Archi W. Bechlenberg / 11.10.2020 / 10:00 / Foto: Dirk Ingo Franke / 38 / Seite ausdrucken

Post vom Amt für die Erschließung neuer Geldquellen

„Sieht nach Regen aus“, sagt Frau Herrmann, und schaut versonnen aus dem Fenster.

„Stimmt“, sagt Herr Herrmann und schaut noch versonnener in die Tasse vor ihm. „Früher war der Kaffee jedenfalls nicht so dünn.“

„Was soll ich denn machen?“, sagt Frau Herrmann und blickt ihren Gatten traurig an. „Seitdem du im Homeoffice bist, hat sich der Kaffeeverbrauch dramatisch erhöht. Was du sonst in der Kantine für lau getrunken hast ...“

„Scheiß-Homeoffice“ grummelt Herr Herrmann. „Ich bin Hausmeister bei Unkenberg & Co., da kann ich im Homeoffice kaum etwas anderes machen als Kaffee trinken.“

„Du könntest zum Beispiel mal diese blanken Drähte an der Badezimmerdecke ...“

Es klingelt, dann klappert die Briefkastenschlitzklappe. Frau Herrmann geht hinaus und kommt zurück.

„Ein Brief, Harry. Sieht amtlich aus.“

Herr Herrmann nimmt den Umschlag mit sichtbarem Widerwillen entgegen.

„Graues Ökopapier, wird mal wieder eine Rechnung sein.“

„Wirf den Umschlag nicht weg“ sagt seine Gattin, wir legen ihn zu den anderen, falls das Klopapier nochmal knapp wird. Gerade hat die zweite Welle ...“

Harry gibt ihr den Umschlag im Format DIN-A-lang, klappt den zweimal waagerecht im Zick-Zack-Falz und somit korrekt gedrittelten Bogen auf und beginnt zu lesen.

„Was ist denn? Was Schlimmes?“

„Ist es was wichtiges?“, fragt Mandy Herrmann, „ich mach dir einen neuen Kaffee, ja?“

Harry Herrmann sagt nichts, er liest und greift dann nach der Tasse vor sich und schüttet die transparente Flüssigkeit in einem Zug in sich hinein. „Du kannst die Tasse nehmen ...“

Mandy Herrmann setzt Wasser auf und dreht die Herdflamme auf.

„Das ist jetzt aber ...“, ruft, nein, schreit der Gatte.

„Nicht so laut, Schatz! Was ist denn? Was Schlimmes?“

„Hör dir das an, Maus! Sehr geehrter Herr Herrmann, das Amt für die Erschließung neuer Geldquellen setzt die am 28. August 2020 vom Bezirksamt Berlin XXIII beschlossene Steuer auf Namen, in denen nichtgenderneutrale Silben vorkommen, für Sie und Ihre Familie, bestehend aus Ihnen, Ihrer Gattin Mandy und den Kindern Lars und Lena wie folgt fest:

Vorkommen der Silbe „Mann“ im Vornamen: 0

Vorkommen der Silbe „Mann“ im Nachnamen (Erhebungssatz x 1.0): 1

Als Basis für Ihre Steuerschuld haben wir den Betrag festgesetzt, den Sie zwecks Verbringung eines Urlaubs mit vier Personen auf Mallorca im kommenden Jahr bei der Raiffeisenkasse St. Kützelmütz angespart haben. Von diesem Betrag wird Ihnen der Kinderfreibetrag von 2 x 15 Euro abgezogen, so dass eine Restschuld von ... VERDAMMT nochmal, jetzt gehen sie zu weit!“

Mandy Herrmann hat sich zu ihrem Mann an den Küchentisch gesetzt. Das Wasser brennt unbeachtet an.

„Das ist aber traurig, Harryschatz!“

„Aber was bedeutet das, Schatz?“

„Na was da steht! Unser Urlaubsgeld ist weg! Weil wir Herrmann heißen! Aber das lasse ich denen nicht durchgehen!“

„Aber da kann man nichts machen, Schatz! Es ist doch amtlich und kommt von der Regierung! Ist es denn auch wirklich ein amtliches Schreiben?“

„Guck selber! Mit Bundesadler und Personenkennzahl und da steht die Steuerliche Identifikationsnummer. Amtlicher geht es nicht.“

„Und wer hat das unterschrieben?“

„Da, lies selber. Dieser Bescheid ist ohne Unterschrift gültig!“

„Das ist aber traurig, Harryschatz! Da haben wir jetzt fast fünf Jahre drauf gespart ... Aber es kommt von der Regierung, und es ist bestimmt für einen guten Zweck!“

„Hier, so geht es weiter: Dieser Betrag ist unverzüglich bereitzustellen und umgehend an die Kontonummer 555-876 5900 290, z. Hd. Herrn Schorschel Schlobotty zu überweisen. Bei Verzögerung wird ein Bußgeld in nicht unerheblicher Höhe fällig.“

„Dann mach das sofort, Harryschatz. Wenn es doch von der Regierung kommt. Die werden schon wissen, was das Beste ist. Fahren wir eben nächstes Jahr nicht nach Mallorca, sondern zu Mutter in Mannheim ...“

„Jetzt sollen die mich kennenlernen!“

Harry Herrmann springt auf.

„Nicht mit mir! Einmal muss Schluss sein! Ich gehe jetzt sofort zum Amt und beschwere mich!“

Mandy fasst ihn am Arm.

