Johannes Eisleben / 22.05.2020 / 14:00 / Foto: pixabay / 36 / Seite ausdrucken

Abstand halten zu Panik und Alarmismus!

Zu Beginn der Corona-Krise, die keine biologische, sondern eine kulturelle Krise ist, hatten fast alle große Angst vor COVID-19, kaum einer war zu Beginn des Lock-Downs dagegen. Die kollektive Stimmung war panisch-hysterisch. Nachdem wissenschaftlich klar ist, dass das Virus nicht gefährlicher ist als ein neuer Influenzastamm, hat sich nun eine Opposition gegen die Fortsetzung des Lockdowns gebildet. Sie setzt sich aus allen politischen Lagern zusammen, ist aber in Teilen so alarmistisch und erregt, wie man zu Anfang der Krise panisch war: Der Protest ist durchzogen von Verschwörungstheorien. Absurde Thesen, der chinesische Staat habe das Virus im Labor entwickelt und absichtlich freigesetzt oder die Pharmaindustrie habe ein materielles Interesse an dem Virus, machen die Runde. Linke und rechte Verschwörungstheoretiker verbreiten Panik, rufen gar zu Gewalt auf. Zwar protestieren die Demonstranten für ein berechtigtes Anliegen, nämlich für die in unserer Verfassung verbrieften Grundrechte, doch überdreht der Protest zuweilen zum Alarmismus.

Diesen Irrationalismus finden wir aber auch bei den Verfechtern des Krisenmanagements der Regierung. Höchst rational auftretende, streng wissenschaftliche Kritiker wie Sucharit Bhakdi werden als “Corona-Verharmloser” angegriffen. Christian Drosten warnte sogar vor diesem Typus von Kritik, beanspruchte ein Deutungsmonopol. Warum reagieren viele Menschen und sogar er, ein etablierter Wissenschaftler, in der Öffentlichkeit so übertrieben, emotional und irrational? Warum sind sie nicht fähig zum nüchternen und rationalen Nachdenken, warum dringen einzelne Stimmen der Vernunft nicht durch, sondern werden in den Mainstream-Medien und den Social Media gleich erstickt?

Anders als die Hongkong-Virus-Pandemie, die im Winter 1968/69 ohne jegliches öffentliches Aufsehen eine deutlich höhere Letalität mit sich brachte als Corona, trifft die Grippe heute auf eine bereits zutiefst verunsicherte und angsterfüllte Bevölkerung. Den Angst-Raum, in dem sich die Corona-Panik entfaltet, spannen zwei wesentliche Komponenten auf.

Subkutane politische Angst

Erstens geht eine subtile politische Angst um, weil das Legitimitätsmodell unseres Landes, die im nationalen Rechtsstaat gegründete repräsentative Demokratie, erodiert. Seit Beginn der 1990er Jahre, seit der Ergänzung des GG um Art. 23 (Verwirklichung eines vereinten Europas) und dem Vertrag von Maastricht, wird dieses Legitimitätsmodell untergraben und durch ein neues Herrschaftsmodell ersetzt, die Postdemokratie (Colin Crouch). Deren Modell setzt nicht mehr auf Repräsentation und Rechtsstaatlichkeit, sondern auf transnationale Verträge ohne Verfassungscharakter, die weitreichende politische Entscheidungen in Gremien – wie der EZB – ohne klassische Gewaltkontrolle ermöglichen. Dies geschieht ohne demokratische Öffentlichkeit und wird begleitet durch eine Judikative, deren Hauptfunktion die Bestätigung des demokratisch nicht legitimierten politischen Handelns ist. Bestes Beispiel ist der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Seit Beginn der rechtswidrigen Eurorettung leben wir erstmals seit 1949 wieder im fiskalpolitischen Zustand der “taxation without representation”. Seit 2015 haben wir zudem eine fundamentale Krise der Staatlichkeit, da seitdem mit der Grenzöffnung für jedermann eines der drei durch Jellinek definierten grundlegenden Elemente des Staates, die territoriale Integrität, chronisch aufgelöst wird.

