112-Peterson: Leben ohne Vaterfigur

Ich wurde gefragt, was ich raten würde, wenn man seinen eigenen Vater nicht aus dem „Bauch des Wals befreien kann“ (wie in der Geschichte von Pinocchio), er also aus irgendwelchen Gründen als Vaterfigur nicht verfügbar ist.

Aus psychologischer Sicht wäre die angemessenste Handlungsweise, seinen Vater aus den väterlichen Fragmenten, die man zur Verfügung hat, wiederherzustellen. Kinder tun das ohnenin automatisch. Sie stellen sich einen Vater aus der Fülle von Bildern und Beispielen väterlichen Verhaltens zusammen, das sie erleben. Der größte Teil wird natürlich durch ihren eigenen Vater geprägt, sofern sie Kontakt zu diesem haben.

Ansonsten kann man lernen, den Geist des gütigen Vaters durch Onkel, Freunde der Familie, Filmhelden, bedeutende Autoren und andere große Männer der Geschichte in sich aufzunehmen. Carl Gustav Jung stellte dies als Entwicklungsnotwendigkeit dar. Es geht darum, dass der Geist des Vaters nicht das Gleiche wie der eigene Vater ist. Und wenn man den eigenen Vater mit dem Geist des Vaters verwechselt, wird man unter der Fuchtel des eigenen Vaters stehen. Und das ist nicht gut.

Stattdessen geht es darum, das universelle Bild des wohlwollenden Patriarchen zu abstrahieren und dies als Leitfaden zu nutzen. Dazu war urprünglich mal die humanistische Bildung gedacht. Sie sollte den Schüler mit den großen Persönlichkeiten der Geschichte vertraut machen, in deren Gedankenwelt einführen und die Identifikation mit diesem Meta-Vater katalysieren. Das sollte ein Schritt auf dem Weg der Entwicklung einer Beziehung mit dem himmlischen Vater sein, also mit dem ewigen Gott.

Wenn man also seinen eigenen Vater nicht aus dem Bauch des Ungeheuers befreien kann, sollte man sich zum Geist des Vaters wenden. Je mehr man das lernt und auch praktisch in sein Leben mit einfließen lässt, desto eher wird man vielleicht selbst ein Vorbild für den eigenen Vater, und auf diese Weise kann man ihn dann vielleicht doch noch vor dem Abgrund bewahren. Wenn ein Vater einen Sohn hat, dessen moralische Erziehung seine eigene übertrifft, kann dies, sofern Liebe noch vorhanden ist, ein zwingender Beweis dafür sein, dass er sein eigenes Leben auf die Reihe bekommen sollte.

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Foto: Gage Skidmore CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Klaus Keller / 08.11.2023

An Hans-Joachim Gille: Wenn man Gott durch eine Partei oder Bewegung oder dessen Vorsitzende ersetzt wird, es nicht immer besser. Politische Konzepte können auch ansteckend sein und gefährliche Folgen haben. Ich mag grundsätzlich harmlose Religionen in denen man keinem etwas tun will. Die Idee der inneren Erleuchtung ist doch schön. Es wird immer blöd wenn man für die Ziele der Bewegung oder der Religion jemanden erschlagen soll.

Klaus Keller / 08.11.2023

Die Vorstellung ersetzt nicht die Wirklichkeit der Erfahrung des angenommenen seins durch den Vater. Wenn der einen ablehnt ist das natürlich auch blöd, das lässt sich aber eher bearbeiten. Auch Gott ist im besten Fall nur ein Wunschbild. Der Vorteil ist, das eine größere Gruppe die auf einen lieben Vater blicken kann den Zusammenhalt stärkt. vgl Text in Beethovens 9er und das Gefühl das wir dabei haben. Das funktioniert leider auch wenn man ihn als strafender Vater zum Zwecke der Rache nutzen will, was man im Islam scheinbar bevorzugt. +++ Ein Problem mit nicht vorhandenen Vätern ist das man sich an ihnen schlecht abarbeiten kann, da man eigentlich ins Leere greift und gleichzeitig immer eine Leerstelle bleibt. Traumata lassen sich ggf eher aufarbeiten als nicht gemachte Erfahrungen die aber essentiell sind. s.o. PS Das Bild des nicht zugänglichen Vaters im Bauch des Wahlfisches ist eine schöne Metapher, die auch die Bibel kennt. Andreas Thiel meinte im Kontrafunk dazu, das eine Geschichte die von unterschiedlichen Quellen berichtet wird, wahrscheinlich wahr ist.

