112-Peterson: Die meisten Ideen sind falsch

Fast alle Ideen sind falsch. Es spielt keine Rolle, ob es die eigenen oder die Ideen von jemand anders sind, sie sind wahrscheinlich falsch. Selbst wenn sie uns mit ganzer Kraft treffen, ist es unsere Aufgabe, zuerst anzunehmen, dass sie wahrscheinlich falsch sind, und sie dann mit allem, was wir auf Lager haben, anzugreifen. Und herauszufinden, ob sie dem widerstehen können.

Beim Lesen des Kommunistischen Manifests musste ich an etwas denken, das Carl Gustav Jung geäußert hat. Er beschrieb das typische Denken und zwar dergestalt, dass es sich dabei um das Denken von Menschen handelt, die nicht im Denken geschult sind. Er sagte, dass wenn der typische Denker einen Gedanken hat, wird ihm dieser gewahr, wie ein Objekt in einem Raum. Der Gedanke erscheint und er akzeptiert ihn einfach als wahr. Er macht nicht den zweiten Schritt, der darin bestünde, über das Denken nachzudenken, das eigentliche Wesen des kritischen Denkens.

Das ist das, was man versucht, den Studenten an der Universität beizubringen, nämlich, einen Text zu lesen und kritisch darüber nachzudenken. Nicht um den Nutzen des Textes zu zerstören, sondern um die Spreu vom Weizen zu trennen.

Dies ist ein Auszug aus einem Streitgespräch zwischen Jordan B. Peterson und Slavoj Zizek. Hier geht's zum Auszug und hier zur gesamten Diskussion.

Foto: jordanbpeterson.com

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H.Roth / 19.02.2020

@ Frau Dietzel, ich kann mir durchaus vorstellen, dass Sie auf meinen Kommentar Bezug nehmen. ;-) Sollte es so sein, möchte ich zumindest erklären, daß nach meiner Auffassung ein fester Bezugspunkt Dialektisches Denken keineswegs ausschließt, sondern erst recht ermöglicht. Selbst Kolumbus hatte einen Kompass an Bord. Wer ohne Orientierungshilfe unterwegs ist, merkt nicht einmal, dass er im Kreis herum irrt. Mathematisch gesehen,  muss man gewisse Grundlagen kennen, um ein Ergebnis als richtig oder falsch erkennen zu können. Der Humanist klammert eine moralische Deutungshoheit, die außerhalb des Menschen liegt, von vornherein aus, der Christ stellt diese dagegen allem voran. Es ist letztendlich das Vorzeichen, das vor der Klammer steht, dass über das Ergebnis entscheidet. Ich gehe natürlich davon aus, dass es sich beim Dialektischen Denken nicht nur um einen Ping-Pong-Zeitvertreib handelt, sondern um zielorientiertes Denken, das Menschen weiter bringt.

E Ekat / 19.02.2020

Da die meisten Ideen falsch sind, man eine Gesellschaft aber dennoch irgendwie lenken muß ist Demokratie eine zwar schwerfällige, letztlich jedoch die einzige Möglichkeit, diesem Lenkungs-erfordernis bei allen Irrtümern erfolgreich nachkommen zu können. Dies geschieht also nicht dadurch, daß man der richtigen Idee zur Macht verhilft, denn das ist - wie gesagt - unmöglich.  Es vollzieht sich dadurch, daß man durch Wahlen wechselnde Mehrheiten ermöglicht welche,  an der Macht, die falschen Ideen und Zielsetzungen korrigieren können.  Nur so geht Demokratie !  Sie funktioniert also nicht, wenn Teile einer Gesellschaft andere Teile von der Macht ausschließen. Dann ist Korrektur durch Wahl nicht mehr möglich. Die Herrschaft falscher Ideen werden somit zum unabwendbaren Schicksal.

