

Höckes Durchmarsch, von dem viel gesprochen wurde, ist so vielleicht gebremst worden. Doch kaum übersehbar ist, dass er in der Tat begonnen hat. Die liberaleren Kräfte in der AfD haben auf diesem Parteitag etliche Niederlagen einstecken müssen – bei Vorstandswahlen und auch bei manch inhaltlichen Beschlüssen. Wenn sich deren Reihen deshalb weiter lichten, dann wird dieser Durchmarsch umso schneller weitergehen.

Foto: Sandro Halank CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Klaus Meyer / 20.06.2022

Ich habe den Parteitag der AfD nicht verfolgt. Aber nach dem, was ich hier lese, scheine ich (wie Herr Höcke) auch ein “rechter Gegenideologe” zu sein: Ich bin für eine einvernehmliche Auflösung der EU, gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine, für die Aufhebung der Rußlandsanktionen und für die Inbetriebnahme von North Stream 2. - Wobei ich denke, daß das ganz normale Ansichten zu (teilweise existenziell) wichtigen Sachthemen sind. Wo hier die “rechte Gegenideologie” zu suchen ist, bleibt das Geheimnis des Autors.

Hans Meier / 20.06.2022

Was die Alternative für Deutschland, als politische Partei, betrifft, streiten sich nach meinem Empfinden „alle die nach Haaren in der Suppe mit dicken Lupen suchen“, um den etablierten Parteien, einen „Hofkniggs darzubieten“, damit sie von „den Staatsmedien und den Merkelmedien“ nicht angegriffen werden. Genau das ist „der Punkt für mich, mit offenem Visier den Punch zu suchen un zu setzen“, um den mir von „Arschgeigen mit ihren Demutslappen und ihren sadistischen Booster-Tunings aufzuzwingen versuchen“ zu stoppen. Denn außer den „Offiziellen der AfD hat kein einziger Parlaments-Pavian sich energisch für die Gesundheit“ eingesetzt, als alle „Isolier- und Spritz-Tollwut-Politik angeordnet haben“ als sei der Teufel der Pharma-Milliardäre mit der Mafia zur staatliche Fussion übereingekommen. Mir bleibt seit Jahren, nur die Option 2 x bei AfD ankreuzen, und die „fiesen Fissematenten über mehr oder weniger Nationalverschiss“ oder Islamprosa zu ignorieren. Was für mich zählt, alle AfD-Politiker waren mal in einem Beruf erfolgreich tätig, und sind keine „Studienabbrecher, Drogenkonsumenten oder hinterhältige Lobbyisten, die direkt für die US-Finanzelite, Gesetze zuschneiden, damit die Bevölkerung entrechtet, enteignet, bedroht und entmündigt wird. Es gibt nur noch eine echte Opposition!

Rainer Niersberger / 20.06.2022

Als zugebenermassen nicht tiefer, vor allem nicht einschlaegig Informierten, was gerade hier wichtig waere, was den Parteitag betrifft, erschließen sich mir manche Pseudowidersprueche oder Konflikte nur bedingt. Als Anhaenger des Nationalgedankens und Ablehner jedes Imperialismus’, egal ob von West oder Ost,  kann ich sowohl (oder erst Recht) fuer die bedingungslose Selbstverteidigung der Ukraine (oder jeder anderen Nation) und gegen den putin’schen Imperialismus sein und zugleich auch gegen das, was sehr euphemistisch und aeusserst unpräzise als Globalismus verherrlicht wird, wissend, das es auch beim Globalismus nicht um gelebte Philanthropie geht, sondern um Machtinteressen, nicht zuletzt auch denen der USA (und China). Globalismus (Vorsicht: Ideologie) ist aehnlich dem niedriger haengendem Euro ein reines Elitenprojekt. Es dient, realistisch betrachtet, (erfolgreich) den Interessen des Grosskapitals, der Multis und der Betreiber einer macht basierten basierten One World - Ideologie von internationalen Orgas, NGOs und ihren Zoeglingen. “Verkauft” wird es natuerlich anders. Eine Renationalisierung ist in jeder Hinsicht existentiell alternativlos, es sei denn, man teilt, warum auch immer, die transformatorischen, totalitaeren Ziele hinter dieser Ideologie, denn demokratisch ist das nicht, was da herauskommen soll. Sie schliesst uebrigens bi - oder multilaterale Beziehungen und Verträge aller Art zum hoffentlich gegenseitigen Vorteil der Buerger! aller beteiligter Laender ausdrücklich ein.  Im uebrigen halte ich ein politisches Angebot, das nicht auf irgendeiner Ideologie beruht oder mit dieser arbeitet, zumindest aktuell fuer chancenlos, was ich selbst durchaus bedauere. Mit Vernunft, Nüchternheit Ratio und Realismus gibt es bei den Massen grundsaetzlich und ihrer aktuellen Verfasstheit oder psych. Beduerfnisstruktur sowieso nichts zu gewinnen. Ohne massive Aktivierung des limbischen Systems sind max 10 % der Gesellschaft moeglich, ob uns das gefällt oder nicht

Florian Bode / 20.06.2022

Seit gestern frage ich mich, ob Höcke ein V-Man ist?

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