112-Peterson: Macht und Kompetenz

Es gibt eine absichtliche Weigerung, Kompetenz von Tyrannei und Macht zu unterscheiden. An dieser Stelle haben wir es mit einem Ressentiment von möglicherweise biblischem Ausmaß zu tun.

In meinen Vorträgen mache ich mich gerne über die Vorstellung lustig, dass die Hierarchien des Westens nur aus Machtstrukturen bestünden. Man kann sich den Westen als groß angelegte, schablonenhafte totalitäre Tyrannei vorstellen, meinetwegen als Tyrannei des Partriarchats. Oder man zerlegt diese Vorstellung, indem man das zugrundeliegende Konzept transzendiert. Ich frage mein Publikum gerne, was es von der Tyrannei der Klempner oder der Tyrannei der Masseusen hält. Das ist im Grunde aber gar nicht lustig. Angenommen, Sie brauchen einen Klempner – wir alle brauchen von Zeit zu Zeit einen Klempner – wie wählen Sie diesen aus?

Die Antwort ist natürlich nicht, dass es marodierende Banden von Klempnern gibt, die von Tür zu Tür gehen und Hausfrauen erklären, dass wenn sie nicht die Dienste des tyrannischsten aller Klempner in Anspruch nehmen, es mafiöse Konsequenzen für sie haben wird. Natürlich sucht man sich in der Realität den Klempner aus, den man für den fähigsten hält. Womöglich weil er in der Nachbarschaft einen guten Ruf hat, weil er Rohre gut repariert, sein Geschäft ordentlich führt und ein vertrauenswürdiger Vertragspartner ist. Das nennt man Kompetenz und nicht Macht.

Was ich am Postmodernismus besonders ätzend finde, vor allem an den Foucault-Jüngern, ist die Vorstellung, dass jede Hierarchie auf der Grundlage von Macht basiere. Denn das ist eigentlich eine Beleidigung jedweder Art von Kompetenz. Und dies wiederum beleidigt die Vorstellung, dass es wirkliche Probleme gibt, die tatsächlich gelöst werden können.

Wenn man all das nicht gelten lässt, und glaubt, es ginge nur um Macht, dann gibt es demnach auch keine echten Probleme. Und schon gar keine edlen Wege, sie zu lösen. Noch nicht einmal in der Art, wie ein guter Klempner ein Problem lösen würde. Das ist keine triviale Angelegenheit. Man raubt damit den Leuten im Grunde den Sinn in ihrem Leben. Selbst den Bessergestellten.

Ein großartiger Weg zu einem sinnstiftenden Leben

In meinen Vorträgen betone ich stets, dass, wenn jemand beispielsweise ein kleines Restaurant führt, es für ihn das wichtigste ist, das Restaurant auf die bestmögliche Weise zu führen. Denn es geht doch nicht nur darum, die Nahrungsaufnahme anderer Leute zu gewährleisten, sondern um viel mehr. Und die edle Wahrnehmung der vorgefassten Verantwortung in diesem Fall wäre gleichzeitig die Transzendenz der Aufgabe. Dann ginge es darum, einen Ort zu schaffen, wo Nachbarn zusammenkommen. Wo müde Leute morgens zu Kräften kommen, bevor sie an die Arbeit gehen. Ein Ort, an dem Sie als Restaurantleiter versuchen, Ihre Angestellten anzuleiten und ihnen bei der Entwicklung ihres Lebens zu helfen. Wenn man so will, eigentlich ein unglaublich reichhaltiger Mikrokosmos.

Und die Verantwortung für die Aufrechterhaltung dieses Mikrokosmos anzunehmen, kann ebenfalls ein großartiger Weg zu einem sinnstiftenden Leben sein. Sinnhaftigkeit ist weder überflüssig noch entbehrlich, sondern in psychologischer und praktischer Hinsicht ein zentraler Antrieb des Menschen.

(...)

Es gibt eine absichtliche Weigerung, Kompetenz von Tyrannei und Macht zu unterscheiden. Macht kann man sich als unverdiente Autorität denken, um an dieser Stelle eine genauere Definition zu bekommen. Wir haben es hier mit einem Ressentiment von möglicherweise biblischem Ausmaß zu tun. Nämlich, dass es bei denen, die auf der Welt nicht das bewerkstelligen, was sie bewerkstelligen könnten und darum scheitern, die Neigung gibt, angesichts derer, die bewerkstelligen, was sie können und erfolgreich sind, in Verbitterung zu verfallen. Und in diesem Zuge die Leistung der Anderen nur auf Macht zurückführen, um sie zerstören zu können. Das ist leichter, als das radikale innerliche Umrüsten vorzunehmen, das nötig wäre, um das eigene Leben aufzuräumen.

Dies ist ein Auszug aus einem Gespräch von Sir Roger Scruton und Jordan B. Peterson. Hier geht's zum Auszug und hier zum gesamten Gespräch.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

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Olaf Jakob / 24.08.2022

Im Spannungsfeld von Leistung, Kompetenz und Macht, ist das eine wahrhaft philosophische Aussage.

sybille eden / 24.08.2022

Toll, Herr Peterson, sie beschreiben hier die Grundlagen des vulgären MARXISMUS,  ( - es gibt keinen anderen. ) und seinem grünen Bastard !  Danke.

Fred Burig / 24.08.2022

@Werner Arning:”... Deshalb ist es für Inkompetente so reizvoll, in die Politik zu gehen (oder zu den Medien).” Ein sehr treffender Kommentar, Herr Arning! MfG

Martha Geist / 24.08.2022

1. Kompetenz - insofern sie von Menschen realisiert, praktiziert wird - muss immer neben der fachlichen auch die menschliche Fähigkeit, Eignung beinhalten . 2. Es kommt (oft ?) vor, dass Kompetenz durch Macht blockiert, verhindert wird . (durch “die Unfähigen & Faulen ” (Th.Szabo)  und/aber Machtgierigen)

Johannes Schuster / 24.08.2022

Es gibt leider einen Kehrwert dieser Darstellung: Daß nämlich alle, die die Macht usurpieren dafür sorgen, daß die Macht derjenigen, die etwas können unterbunden wird. Das ist Ebola - Psychologie: So aggressiv werden bis man seinen Wirt derart umbringt, daß man mit ihm stirbt. Daß es alle mit “den Viren” haben kann auch ein großes Stück ein Selbstoffenbarungswunsch sein. Jeder Herostrat kann sich in Corona wiedererkennen: Künstlich, laboriert, unecht gekaspert und in Folge aus Stamm - Alter - Ego und Wechselmutante, Variante: Man kann dem Geschehen von Viren auch besser beimessen, die Frequenz narzisstischer Adaption und Mutation. Auch das ist Selbstoffenbarung. Damit offenbart sich die gescheiterte narzisstische Ordnung in der Begrifflichkeit von Pathologie und zwar in einem sich selbst zwingenden Narrativ. Und hierin ist alle Macht des Machens unterbunden, die blanke Destruktivität ist die ersehnte Frucht.

Thomin Weller / 24.08.2022

Das Prinzip Hierarchie und Macht wird seit 2000 Jahren in die europäischen Köpfe eingeprügelt oder dieser gespalten. Der Götzen-Führer-Hierarchie Kult ist so tief verankert und vermutlich niemals zu ändern. Sir Dahrendorf, ex FDP ■“Nicht um die Arbeit gehe es den Machthabern, sondern um sich selbst, um die Möglichkeit, den Reichtum der Bürger so zu verteilen, wie es ihnen passt. Deshalb sind die Mächtigen um die Arbeit besorgt, sagt Dahrendorf: “Wenn sie ausgeht, verlieren die Herren der Arbeitsgesellschaft das Fundament ihrer Macht.” Vor über 100 Jahren wurde folgendes erkannt■ “Es geht um den Erhalt und die Ernährung der Bürokratie. Die Bürokratie hat das Herrschen zu ihrem Beruf gemacht und sich in eine mächtige Kaste von Spezialisten der Futterkrippe verwandelt. Sie hat die Wirtschaft übernommen oder umgekehrt jedenfalls sind sie zu einem untrennbarem Koloss verschmolzen.” Allerbestens aktuell RBB allgemein GEZ System das in nichts mit der AWO und anderen nachsteht, erkennbar. Die zwangshafte Massenintegration ist auch entsprechend als Ernährungsquelle zu betrachten.