Selbst wenn die Mehrheit dies nicht explizit reflektiert und im Wahlverhalten noch nicht durchgreifend darauf reagiert, spüren die Menschen intuitiv und subkutan, dass das demokratisch-nationalstaatliche Legitimitätsparadigma, welches im Laufe des 19. Jahrhunderts die Monarchie als Herrschaftsmodell abgelöst hat, ins Wanken geraten ist. Wie Guglielmo Ferrero in seinem Meisterwerk “Pouvoir” (Paris 1943) gezeigt hat, sind solche Phasen stets mit zunehmender öffentlicher Angst verbunden: Das Volk bekommt Angst vor den Amtsträgern, weil die nicht mehr verlässlich im Rahmen des überkommenen Modells handeln, und die Amtsträger bekommen Angst vor dem Volk, weil sie fürchten, es könnte ihre Usurpation des etablierten Modells erkennen und beenden, ihnen das Mehr an Macht, das die Usurpation bringt, wieder nehmen. Das ist die erste Komponente des Angst-Raums.

Todesangst der Hedonisten

Die zweite Komponente des Angst-Raums ist das radikal säkulare hedonistische Lebensmodell unserer Zeit. Das radikal zur Selbstverwirklichung drängende Ich hat den dreifaltigen Gott ersetzt, ganz wie Nietzsche es forderte. Doch für dieses Ich gibt es keine Gnade, keine Erlösung und kein Jenseits mehr, es ist auf sich gestellt und muss ganz allein mit der Notwendigkeit seines eigenen Todes zurechtkommen. Da dies die Kräfte der meisten Menschen übersteigt, wird der Tod aus der Gesellschaft eliminiert und verdrängt. Die italienischen Lastwagen voller Leichen haben uns seinen Schrecken wieder plastisch vor Augen geführt: Der säkulare Hedonismus ist die zweite Komponente des Angst-Raums, der die Corona-Panik ermöglicht hat.

Egal, wie einer politisch steht: Angstgetriebener Alarmismus, offene Emotionalität und Panikmache haben im demokratischen Diskurs nichts zu suchen. Politische Entscheidungsfindung in der Demokratie verlangt Disziplin und rationale Debatten. Dahin müssen wir schleunigst zurück, sonst scheitert unsere Staatsform. Aufklärung ist der “Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit”, doch ob das “krumme Holz” (beides Kant) das schaffen kann, haben viele Denker bezweifelt. Nun besteht wieder die Chance dazu. Ergreift sie, liebe Mitbürger!

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Leserpost

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F. Hoffmann / 22.05.2020

Angst ist ein schlechter Ratgeber, aber ein Volk in Angst lässt sich leichter manipulieren und kontrollieren. Die Mächtigen hierzulande werde davon nicht lassen, die Panikdemie zu neuen Höhen der Coronoia zu führen und gleich in ein paar Monaten eine zweite Welle auszurufen. Die Medien werden diesen schlagzeilenträchtigen Horror schon entsprechend verkaufen dürfen. Noch nie war ein kleines Virus so wertvoll.

Helmut Driesel / 22.05.2020

  Ist es denn nicht erlaubt, an der Demokratie zu zweifeln?

Sonja Bauch / 22.05.2020

Griechenlandkrise, NO-BAIL-OUT, Rettungsschirme, ESM, Klimakrise, Energiewende , Ausstieg aus Kernkraft und Kohle, Dieselkrise, Deutsche Umwelthilfe, EZB, Staatsanleihenkäufe, Flüchtlingskrise, Brexit, Covid19, Zusammenbruch der Wirtschaft….. Als BürgerIn diese Landes wird einem ganz schön schummrig vor Augen. Kaum aber sehe ich beim Corona Virus etwas Hoffnung und Ruhe einkehren, fängt Umweltministerin Schulze einen neuerlichen Kampf gegen die Landwirtschaft an. Wie soll man da jemals “alle Viere gerade sein lassen”?

