112-Peterson: Unsere tragische Abschlepp-Kultur

Man kann versuchen, Sex zu trivialisieren, so als wäre es nichts. Aber damit würde man eine der tiefsten sinnstiftenden Quellen zur Bedeutungslosigkeit degradieren.

Im Laufe meiner Tätigkeit als klinischer Psychologe hatte ich viele männliche Patienten, die das Klischee des Schürzenjägers erfüllten. Glücklich waren sie damit jedoch nicht. Natürlich würde ich ganz unverblümt sagen: Von zwei Männern, die sich in allem gleichen bis auf die Tatsache, dass der eine ein Frauenheld ist und der andere nicht, ist Ersterer immer besser dran. Abstinenz wider Willen ist kein Segen.

Aber trotzdem kann man etwas so rätselhaftes wie die Sexualität nicht von seinem Leben abkoppeln. Wie soll das funktionieren? Man kann versuchen, Sex zu trivialisieren, so als wäre es nichts. Aber unterm Strich hat man dann auch nichts davon. Denn man würde eine der tiefsten sinnstiftenden Quellen zur Bedeutungslosigkeit degradieren. Damit bestraft man sich unterm Strich selber.

Also sollte man Sex lieber in sein Leben integrieren und sich fragen, was man von seinem Leben möchte und warum man überhaupt Sex haben will. Wünscht man sich Intimität und Nähe? Will man, dass der Akt überhaupt eine Erfahrung erster Güte wird? Will man, dass der andere einem Aufmerksamkeit schenkt? Unser Sexualpartner sollte sich für uns interessieren, denn die Lust führt uns an seltsame Orte. Und das ist keine Kleinigkeit. Zugleich ist Sexualität bei weitem nicht alles.

Und eigentlich wissen wir das doch alle, denn viele von uns sind einsam. Wir alle brauchen jemanden, mit dem wir kommunizieren und an den wir uns binden können. Wir brauchen jemanden, mit dem wir unsere Triumphe und unsere Katastrophen teilen können. Wir brauchen einen stabilen Rahmen, um Kinder zu bekommen.

Jungen Leuten werden unmögliche Werte verkauft

Und die Fragen, warum wir Kinder bekommen sollten, ist wirklich dämlich. Was sollen wir denn sonst tun? Es gibt nicht so viele Dinge, die unser Leben ausmachen. Intime Beziehungen repräsentieren wohl 30 Prozent unseres Lebens und Kinder nochmal so viel. Natürlich kann man ohne beides auskommen. Aber dann sollte man wenigstens eine atemberaubende Karriere oder eine enorme Begabung im kreativen Bereich haben. Und natürlich gibt es Menschen, die mit solch einer Unausgewogenheit ausgefüllt sind, aber das habe ich in den allerwenigsten Fällen erlebt.

(...)

Jungen Leuten werden heute unmögliche Werte verkauft. Selbst wenn man sehr erfolgreich auf Tinder unterwegs ist: Als Mann, der gut bei den Frauen ankommt und daher viele willige Kandidatinnen zur Verfügung hat, befindet man sich auf dem besten Wege in die Psychopathie. Denn man muss seine Sexualität von der Menschlichkeit seiner Sexualpartner abtrennen. Das lässt einen aber nur hart und bitter werden. Und ich würde es nicht empfehlen.

Mir geht es hierbei nicht um den erhobenen Zeigefinder. Naive Abstinenz ist natürlich auch keine Lösung. Aber das, was wir den Jungendlichen als Gesellschaft vermitteln, ist definitiv nicht rühmlich.

Dies ist ein Auzug aus einem Gespräch von Jordan B. Peterson mit Ben Shapiro. Hier geht's zum Auszug und hier zum gesamten Gespräch.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

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Mark Schimmer / 06.10.2021

Ich finde, dass diese kurze Episode aus dem Gespräch völlig aus dem Kontext gerissen ist und durch den eingeschränkten Fokus ein schlechtes Licht auf Peterson wirft.  Das Problem, das da diskutiert wurde, war viel komplexer.  Man sollte sich das komplette Video (nicht nur den Auszug) anschauen.

