Mit 18 ist man in einem Alter, in dem man absout gar nichts weiß. Das heißt bei weitem nicht, dass ich Studenten nicht ernst nehme. Ich war an der Universität immer gerne als Dozent tätig, habe das Unterrichten von Studenten geliebt und die Lehre nicht einmal ansatzweise als hinderlich für meine Forschung wahrgenommen. Man bekommt auch hier zurück, was man gibt. Wenn man ihnen wirklich etwas beibringen möchte, reagieren Studenten äußerst positiv.
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Was ich mit meinem Anfangssatz meine, ist: Mit 18 hat man noch keine Kinder, höchstwahrscheinlich hatte man noch keine lange, ernsthafte Beziehung, die das Maß an Kompromissen erfordert, wie es im Erwachsenenalter üblich ist. Man hat noch nicht gearbeitet und wenn doch, dann höchstens minimal. Ganz bestimmt hat man sich noch nicht mit einer Geschäftsidee selbstständig gemacht. Man hat noch nichts Nennenswertes geschrieben und noch nichts erschaffen. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.
Wenn man in diesem Alter ist, ist es also nicht der richtige Zeitpunkt, um sich Gedanken über die Umgestaltung der Welt zu machen. Und warum wir dennoch glauben, dass dies angebracht sei, übersteigt meinen Horizont. Dass es falsch ist, musste ich selber lernen, als ich 16, 17 Jahre alt war.
Ich arbeitete als Jugendlicher für eine sozialistische Partei. Es sah ganz danach aus, als ob ich dort ohne weiteres hätte Karriere machen können. Doch eines Tages wachte ich auf. Und zwar mithilfe meines Mitbewohners, der immer noch ein guter Freund von mir ist. Er stammt aus armen Verhältnissen und hatte kein leichtes Leben. Ein kräftiger Bursche, der auf Bohrinseln und in Bleihütten gearbeitet hat. Als er etwas älter war, ging er nochmal zur Universität. Schließlich therapierte er die schlimmsten Kriminellen Kanadas, was ihm aufgrund seiner Veranlagung gut gelang. Ich würde ihn als zynischen, mitfühlenden Optimisten bezeichnen.
Ich bin 16 und habe eine große Klappe
Als wir zusammen wohnten, sagte er jedenfalls eines Tages zu mir: „Du hast einfach keine Ahnung.“ Ich war damals von einer sozialistischen Theorie angetan, die natürlich nicht von mir stammte, die ich jedoch permanent anführte, in deren Sinn ich argumentierte und mit der ich sogar Diskussionen gewinnen konnte. Er sagte jedoch zu mir: „So funktioniert die Welt nicht.“
Und wenn ich ehrlich war, musste ich ihm zustimmen. Ich arbeitete damals für die Direktion des kleinen College, an dem ich eingeschrieben war. Alle Mitglieder dieses Vorstands waren von der Regierung ernannt worden, die damals konservativ war. Es handelte sich also um kleine Unternehmer, die es im kanadischen Grenzgebiet zu etwas gebracht hatten. Denn das College lag in der ziemlich jungen Stadt Grande Prairie. Viele von ihnen waren Immigranten, weil die 1905 gegründete Provinz Alberta größtenteils von Immigranten bevölkert wird. Alle von ihnen hatten sich von ganz unten nach oben gearbeitet. Ich kannte diesen Menschenschlag bereits gut, weil ich in Restaurants gejobbt hatte, seitdem ich 13 war.
Jedenfalls habe ich solche Leute immer bewundert, auch wenn ich nicht mit ihrer politischen Einstellung übereinstimmte. Und das brachte mich ins Grübeln, ich fragte mich, warum ich sie bewunderte, auch wenn wir intellektuell nicht auf einer Wellenlänge lagen. Und dann ging ich zu den Treffen meiner sozialistischen Partei, wo es zwar ein paar Leute vom Format eines Arbeiterführers gab, aber die meisten einfach nur Aktivisten waren. Letztere trieben mich in den Wahnsinn. Sie waren weinerlich, übelnehmerisch – jedenfalls überhaupt nicht bewundernswert, obwohl wir rein theoretisch dieselben politischen Ansichten teilten. Die ganze Angelegenheit bereitete mir Kopfzerbrechen.
Schließlich wurde mir klar: Ich bin 16, habe eine große Klappe, bin clever und kann meine Gedanken wortreich ausformulieren. Aber ich habe keine Ahnung. Also versuchte ich etwas zu lernen, bevor ich auch nur in die Versuchung käme, mich politisch zu engagieren.
Dies ist ein Auszug aus einem Gespräch von Jordan B. Peterson mit Konstantin Kisin und Francis Foster. Hier geht's zum gesamten Gespräch.