Robert Schleif / 22.05.2020

Ach, herrje, Herr Eisleben, überall diese “Verschwörungstheoretiker”! Die einen haben den Aluhut auf dem Kopf - die meisten aber, in Form einer Maske, vor dem Maul. Das sind sozusagen die legitimierten Irrationalen.

Gerhard Hotz / 22.05.2020

Ja, “das radikal zur Selbstverwirklichung drängende Ich” erzeugt Angst. Je grösser das “Ich”, desto grösser die Angst. Der vernünftige Weg verläuft in die Gegenrichtung: als ein Loslassen des eigenen “Ich”, der eigenen Gier und damit der eigenen Angst, als das Aufgeben des Wunsches, sich an das “Ich” zu klammern, als ob dieses ein unzerstörbares, separates Gebilde wäre. In dem Mass wie man es schafft, das eigene “Ich” zu reduzieren, reduziert sich auch die Angst.

Rainer Niersberger / 22.05.2020

Es ist zu spaet. Zu spaet deshalb, weil weder die einen (die MachthaberInnen) von der totalen Machtusurpation oder Herrschaft lassen, jedenfalls nicht freiwillig, denn sie verfolgen bestimmte Ziele, noch die anderen, die von Angst und Orientierungs - und Haltlosigkeit besetzten Individuen des Westens bewusst und gewollt, d. h. qua Einsicht und Wille, ihr psychisches Problem selbst loesen koennen. Ob eine Verelendung (nach Crash oder schleichend) diese Grundprobleme loesen kann, wie manche glauben oder hoffen, ist mehr als zweifelhaft. Die Maechtigen (Eliten) in einer Kollusion zu ihren Gunsten und zum Nachteil der Untertanen werden wie immer und historisch belegt zu allen Mitteln greifen, ihre Macht zu sichern und totalitär auszubauen und die (physisch und psychisch) Abhaengigen hängen, wahlweise dopamin - oder angstgestuetzt, am Tropf derjenigen, die ihre vergleichsweise “einfachen”, aber wirkmaechtigen Bedürfnisse befriedigen bzw. deren Befriedigung versprechen und gewährleisten. Die Religionen haben ausgedient und abgedankt, was eingeschränkt auch fuer den Islam gilt, der die Spiritualität nur sehr partiell bedient. Die Erloesung sucht der postmoderne, innerlich haltlose Mensch, der ” letzte Mensch” nach Nietzsche bekanntlich( wo) anders. Vom “Uebermenschen"sind wir ebenso weit entfernt wie von den Vorstellungen des Aufklaerers Kant. Emanzipation i. e. S. taete gut, nicht im Sinne des Unsinns, wie er auf der Damenseite verbreitet wird. Bonoboisierung ist weder ein Mittel, noch ein Zeichen fuer Emanzipation, im Gegenteil. Aber sie hilft Merkel und Co. enorm.

Markus Kranz / 22.05.2020

Äh, die Staatsform Republik ist schon vor 2000 Jahren in Athen gescheitert, siehe Platon. Und es wäre jetzt so langsam an der Zeit, sich nach so langer Zeit endlich mal hinzusetzen und darüber nachzudenken, wie man es besser machen kann.

Frank-Michael Goldmann, Dänemark / 22.05.2020

“Verschwörungstheorien”. Auch gern genommen der “Verschwörungstheoretiker”. Allüberall. Nun hat das Totschlagargument “Nazi, Neonazi” einen würdigen Nachfolger. Der inflationäre Gebrauch - im Parlament, in den Talkshows, hier auf der Achse - bedarf eigentlich keines Kommentars, wenn man sich vergegenwärtigt, wer ihn im Munde führt oder in die Tastatur hackt. Pfiat Euch!

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