Michael Mertens / 19.02.2020

Ich stimme dem nur teilweise zu. Es gibt Akademiker, die Vegetariere sind und die sind davon überzeugt, dass der Menschheit mehr Nahrung zur Verfügung stände, wenn alle Vegetarier werden würden. Die Tatsache, dass Tiere mit den Abfällen aus der Nahrungsmittelproduktion gefüttert werden, wird ignoriert (Heu Stroh, Spelzen von Getreidekörnern, zu Tierfutter verarbeitete Schlachtabfälle…). Die Tatsache, dass man nicht auf allen Flächen Ackerwirtschaft betreiben kann, z.B. weil sich der Boden nicht eignet oder weil zu wenig Wasser vorhanden ist oder weil es zu kalt ist, wird ebenfalls großzügig ignoriert. Ein Argument ist, dass ohne Tierzucht kein Soja mehr angebaut würde, was falsch ist. 85-90% der jährlichen Sojaernte wird zu Sojaöl verpresst, lediglich die festen Sojareste aus der Presse werden an Tiere verfüttert. Solche Argumente werden ebenfalls ignoriert. An Vegetariern kann man die konsequente Denkverweigerung trotz vernünftiger Ausbildung oder akademischer Ausbildung gut beobachten. Es ist nicht der Fall, dass diese Menschen NICHT denken KÖNNEN. Sie WOLLEN NICHT denken. Sie verweigern dies, weil ihre Ideologie ihnen erlaubt, sich anderen Menschen moralisch und intellektuell überlegen zu fühlen, und das wollen sich nicht aufgeben. Das Leben ist kompliziert und einige machen es sich zu einfach. Herrn Peterson, dessen Artikel und Interviews ich sehr schätze, auch wenn ich ihm nicht immer zustimme, sei ans Herz gelegt, sich mal mit Nicht-akademisch vorbelasteten Menschen auseinanderzusetzen. Vegetarier-Foren können da sehr aufschlussreich sein. Und das an Unis noch das Denken gelehrt wird, wage ich nach der Bologna-Reform ernsthaft zu bezweifeln. Da zählt nur noch Anpassung: Inklusion, Flüchtlinge, Vegetarismus, Islam, Merkel = gut. Wer das auch nur hinterfragt oder bezweifelt = Nazi.

Gudrun Dietzel / 19.02.2020

Ich finde es sehr interessant, daß sich ein Kanadier kritisch mit der Denkschule Nordamerikas auseinandersetzt, die ja im wesentlichen lautet: Jeder hat recht in seinem Denksystem. Mich hat diese Theorie vor 30 Jahren beeindruckt. Wenn ich mir heute die erschreckende Denkunfähigkeit, insbesondere unter den jungen, von den Schulabschlüssen her, durchaus Gebildeten anschaue, weiß ich: daher kommt‘s. Jeder hat recht, mit dem, was er von sich gibt. Und so sieht die Welt dann auch aus: Die Qualität an Universitäten unzureichend, Studenten mit großer Klappe und nichts dahinter, Kinder, die von Eltern, Lehrern und Politikern bis hin zur Kanzlerin unterstützt werden, die Schule zu schwänzen und so weiter. Wo hat meine Generation das Denken gelernt? Zuerst in der Familie. Glück hatte, wer kluge Eltern besaß, die ihre Kinder zu dem großen Vergnügen einluden, zu denken. Wir haben es in der Schule gelernt, ja, in der DDR gab es in den Ende 50igern und 60igern richtig gute Lehrer. Und uns hat man vor allem nicht erst an der Universität beigebracht, einen Text kritisch zu hinterfragen. Heute las ich hier auf der Achse den Kommentar eines Foristen, den ich durchaus richtig fand, aber am Ende führte er sein Gesagtes ad absurdum, weil er es sich nicht verkneifen konnte, den dialektischen Materialismus für alles Unheil zu bemühen. Lieber Freund, kann ich da nur sagen, großes Pech hatte wirklich derjenige, der nie mit Dialektik als Denkmethode in Berührung kam. Aber dann sollte er auch erst mal sein Gehirn einschalten, bevor er redet.

H.Roth / 19.02.2020

Der erste Impuls ist wohl immer das spontane Abgleichen einer neuen Idee mit bereits verinnerlichen Werten. Schritt 2 kann für ungeübte Denker zu einem Überlebenskurs in unbekanntem Terrain werden. Das Hinterfragen der Idee führt konsequenterweise zum Hinterfragen des eigenen Standpunktes und darin liegt die Gefahr, Dinge so weit zu relativieren, bis man völlig verwirrt ist. Ich bin davon überzeugt, dass es eine Wahrheit gibt, die nicht relatvierbar ist,  und das ist Gottes Wort, die Bibel. Auf dieser Grundlage kann ich kritisch denken und vergleichen, ohne Schiffbruch zu erleiden. