Wie man so etwas angeht ist eine Charakterfrage. Ich gehe keinem Konflikt aus dem Weg. Was mit einem starken Selbstbewusstsein und sehr spezieller Kompetenz zu tun hat. Was wiederum dazu führt, dass mir andere aus dem Weg gehen. Man kennt ja das alte Problem: Ein Personaler oder Abteilungsleiter, der einen Anwärter vor sich hat, der ihm persönlich haushoch überlegen ist, der wird diese Person natürlich niemals einstellen, damit sie nicht an seinem Stuhl sägen kann. In Deutschland (in den USA mag es anders sein) wird man üblicherweise nur dann eingestellt, wenn man keine Gefahr für die Führungsetage darstellt, gerade so eben intelligent genug ist, um den Job auszuführen, aber möglichst zu blöd, um eine Gehaltserhöhung fordern zu können. Wobei das mit der Gehaltserhöhung in einer Leistungsgesellschaft eigentlich gar nicht der relevante Punkt sein sollte, sondern die Leistung selbst. Es gibt Menschen, denen liegt ihr Job im Blut. Und dann gibt es Menschen, die sind für einen Job einfach charakterlich und/oder fachlich ungeeignet. Da kann man dann noch so viel Geld auf den Tisch legen, es wird an der schlechten Arbeitsleistung nichts ändern. Sieht man ja häufiger in der Politik. Für mich persönlich war die Entlohnung eines Jobs immer zweitrangig. Erstrangig ist die Aufgabenstellung. Wenn ich zudem Zweifel an der Seriosität des Arbeitgebers oder des Arbeitsumfeldes habe, kann man mir noch so viel Geld auf den Tisch legen, der Job ist für mich gestorben. Loyalität lässt sich nicht erkaufen, denn Loyalität erfordert Vertrauen und Verlässlichkeit. Und diese beiden Charaktereigenschaften sind in unserer Gesellschaft schon seit Längerem vom Aussterben bedroht.
Ich hätte eher von Petersen etwas Persönlicheres erwartet. So kenne ich zwei, die sich nicht bewerben konnten, obwohl sie gut waren. Es fehlte Selbstbewusstsein und dies, weil sie keine passende Freundin fanden. Einer von den beiden verliebte sich in eine Frau, die sich auch in ihn verliebte. Plötzlich kann er sich bewerben. Es ist eine Frage auch von Selbstwertgefühl. Mit Partner(in) ist man plötzlich doppelt so viel wert, zumindest empfindet man das so. Deshalb ist mir Petersen hier zu flach. Sowas steht jede Woche auf w-on, gleich vor den anderen Rezepten.
Hier scheint jemand einen Rat bezüglich Dingen geben zu wollen, die er nicht aus eigenem Erleben kennt. In solchen Fällen wirken Ratschläge wie von der Stange und oberflächlich. Jeder Arbeitnehmer, der sich um seine Gehaltserhöhung selber kümmern muss, weiß zu dem Thema sicherlich gehaltvolleres beizutragen, als es Herr Peterson hier tut. Wir sollten über die Dinge sprechen, die wir kennen, oder über die wir uns eine Meinung erlauben dürfen. Ein grüner Lehrer, Soziologe oder Verwaltungsangestellter sollte beispielsweise besser nicht dem Jungunternehmer Ratschläge über unternehmerisches Handeln geben. Konfliktscheue Menschen zu ermutigen, ist natürlich ehrenwert. Nützlich könnte sein, etwa die mögliche Ursache für die Konfliktscheue zu thematisieren. Dieses könnte Menschen dabei helfen, sich ihrer „Schwäche“ überhaupt erst einmal bewusst zu werden. In einer Situation, in welcher Konfliktstärke gefragt ist, könnten sie sich quasi von außen dabei beobachten, wie sie die Situation meistern. Ganz sicher ist Sachlichkeit ein großer Vorteil. Und natürlich Ruhe. Und, da hat Peterson recht, Vorbereitung. Das gedankliche Durchspielen der Situation im Vorfeld, soweit dieses möglich ist. Und wenn dann doch alles anders ganz kommt und zweitens als man denkt, dann hat man zumindest sein Bestes gegeben.
Mit solchen Banalitäten wie aus einem x-beliebigen Ratgeberbuch sollte uns Achgut verschonen.
Leider wird mit der hier vorgeschlagenen Verhandlungsstrategie genauso auf nichtige Polemik verwiesen, wie die gesamte Gesellschaft in allen Bereichen in ihrem derzeitigen Zustand schon irregeleitet ist. Sollte das einzige Argument für eine Gehaltsaufbesserung ein optionales höherwertiges Stellenangebot sein, so wäre eine sofortige Trennung von solch einem unloyalen Mitarbeiter die nötige Konsequenz. Denn ein Mitarbeiter ist nur deshalb ein wertvoller Mitarbeiter, weil er gut mitarbeitet mit Schwerpunkt auf “arbeitet”. Genau kann nur das ein Grund für eine bessere Entlohnung sein. Es gibt deshalb so viele überforderte Menschen auf für sie unausfüllbaren Positionen, weil die sich durch hohle Worte gut verkaufen können, aber die Kreativität für ihre Aufgaben vermissen lassen. Insofern ist dieser Artikel kontraproduktiv, ja total falsch und fördert nur den immer mehr um sich greifenden Eskapismus. Besser verhandeln kann derjenige, der sich offen, gewissenhaft und verträglich im Arbeitsleben verhält und nicht derjenige, der am dicksten aufträgt. Und zu einem gesunden Selbstbewußtsein gehört dann auch ein natürliches Vertrauen in die Kräfte des Marktes und in die evolutionäre Natur.
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