Peter Grimm / 17.11.2020 / 10:34 / Foto: Pixabay / 130 / Seite ausdrucken

Advent in der Corona-Doppelzelle

Gestern gab es wieder eine dieser immer bizarrer wirkenden Aufführungen des Stückes „Eine Kanzlerin macht mit 16 Ministerpräsidenten Corona-Politik“. Wie gewohnt wurde am Vorabend der erlesenen Runde das Papier mit den Wunsch-Beschlüssen des Kanzleramts in die Öffentlichkeit lanciert. Danach konnte sich das Publikum einige Stunden lang mit Nachrichten unterhalten lassen, inwieweit die Ministerpräsidenten den strengen Kanzlerinnen-Wünschen Widerstand leisten. Am Ende hieß es, dass nun doch erst in der nächsten Woche entschieden werde – dann aber richtig. So war es auch vor dem Lockdown-Beschluss dieser Corona-Tafelrunde. In der Sitzung zuvor hatten sich einige Ministerpräsidenten strengeren Regeln für ganz Deutschland noch verweigert, um dann noch strengeren Regeln beim nächsten Treffen einhellig und widerstandslos zuzustimmen.

Jetzt also gibt es die strengen Regeln zunächst als Appell und – mit Ankündigung – ab der nächsten Woche für die störrischen Teile der Bevölkerung als vollstreckbare Vorschrift. Also wird es dann weniger Unterricht an Schulen geben, jeder Verschnupfte hat sich aus dem gesellschaftlichen Leben auszusortieren, in öffentlich zugänglichen Räumen soll man sich nur nötigenfalls aufhalten, nicht reisen, möglichst keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen und überhaupt jeden Kontakt meiden. Das ist Lockdown ohne „Light“. Den Bürgern wird mit unterkühlter Miene de facto mitgeteilt, dass man sie vor zwei Wochen offenbar mit dem Versprechen des „leichten“ Lockdown für einen Monat, um dann in einer besinnlichen Weihnachtszeit entspannen zu können, einfach nur mit freundlichen Worten ruhigstellen wollte.

Was mit dieser Gesellschaft geschieht, mutet immer stärker wie ein Experiment überambitionierter Sozial-Ingenieure an, denn als Versuch, eine Krankheit zu bekämpfen. Alle Corona-Maßnahmen folgen dem Modell, dass die Bürger ihr Leben an den Grenzen medizinischer und bürokratischer Möglichkeiten im Staate auszurichten haben – auch um den Preis der Aufhebung und Beschneidung wichtiger Bürgerrechte. Es scheint beinahe vergessen, dass es in den freiheitlich-demokratischen Gesellschaften des Westens eigentlich die Aufgabe des Staates ist, sich um eine Infrastruktur zu kümmern, in der die Bürger unter Wahrung ihrer Rechte frei leben können. Doch die meisten Bürger scheinen den Paradigmen-Wechsel geschluckt zu haben, dass sie ihr Leben nach dem Staatsapparat auszurichten haben und nicht dieser nach den Maßgaben der Bürger arbeiten muss.

Kontakt nur in Haushalts-Doppelzellen

Die jetzt als Appell verkündeten und für nächste Woche angekündigten Maßnahmen legen nicht nur das Land lahm, weil jeder Gang in ein Geschäft auf Notwendigkeit geprüft werden soll und jeder Verschnupfte im Herbst zu Hause zu bleiben hat. Das wirklich einschneidendste Sozialexperiment ist der Versuch der Aufspaltung einer Gesellschaft in viele kleine Doppelzellen. Denn nach den Vorstellungen der Bundeskanzlerin sollen die Menschen in einem Haushalt nur noch mit Menschen aus genau einem anderen Haushalt zusammenkommen dürfen, den man auch nicht wechseln sollte. Auch Kinder sollen nur noch einen Freund treffen dürfen, ebenfalls ohne ihn oder sie zu wechseln. Unklar blieb noch, ob sich Kinder und Eltern ihre Kontaktpartner aus unterschiedlichen Haushalten suchen dürfen.