A. Ostrovsky / 08.11.2023

Man sollte auch endlich mal die Frage beantworten, ob Gott vielleicht auch für die Welterhizung verantwortlich ist. Die primitive Zuweisung auf die Schuld des eigenen Vaters durch die wabernd-woke Gemeinschaft der eingebildeten Mütter könnte sich als primitive Hasspropaganda erweisen. Und weil wir bei Propaganda sind. Bekanntlich war Edward Bernays ja der Sohn der Schwester von Sigmund Freud. Ich stelle mal die Frage in den Raum, ob Sigmund Freud und Edward Bernays, so wie sie beide auf die Welt gewirkt haben im Guten und im Bösen, jeder auf seine Art, nicht vielleicht ein Ergebnis dieser Schwester sind? Ein Hinweis wäre darin, dass Freuds Tochter den gleichen Namen bekam, wie seine Schwester. Allerdings als Gegenindikation ist die Geburtsreihenfolge. Freunds Schwester war 2 Jahre jünger. Dass Edward als Erfinder der Propaganda, die man auch als hochprofessionelles Lügen bezeichnen könnte, irgendwie mit dem Pinocchio-Trauma mit dem Wal verbunden sein könnte, ist aber doch ein abwegiger Gedanke. Ich denke, das ist zufällig. Mir ist allerdings auch nicht bekannt, ob Freud diese Zusammenhänge untersucht hat. Irgendwie war der mehr am Sexuellen, als am Evolutionären dran.

Werner Arning / 08.11.2023

Die Identifikation mit Filmhelden ist eine Angelegenheit, die zum Scheitern verurteilt ist. Sie führt aufgrund der fehlenden Wahrhaftigkeit auf völlig falsche Fährten. Ebenso die Identifikation mit historischen Persönlichkeiten. Es muss schon ein lebendiges Wesen sein, das man persönlich erlebt hat, welches man sich zum Vorbild nehmen kann. Diese Vorbildfunktion muss nicht alle Aspekte einer Sohn-bzw. Vaterschaft erfüllen, sie kann zeitgebundenen sein und später nach erfolgter eigener „Reifwerdung“ wieder verworfen werden. Gelungen ist der Prozess, wenn man das Vorbild nicht mehr braucht. Die Beziehung zu Gott, dem Vater, ist hingegen anderer Gestalt und lebenslang. Obgleich es auch hier mit einem Prozess des Reifwerdens zu tun hat, mit einem Urvertrauen des Angenommenseins, und mit der Entwicklung von Liebesfähigkeit und Lebensmut.

