Jordan B. Peterson, Gastautor / 22.11.2017 / 06:07 / Foto: pixabay / 5 / Seite ausdrucken

112-Peterson: Können Linke und Rechte kommunizieren?

Von Jordan B. Peterson.

Frage aus dem Publikum: „Können Linke und Rechte überhaupt sinnvoll miteinander kommunizieren? Und ich frage mich, ob Sie ein bisschen etwas über Temperament und Mentalität sagen können und die diesbezüglichen Unterschiede?“

Antwort: So läuft das in einer Demokratie. Sehen Sie: Die Linken legen sehr viel Wert auf Offenheit und wenig Wert auf Gewissenhaftigkeit. Und das bedeutet, dass sie Verantwortung nicht so sehr mögen. Aber sie sind verdammt kreativ. Und sie sind nicht sehr ordentlich, in ganz besonderem Maße sind sie nicht ordentlich; das ist übrigens ein Teil der Gewissenhaftigkeit. Also sind sie gut darin, Künstler zu sein und Unternehmer zu sein, aber sie sind schrecklich darin, Dinge zu lenken und am Laufen zu halten.

Auf der anderen Seite haben wir die Konservativen. Die haben ein Defizit bei der Offenheit, bei der Eigenschaft Kreativität. Das heißt übrigens nicht, dass sie dumm sind. Es bedeutet lediglich, dass ihr Denken nicht so frei ist, so könnte man das ausdrücken. Es ist also in höherem Maße eingeschränkt. Und sie sind sehr gewissenhaft, vor allem sind sie ordentlich. Also verdammt gut darin, Dinge am Laufen zu halten, die schon funktionieren.

Also braucht man die Linken. Es gäbe keine große Offenheit und wenig Gewissenhaftigkeit, wenn es dafür keine Nachfrage gäbe. Und Sie brauchen die Konservativen, denn manchmal haben die Linken recht, wenn sie sagen, dass Grenzen offener sein sollten, weil das ihre grundlegende Behauptung ist, und manchmal haben die Konservativen recht, wenn sie sagen, dass die Grenzen zwischen den Dingen geschlossener sein sollten.

Die Alternativen zum Reden heißen Sklaverei oder Tyrannis

Weil sie manchmal beide Recht haben und weil die Rahmenbedingungen sich immer wieder verändern, müssen Sie ständig einen Dialog zwischen den beiden Quellen führen, damit das Gemeinwesen sich daran orientieren kann, wie sich die Rahmenbedingungen ändern.

Und deshalb brauchen wir freie Rede. Linke und Rechte kommen gut miteinander aus, solange sie miteinander reden können. Aber sobald sie nicht mehr miteinander reden können, was ist dann die Alternative? Es gibt nur eine, oder besser zwei Alternativen, ganz simpel: Die eine ist Sklaverei, die andere Tyrannei. Diejenigen, mit denen du nicht verhandeln kannst, werden also entweder deine Sklaven oder deine Tyrannen. Wenn du die freie Rede auslöschst, dann ist es das, was schlussendlich dabei rauskommt.

Und deshalb ist Redefreiheit nicht nur ein weiteres Recht, um Himmels willen, nicht nur ein weiteres Recht! Wie blöd muss man sein, das zu denken? Wer das denkt, hat keine Ahnung. Hier geht es um den Mechanismus, mit dem Menschen unterschiedlicher Meinungen miteinander reden, anstatt sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen.

Aber wenn Sie wollen, dass sie sich gegenseitig an die Gurgel gehen, was ja sein kann – im Ernst: kann ja sein, dass Sie das wollen – dann nehmen Sie den Menschen das Recht, ihre Meinung zu äußern und schauen Sie dabei zu, wie das Ganze den Bach runtergeht und reiben Sie sich die Hände. Vielleicht ist es ja genau das, was ein großer Teil von Ihnen will.

Dieser Beitrag ist ein Ausschnitt aus dem Vortrag „Part 3/3: Freedom Of Speech/Political Correctness: Q & A“. Hier geht’s zum Original-Vortrag auf dem Youtube-Kanal von Jordan B. Peterson.

Foto: pixabay

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Leserpost

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Martin Landvoigt / 22.11.2017

Was den Pluralismus, Redefreiheit und Dialog angeht: Volle Zustimmung. Aber die Klischees über rechts und links treffen nicht zu. So wie es progressive und kreative Rechte gibt - z.B. die Identitären - gibt es auch linke Erbsenzähler, die eher konservativ linke ‘Errungenschaften’ verteidigen. Konservative Bürgerliche grenzen sich auch gerne von rechten Nationalisten ab. Unter den Rechten gibt es solche, die wirtschaftspolitisch den Linken eher nahe stehen, wie z.B. der Front National. Oder andere ‘rechtsgerichtete’ wie die AfD, die eher wirtschaftsliberal ist. Ich denke, die Etikettierungen und falsche Dichothomien einer der Gründe sind, wrum Dialoge oft nicht funktionieren. Man denkt in Schubladen, Schlagwörter und Kategorien, anstelle den Menschen zuzuhören und auf das was sie sagen zu reagieren.

Wilfried Cremer / 22.11.2017

Dieser Peterson nimmt hier nur Platz weg. Da kommen nur Binsen, und die nicht mal hübsch verpackt. Oder soll hier das Vorurteil des oberflächlichen Neuweltlers geschürt werden?

Martin Stumpp / 22.11.2017

Genial einfach genial. So habe ich es noch nicht gesehen. Einfach, logisch und schlüssig dargelegt!

Marcello di Simone / 22.11.2017

Ich würde vorschlagen, das Wort „Unternehmer“ (entrepreneur) im zweiten Absatz, in Bezug auf die Linken, eher mit „Existenzgründer“ zu übersetzen, was meiner Meinung nach auch so von J. Peterson gemeint war, da Unternehmer in diesem Kontext viel mehr dem Bild eines „Erhalter des Bestehenden“ entspricht und somit genau das Gegenteil eines Linken beschreibt.

Thomas Nuszkowski / 22.11.2017

Wir müssen reden. Also, die Linken stehen auf Offenheit? Redefreiheit ist eine Form der Offenheit und wird von den Linken als erstes bekämpft und einkassiert. Daher scheinen mir die Linken in erster Linie an Tyrannei und nicht an Offenheit interessiert zu sein. Das Foto passt gut. Da stehen die Auf-Rechten und halten die Linken in Schach.

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