Folgt man dieser Logik, dass jeder Haushalt nur genau einen Haushalt für Besuche und persönliche Gespräche hat, dann spaltet sich die Gesellschaft theoretisch im Corona-Ausnahmezustand in viele Doppelhaushalte oder besser Haushalts-Doppelzellen. Vernetzungen, Vielfalt, Austausch über soziale Grenzen hinweg – das alles darf es demnach allenfalls virtuell geben. Einst wurde die ungünstige Wirkung von sogenannten Filterblasen beklagt. Infrage gestellt wurden die vor allem dann, wenn man auch mit anderen Lebenswirklichkeiten in Berührung kam. Dies soll nun unterbunden werden. Statt der Filterblase gibt’s jetzt die Doppelzelle im eigenen Hausstand.

Nun kann man sich mit der alten Volksweisheit beruhigen, wonach nichts so heiß gegessen werde, wie es gekocht wurde und dass das ja auch gar nicht so genau kontrolliert werden könne. Ein neuer Maßstab ist dennoch gesetzt. Und wenn es sich etabliert, dass eine Regierung über Wochen und Monate die sozialen Kontakte der Bürger nach Gutdünken reglementieren und steuern darf, dann wird der Demokratie ihr Nährboden entzogen. Nicht nur, weil so natürlich die Möglichkeiten der Willensbildung eingeschränkt und viele Menschen dadurch manipulationsanfälliger werden. Wo sich Menschen nicht begegnen dürfen, können Sie auch nicht politisch aktiv werden, beispielsweise auch nicht, um ihr passives Wahlrecht wahrzunehmen. Zumindest diejenigen nicht, die den gegenwärtig in den Parlamenten sitzenden Parteien nicht angehören.

Weder können Sie unter solchen Bedingungen eine politische Vereinigung oder Partei rechtssicher gründen, noch können kleine Parteien ohne gravierende Probleme die Unterstützer-Unterschriften bekommen, die sie zu einer Wahlzulassung brauchen. Die politische Landschaft wird quasi eingefroren. Und es ist eine politische Landschaft, in der ein immer größerer Teil der Bürger seine politische Heimat verloren hat beziehungsweise verliert.

Das geschieht einige Wochen vor Beginn eines Wahljahres. Zugleich droht morgen das traurige Schauspiel, dass wahrscheinlich eine Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages in treuer Fraktionsdisziplin einer weitgehenden Entmachtung des Parlaments und einer Ermächtigung der Exekutive im Zeichen der Corona-Krise zustimmt. Keine gute Woche für eine demokratische Gesellschaft.

Foto: Pixabay

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T. Schneegaß / 17.11.2020

@HaJo Wolf: Herr Wolf, ich kenne selbstverständlich Ihre Nachbarn nicht und möchte auch keinem Menschen etwas unterstellen. Aber eine persönliche Erfahrung kann ich Ihnen zur Kenntnis bringen. Der “Freund” von mir, der jahrelang am lautesten meine und der anderen Freunde Meinungen geteilt hat und selbst noch extremere geäußert hat, hat ca. 60% aller Berichte in meiner Stasi-Akte verfasst. Solche Charaktere feiern gerade wieder eine ungeahnte Auferstehung und “gesellschaftliche Anerkennung”. Trotzdem eine schöne Party, bei uns ist morgen Feiertag, schönes Wetter und ebenfalls Glühweinparty angesagt.

Johannes Schuster / 17.11.2020

Naja, die Deutschen frieren sich auch auf Befehl den Arsch in den Weiten Rußlands ab, oder opfern dem totalen Krieg auch gerne mal das ganze kulturelle Bauinventar ihrer Städte. Bei dem Gehorsam und dieser Art der Gefolgschaft, kann sich das geliebte big “M” noch etwas erweitern. Die Deutschen kritisieren ihre Führer nicht, wenn es das Leben kosten kann. So gesehen hat sich das deutsche Modell gut über die Erde verbreitet. Auch das ist eine Pandemie.