Werner Arning / 24.08.2022

Wenn ich beispielsweise faul bin und dazu noch inkompetent, dann besteht möglicherweise eine Verlockung darin, den Fleißigen und Kompetenten einen bösen Willen zu unterstellen, sie moralisch schlecht zu machen, ihnen egoistische und ausbeuterische Ziele anzudichten. Dann gönne ich ihnen ihren Erfolg nicht und verbreite, dass sie diesen mit unfairen Mitteln erreicht haben. Ich stelle grundsätzlich das Prinzip der Leistung infrage und stelle die Theorie auf, dass das Leistungsprinzip höchst ungerecht sei. Von dieser Vorstellung ausgehend, formuliere ich eine Ideologie, gründe eine Partei und nenne diese Partei etwa „Partei der Gerechtigkeit“ und fortan kämpfe ich gegen die Erfolgreichen, gegen die Fleißigen, gegen die Kompetenten und gegen diejenigen, die den Mut haben, ihre Kompetenz mit derjenigen der Konkurrenten zu messen. Diesen Mut und dieses Vertrauen in die eigenen Stärken habe ich nicht, jedoch gönne ich diese Stärke auch niemand anderem. Leichter ist es, diesen Anderen etwa als einen seine Macht missbrauchenden Egoisten hinzustellen und Stimmung gegen ihn zu machen. Trotz meiner Inkompetenz empfinde ich dann Größe und Genugtuung und „verkaufe“ mich der Allgemeinheit als Kämpfer gegen die Ungerechtigkeit. Deshalb ist es für Inkompetente so reizvoll, in die Politik zu gehen (oder zu den Medien).

Helge Grimme / 24.08.2022

Wie so oft gehen Petersons Gedanken in die richtige Richtung und liegen dann heftig daneben. Seine Definition von Macht „ Macht kann man sich als unverdiente Autorität denken” erscheint mir abwegig. Macht an sich ist neutral, sie ist die Fähigkeit, Dinge geschehen zu lassen. Wie Peterson richtig bemerkt, haben Menschen mit Fachwissen im Sinne der von mir eingebrachten Definition Macht. Petersons Definition führt hier in die Irre. Regelrecht bizarr erscheint mir Petersons Gedankengang, wer sein Potenzial nicht voll entfalten kann, würde automatisch Ressentiments gegen Erfolgreichere entwickeln und ihnen Machtmissbrauch unterstellen. Negiert er damit nicht den wirklich existierenden Missbrauch von Macht bei der Bewertung, was als erfolgreich gilt? Wer sein Dasein einige Zeit in hierarchischen Systemen wie zum Beispiel Universitäten oder größeren Firmen fristen musste, kennt genau diese Form von Machtmissbrauch. Ablehnende Gefühle dagegen, zum Beispiel der Ekel, den Nietzsche diesen Geschehnissen gegenüber empfunden hat, sind nicht nur legitim, sie sind auch notwendig als Teil des Korrekturmechanismus. Foucaults Machtinterpretation zu ernst zu nehmen entspricht sicher den realen Machtverhältnisse in den heutigen Ideologiewissenschaften. Leider bezieht Peterson in seinen Ausführungen nicht auch noch Derrida mit ein, dessen Gedanken, vielleicht fehlinterpretiert, den Weg zur völligen Beliebigkeit eröffnen. Wir leben in einer Zeit des modernen Sophismus, die den Sophismus als Mittel zur totalitären Macht verwendet. Diese totalitäre Macht sollte nicht gleichgesetzt werden mit neutraler Macht und schon gar nicht mit verantwortungsvoller Macht als Mittel zum Guten.

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