Volker Kleinophorst / 06.10.2021

@ S. Bender. Männer werden nicht abgeschleppt. Sie schleppen ab. @ U. Unger Der One-Night-Stand ist doch kein Prinzip. Es gibt ihn, weil einer der Beteiligten schon früh erkennt. Wird nix. Und weil die Verhütung das Experimentieren erleichtert, während früher leider trotz gefühltem “Wird nix” schon ein Kind unterwegs war. @ W. Arning Niemand ist in der Männerwelt mehr anerkannt, als einer der Erfolg bei Frauen hat. Das wollen wir doch alle. Das eigentlich die Frauen auswählen und Mann sich nur bewerben darf, verlieren wir Männer da gerne mal aus dem Blick. PS.: Sex und Liebe sind unterschiedlich Dinge. Es bedingt einander nicht. Lieben kann man auch völlig ohne Sex und auch Sex ohne Liebe ist kein Problem. Das heißt aber nicht, dass es nicht schön ist, wenn es auf beiden Ebenen passt.

Dr. med. Jesko Matthes / 06.10.2021

“Denn man würde eine der tiefsten sinnstiftenden Quellen zur Bedeutungslosigkeit degradieren.” - Ja, danke! Hans Habe (1911-1977) schreibt in seinen “Erfahrungen” (1973) an seinen Sohn sinngemäß, er, der Vater, sei gewiss kein Kind von Traurigkeit gewesen, und manche schöne Frau habe seinen Weg gekreuzt. Wenn zwei einander dieses große Geschenk gemacht hätten, dann sollten sie das gerade deshalb nicht beiläufig abtun, sondern einander sagen, dass sie es in Erinnerung behalten werden, danach einander dankend umarmen und erst dann auseinander gehen, zugleich traurig und frohen Mutes, wenn denn ein Leben ohne Abschied nicht möglich ist. - Die sinnstiftende Quelle entspringt also möglicherweise, ihr Lauf aber endet sicher nicht im Bett. Und danach erst fließt sie in die entscheidende Richtung, so oder so.

Marc Greiner / 06.10.2021

Sex ohne Konsequenzen ist ein Trugschluss. Wird aber von vielen propagiert: Feministinnen, Abtreibungsindustrie, Marxisten, Sekularisten, vermeintlich modernen Menschen. Alle behaupten, dass Sex und Geschlecht nicht wichtig seien. Sie sind das wichtigste überhaupt. Deshalb wird es ja auch in Frage gestellt.

TinaTobel / 06.10.2021

Interessanterweise werden Menschen, für die Sex und Bindung zusammengehören, in unseren ach so toleranten Zeiten als “Demisexuelle”, sprich “Halbsexuelle”, diffamiert.

U. Unger / 06.10.2021

Bravo Herr Peterson, heute ist einer der wenigen Tage an denen ich diese immer vernünftige Kolumne kommentiere. Sie kommen heute hälftig am falschen Ende an! Ich halte es für wichtig in jungen Jahren spielerisch und ohne ungewollte Schwangerschaften zu experimentieren! Natürlich gehört zu One stands eine gewisse Kälte, aber gleich den Anmarsch von Psychopathie voraussetzen? Gefühlsmäßige vorübergehende Abstumpfung ist evident, bei Frauen und Männern, sicher! Meiner Erfahrung nach halten Beziehungen nach sportlicher Vorerfahrung deutlich besser, weil die Partner schlicht vergleichen und urteilen können und daher mehr Energie auf die emotionale Seite verwenden können. Hier sehe ich Defizite in Afrika, wo zwar hemmungslos gehühnert wird, ohne erwachsen und kühl die Folgen vorherzusehen. Die Alimentierung drückt man eiskalt denen auf, die sich emotional kälter belustigen. Das nenne ich psychophatisch. Wenn das Menschlichkeit oder Achtung ist, verzichte ich dankend. Mehr Verachtung als lebenslang keine Alimente zu zahlen, wie es in bestimmten Gegenden üblicher ist, als in westlichen Gesellschaften, sehe ich Kindern und Frauen gegenüber nicht. Da ist der Spaß einer Nacht oder eine episodische Romanze die reinste winwin Situation. Mir nicht bekannt, daß Psychopathen den halben Profit abgeben. Daher gehe ich davon aus, daß auch die Vielfliegerei sehr emotional und menschlich betrieben wird, nur sportlicher. Ärzte und Therapeuten mischen übrigens ganz weit vorne mit. Anständigerweise latzen die artig für alles.