Dr Stefan Lehnhoff / 17.11.2020

Ich kenne selbst niemanden, der sich an diese illegalen und irrsinnigen Anordnungen hält, aber natürlich bin ich nicht repräsentativ- und wäre stolz drauf, würde ich dem AT nicht zustimmen, dass Stolz eine Todsünde ist. Wenn - hoffentlich- in ein paar Jahren dieser verbrecherische Wahnsinn als solcher entlarvt ist, werden es mal wieder alle ja nicht gewusst haben. Ich habe Zeit meines Lebens Menschen in 2 Kategorien eingeteilt: Die, die sich ehrlich bemühen (auch mal scheitern) das richtige zu tun und den großen Test der anderen (die ich verachte). In Zukunft gibt es einen schnellen Test dafür: Hast Du 2020 Widerstand geleistet?

Burkhard Mundt / 17.11.2020

In Hessen liefert der Hessische Rundfunk in seinem Videotext Seite 156 täglich die neuesten RKI-Zahlen der 7-Tage - Incidenz, aufgeschlüsselt nach hessischen Landkreisen und Großstädten. Die täglichen Veränderungen zu den Vortagen werden jedoch nicht genannt. Ich habe mir eine kleine Tabelle erstellt. Danach hatte zB Frankfurt am Main zum 13.11.2020 eine 7-Tage-Incidenz von 290,4. Heute, am 17.11.2020, beträgt diese Frankfurter Zahl 244,7. Mithin ein Rückgang in einem sog. Hotspot um immerhin 45,7. Hessenweit ist die Gesamtzahl der Infizierten von gestern auf heute zwar um 1.024 auf 66.503 gestiegen. Zieht man davon jedoch den Anstieg der von gestern (39.500)  auf heute (40.700) Genesenen in Höhe von 1.200 ab, so ist die Zahl der Infizierten um 176 zurückgegangen. Die Wahrheit muss man halt selbst herausfinden. Ich bin gespannt, wie es morgen weitergeht. Für heute gilt: don’t panic.

Renate Bahl / 17.11.2020

@S.Miller. Leider glauben noch sehr Viele an das Coronamaehrchen, erlebe es in meinem sozialen Umfeld. Gibt nur ein paar Leute, mit denen ich darüber reden und Argumente austauschen kann. Und selbst die, die nicht an den ganzen Zirkus glauben, machen brav mit. Und wenn ich frage, ob ihnen unser GG und unsere Freiheit denn gar nichts bedeuten, kommen nur irgendwelche Ausfluechte. Es muss offensichtlich noch schlimmer werden, ist wohl die deutsche Mentalität.

Eugen Karl / 17.11.2020

Muß man sich diesen Blödsinn eigentlich gefallen lassen? Ich meine nicht. Gesetze, die dergleichen befehlen, sind auch dann verfassungswidrig, wenn sich kein Richter traut das festzustellen. Sie sollten kollektiv mißachtet werden - schon wäre der Spuk vorbei und Angela in Paraguay.

Renate Bahl / 17.11.2020

@Dr. Michael Kubina. Die Staatsratsvorsitzende wird sicher auch wissen, dass der Widerstand waechst. Ich wette, dass der nächste Schritt die Ausgangssperre sein wird, davon träumt sie sicherlich schon. Und etliche Dummmichels werden dann weiterhin denken, dass es sich um besondere Fürsorge für unsere Gesundheit handelt. Das werden die Drecksmedien auch so kommunizieren. Man kann nur hoffen, dass ganz schnell der Widerstand zunimmt und sich immer mehr Richter auf unser Grundgesetz besinnen. Aber sehr optimistisch bin ich da nicht. Möge ich mich irren!

S. Hamdy / 17.11.2020

@Paul Siemons: Es gibt Leute, die einfach deutlich bekannter sind und deutlich mehr Reichweite und Einfluss haben als ich. Ich denke, es liegt auf der Hand, wer für sowas geeigneter ist. Aber wer weiß, vielleicht mache ich den Job doch lieber selber…

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