„Du reitest uns nur noch tiefer rein, Harry! Die Regierung hat nun mal das Sagen, und wir sind nur kleine Leute. Und in Mannheim ist es doch auch ...“

Aber Harry Herrmann bleibt aufgesprungen und -gebracht.

„Ich gehe da jetzt hin. Wo ist meine Maske?“

„Die sind alle in der Wäsche, Schatz. Es geht also sowieso nicht. Überweis' das Geld doch lieber, dann ...“

Harry Herrmann hört nicht, er holt seine alte Sturmhaube aus dem Dielenschränkchen und zieht sie über.

„Jetzt sollen die mich kennenlernen!“

„Trink doch erst einmal einen Kaffee“, sagt Mandy und fällt ihm in den Arm. „Das beruhigt dich vielleicht ein wenig!“

Doch Harry ist nicht mehr zu bremsen.

Er stürmt aus der Wohnung und die Treppe hinunter.

Das Geld der Herrmanns wird eingezogen

Auf der zweiten Etage bohnert Frau Rabunke gerade die Stufen. Es ist sehr glatt.

Harry Herrmann rutscht aus. Er fällt 13 Stufen ungebremst herunter und bricht sich das Genick.

Mandy Herrmann wird vom Lärm ins Treppenhaus gelockt. Sie sieht ihren Mann da liegen und verletzt sich vor Schreck mit dem Kartoffelmesser, das sie in der Hand hält. Blutverlust, Blutvergiftung, Notaufnahme. Tage später Corona-Tod. Der überhitzte Kessel mit dem angebrannten Kaffeewasser explodiert und setzt erst die Wohnung und dann das ganze Haus in Brand. Frau Rabunke kann sich retten.

Die Tagesschau meldet am Abend: „Betrüger versuchen, aus einem Erlass des Bezirksamts Berlin XXIII Profit zu schlagen. Sie verschicken gefälschte Steuerbescheide. Der echte Erlass tritt allerdings erst am 1. November diesen Jahres in Kraft. Sie erkennen die gefälschten Schreiben daran, das in ihnen ein Kinderfreibetrag ausgewiesen ist. Diesen gibt es selbstverständlich nicht.“

Das Geld der Herrmanns wird eingezogen.

Die Kinder kommen in Obhut und geraten auf die schiefe Bahn. Lena tritt der Grünen Jugend bei, und Lars beginnt zu rauchen.

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Leserpost

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Kai Schneider / 11.10.2020

Herr Herrmann hätte dabei so leicht erkennen können, daß es sich um eine Fälschung handelt. Denn es fehlt im Bescheid die Zeile: “Vorkommen der Silbe „Herr“ im Nachnamen (Erhebungssatz x 1.75): 1”

Frances Johnson / 11.10.2020

Erst hab ich laut gelacht, dann nicht mehr. Oh Mann, der Archi B., der kann Drehbuch.

Heiko Stadler / 11.10.2020

Satire ist die Verharmlosung der Zukunft. Oder: noch können wir darüber lachen, aber bald bleibt uns das Lachen im Hals stecken. So leicht werden die Herrmanns in Zukunft nicht davon kommen, denn sie haften auch für alle ihre gleichnamigen Vorfahren. Schließlich werden unser Bundesgrüßaugust und die heilige Angela nicht müde, uns gebetsmühlenartig zu mahnen, dass wir alle Schuld unserer Vorfahren aus dunkler Vergangenheit in uns tragen - die Mahner selbst sprechen sich selbstverständlich von dieser Erbschuld frei.

Thomas Kache / 11.10.2020

Bitte bitte ganz vorsichtig mit solch vermeintlicher Satire. Das könnten Ideen sein, auf welche die Raubritter der Apokalypse mangels Fantasie einfach noch nicht gekommen sind. So was kann gründlich in die Hose gehen. Nicht wundern, wenn demnächst nach dem sonntäglichen Kirchgang an der Kirchenpforte Beamte (m, w, d) positioniert sein werden, welche den alternativlosen (wahlweise) Angela-, Frank- Walther- oder Wummslaf- Pfennig, resp. Euro, eintreiben. Ich sage nur: „Gefährlich ist’s den Leu zu wecken, Verderblich ist des Tigers Zahn; Jedoch der schrecklichste der Schrecken, Das ist der Mensch in seinem Wahn.“ Schönes Wochenende

Thomas Brox / 11.10.2020

Urlaub ist wegen Corona sowieso gefährlich, und wegen CO2 klimaschädlich! Urlaub war gestern - die neue Zeit erfordert ein neues Denken. Anstatt politische Hetze zu verbreiten, sollte die Achse die umfassend fürsorglichen Behörden, die sich für einen Hungerlohn abrackern damit die Welt auf dem richtigen Weg bleibt, publizistisch mehr unterstützen.

Rolf Menzen / 11.10.2020

Da bleibt einem das Frühstücksbrötchen im Hals stecken. Müssen Sie die Behörden denn auch noch auf diese Einnahmequelle hinweisen? Hinterher machen die das wirklich.

Barbara Mann / 11.10.2020

Schönen Dank auch, Herr Bechlenberg! Jetzt haben Sie mir den Sonntag versaut. Mann, Mann, Mann…!

Lars Bäcker / 11.10.2020

Und genau deshalb schreibe ich mich ab heute „Lars*ine Bäcker*in“. Da bin ich dann in steuerlicher Hinsicht auf der sicheren Seite. Gegebenenfalls müsste ich aber damit rechnen, dass meine Familie meine Einweisung in die Geschlossene beantragt.

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