Und ewig kränkelt das Weib?

Die Kampagnen für einen Menstruationsurlaub befördern das alte Stereotyp der verletzlichen, kränkelnden Frau.

Die Biologie der Frau galt lange Zeit als Grund für ihre Verbannung aus dem öffentlichen Leben. „Monatlich sechs Tage ist das Weib siech“, schrieb zum Beispiel ein Berliner Nervenarzt im ausgehenden 19. Jahrhundert. Er begründete damit, warum Frauen kein Studium oder eine verantwortliche Arbeit aufnehmen sollten. Zitiert wird er in dem Buch „Die Antifeministen“ der bekannten Frauenrechtlerin Hedwig Dohm aus dem Jahr 1902. Eine Ausnahme war er nicht. Frauen, die menstruierten, galten als hysterisch, unsauber und jämmerlich. Das Weib, so ein weiteres Zitat im Buch von Dohm, sei nur in Intervallen eines beständigen Krankseins gesund.

Zum Glück hat unsere Gesellschaft ihr Frauenbild grundlegend verändert und sich weiterentwickelt – oder vielleicht doch nicht? In Spanien, so meldete es die Presse in der letzten Woche, könnten Frauen in Zukunft ein Recht auf einen monatlichen Menstruationsurlaub haben und in zahlreichen Kommentaren wurde dies mit viel Wohlwollen aufgenommen. „Brauchen wir Menstruationsurlaub auch in Deutschland? Unbedingt“ heißt es zum Beispiel auf der Website der Zeitschrift Emotion. Und schon im Januar 2021 veröffentlichte das Magazin der Süddeutschen Zeitung ein langes Interview mit einer Unternehmerin, die behauptete, ein solcher Urlaub sei wichtig, weil die Arbeitswelt von Männern gebaut worden sei und sich seither nie geändert habe.

Das klingt bizarr und wenn wir ehrlich sind, ist die Periode – für die große Mehrzahl der Frauen – nichts besonders Schlimmes. Darauf wies schon Hedwig Dohm in ihrer Replik auf die Antifeministen hin:

„Möglich, dass Erkrankungen aufgrund der Menstruation vorkommen. Ich kenne keinen einzigen Fall. Ich bin unter acht Schwestern aufgewachsen, bin im Besitz von vier Töchtern und habe Zeit meines Lebens fast ausschließlich mit Frauen verbracht […] Ich erinnere mich nicht, dass je eine von uns an bemerkbarer seelischer oder körperlicher Depression [während der Menstruation] litt“, schrieb sie. (1)

Das alte Stereotyp des hysterischen, ewig kranken Weibes

Die Kampagnen für einen Menstruationsurlaub befördern genau das, wogegen Feministinnen wie Dohm und andere so entschlossen gekämpft haben: Die Vorstellung, dass Frauen von ihrer Biologie bestimmt werden. Zu behaupten, Frauen könnten sich in der Arbeitswelt nicht zurechtfinden, weil sie einmal im Monat Blutungen haben, ist nur eine moderne Version des alten Stereotyps des hysterischen, ewig kranken Weibes. Und das, obwohl uns heute zudem auch zahlreiche moderne Mittel zur Verfügung stehen, die die Periode noch besser kontrollierbar machen – angefangen von Tampons und Binden bis hin zur einfachen Schmerztablette! In den seltenen Fällen, in denen Frauen unter wirklichen krankheitsbedingten Komplikationen leiden, kann die Medizin helfen (und eine normale Krankschreibung ist ohnehin möglich).

Wir könnten es also getrost als lächerlich abtun, der Periode überhaupt so viel Aufmerksamkeit zu schenken, wenn es nicht um mehr ginge: Unsere Freiheit! Schon lange gibt es die Tendenz, Frauen als schutzbedürftige und verletzliche Personen am Arbeitsplatz darzustellen. Mit der Corona-Pandemie – ihren Lockdowns und Quarantänevorschriften – dürfte sich dieser Trend noch verstärkt haben. Galt es früher als gut und wichtig, wenn sich Frauen dem öffentlichen Leben zuwandten, wollen uns manche heute wieder das Zuhausebleiben und die Konzentration aufs Körperliche als Fortschritt verkaufen. 

In vielen Artikeln wird behauptet, ein Menstruationsurlaub würde unsere Arbeit noch flexibler machen. Aber hinter diesem scheinbar gutgemeinten Vorschlag, dem Schmerz des Lebens mit mehr Flexibilität zu begegnen, verbirgt sich die sehr problematische Annahme, dass Frauen weniger geeignet sind für das öffentliche Leben als Männer – und sei es nur für ein paar Tage im Monat. Wenn wir unser öffentliches Leben zurückhaben und verteidigen wollen, sollten wir solche entwürdigenden Vorschläge zurückweisen.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Novo Argumente.

 

Weitere Quelle

(1) Hedwig Dohm: „Die Antifeministen“, Holzinger 2014, S. 27f.

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Leserpost

netiquette:

Volker Kleinophorst / 25.05.2022

Männer leben kürzer und Frauen sind häufiger krank. Geriatrie- und Pflegepatienten sind überwiegend weiblich. (Kann man überall recherchieren.) Liegt daran, dass die Jammertanten immer so unfassbar unterdrückt sind und ein Leben in Qual und Diskriminierung führen.

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