A. Ostrovsky / 08.11.2023

Man sollte unter den Bedingungen der entwickelten Gesellschaft des institutionellen Feminismus auch nicht glauben, es gäbe da ein einfaches Dreiecksverhältnis zwischen Sohn, eigenem Vater und dem heiligen Geist des Vaters. Das vernachlässigt, die Rollen der vielen eingebildeten Mütter und der eigenen Mutter, deren Trachten darin besteht, die woke Verwirrung des Sohnes als Folge des Versagens des eigenen Vaters zu definieren. Sie finden unzählige Beispiele, echte und eben vor allem eingebildete, wie es sich für die wogende woke Masse der eingebildeten Mütter gehört. In Wahrheit sind die eingebildeten Mütter die heimlichen Feindinnen der Kinder der eigenen Mutter. Lillit grüßt! Kompliziertes Geflecht, das sich aus der Evolution ergeben hat, weil die Frau ja ihre Hütte mit ihren eigenen Kindern - oder falls sie keine hat mit ihren eingebildeten Kindern - nicht im luftleeren Raum hat, sondern immer in erbitterter Konkurrenz zu den Nachbarmüttern ist, auf die sie aber andererseits auch angewiesen ist. Das verweigert sich einer klaren intellektuellen Beschreibung, weil es mäandert und changiert, wie Perlmutt. Also ich vermute, der Sohn leidet eigentlich viel mehr unter seinen vielen Müttern, als unter dem eigenen Vater, aber weil nicht sein kann, was nicht sein darf, muss man ihm einen “Geist des Vaters” konstruieren, der - als Analogie zur jungfräulichen Geburt - rein ist, so wie es sich die Mütter in ihren widerstrebenden Interessen vorstellen. Das ist der ultimative Kontrast zur moralischen Verderbtheit des eigenen Vaters, der sein Leben nicht auf die Reihe bringt. Ganz verloren sind Kinder (Söhne und Töchter), deren eigene Mutter in blubberbder Einheit mit allen Müttern der Welt, den eigenen Vater auf seine Grundfunktion als Quelle von Geld, Nahrung, Wohnung und Heizung herunterbricht. Trotz dieser wohltuenden Vereinfachung gerät sowohl der eigene Vater, als auch eine Generation später der Sohn bei Wohnung, Heizung, Nahrung unter den Druck der Welterhitzung durch CO2.

Hans-Joachim Gille / 08.11.2023

Jordan Peterson ist ein großer Mann. Tragisch ist nur, daß Er nicht säkular auftritt & Sein ganzes Werk öffentlich mit einem primitiven Hirtenkult versaut, den kein vernunftbegabter Zuhörer für voll nehmen kann. Religionen sind gefährliche geistige Viren, die sich im Hirn festsetzen & fast unheilbar sind. Leider ist Jordan Peterson befallen. Wünschen wir Ihm gute Besserung.

A. Ostrovsky / 08.11.2023

Ich denke, da sind Missverständnisse vorprogrammiert: >>Wenn ein Vater einen Sohn hat, dessen moralische Erziehung seine eigene übertrifft, kann dies, sofern Liebe noch vorhanden ist, ein zwingender Beweis dafür sein, dass er sein eigenes Leben auf die Reihe bekommen sollte.<<  Gerade heute, unter den Bedingungen des globalen psychologischen Krieges, der auch vor allem die Generationen spaltet, wird sich folgende Situation einstellen: Der woke Sohn, der ungebremsten Zustrom von Islamisten und IS-Kämpfern ohne Dokumente auch mit Gewalt durchzusetzen bereit ist, hält sich natürlich für den mit der überragenden moralischen Erziehung. Falls der eigene Vater diesen Höhenflug aus Gründen der Vernunft nicht mitgeht, wird der moralische Sohn alle Möglichkeiten nutzen, den Vater von der Verderbtheit dessen Moral zu überzeugen. Das “woke” Element ist ja das aggressiv missionierende. Parallel könnte der Sohn ein radikaler Gegner jeder Religion sein, die nur irgendwie eben bei der Gewaltreligion des Kalifats nicht als Religion erkannt wird, sondern als Folge sozialer Benachteiligung durch die Schuld des alten weißen Mannes. Das ist der Moment, vermute ich, wo sich auch “der Geist des Vaters” in Hass und Feindschaft auflöst. Und als Tüpfel auf dem I, könnte der Sohn zwar die Hilfswürdigkeit der gescheiterten Islamisten verinnerlicht haben, aber gleichzeitig (theoretisch und plakativ) fest an der Seite Israels stehen und in der mangelnden Begeisterung des eigenen Vaters fortgesetzt Antisemitismus erkennen und - weil das ja immer miteinander gleichzeitig auftritt - auch Antiamerikanismus. Dann ist auch noch das heldenhaft kämpfende Ukrainische Volk… Ich befürchte, das könnte den Teilsatz “sofern Liebe noch vorhanden ist” auf eine harte Probe stellen. Aus der Sicht des Sohnes wäre das vermutlich dann das als “Siegmar Gabriel Trauma” bekannte Geschehen, wo dann beim Sohn auch der “Geist des Vaters” abhanden kommt. Im Schach nennt man das Patt. Nichts geht mehr.

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