Stephan Bender / 06.10.2021

Das war von allen Beiträgen, die ich jemals von Jordan B. Peterson hier gelesen habe, der schlechteste. Es ist die bittere Suada eines alten Mannes, der nicht mehr abgeschleppt wird. Außerdem bin ich fassungslos, dass ein so derart gebildeter Mensch Sinn und Wesen der Sexualität bis heute nicht verstanden hat. Vielleicht sollte Jordan sich eine eine schicke Lederhose und einen schönen, alten Oldtimer zulegen, und öfter mal spontan und völlig unerwartet auf dem Highway liegen bleiben… ;-)

Jörg Nestler / 06.10.2021

Gewisse Dinge sind im Leben einfach da, ob man sie will oder nicht. Dazu gehören die Sexualität und die Notwendigkeit für seinen Lebensunterhalt sorgen zu müssen. Wenn man darauf nur als Getriebener reagieren kann, ist das schlecht. Besser ist es, sein Leben so im Griff zu haben, dass man es gestalten kann. Als älterer Mann mit Lebenserfahrung empfehle ich, sich vor allem darum zu kümmern, eine sinnvolle, konstruktive Aufgabe für sich zu finden, mit der man möglichst auch noch Geld verdienen kann. Hat man etwas gefunden, was man sehr gut kann, was für einen eine befriedigende Tätigkeit ist, mit der man sich voll identifiziert, lässt der Lebensdruck nach, so dass man der Sexualität sehr viel entspannter entgegentreten kann. Will man eine Familie gründen, ist die Partnerwahl natürlich ein wichtiger Punkt. Die Fixierung darauf, einen Partner oder eine Partnerin haben zu müssen, um intim sein können, halte ich für einen Irrweg. Sexualität ist nicht sinnstiftend, Herr Peterson. Das ist mehr eine Flucht vor als eine Antwort auf das Leben. Man sollte versuchen, seinem Leben Tiefe zu geben, indem man Weisheit aus seinem gelebten Leben gewinnt und sein weiteres danach ausrichtet. Was gesellschaftlich vermittelt wird, ist zumeist oberflächlich und dumm. Damit kann man nichts anfangen, außer sein Leben gänzlich zu vergeuden. Man sollte Selbstvertrauen gewinnen, sich verstehen lernen und einsehen, dass man alle Fragen zum Leben nur selbst beantworten kann. Das bewährte Erfolgsrezept für Gesellschaften und das individuelle Leben heißt Versuch und Irrtum. Man lernt über die Erfolge und Misserfolge, die die eigenen Handlungen hervorgebracht haben. Ohne Lernfähigkeit klappt nichts. Man benötigt gelegentlichen Abstand von allem, was einen beschäftigt. Dazu sollte man nicht Zerstreuung suchen, sondern sich Phasen der emotionalen und gedanklichen Ruhe gönnen. Die Wirkung ist hilfreich und sinnstiftend. Ein bisschen Philosoph zu werden, ist unumgänglich für ein sinnvolles Leben.

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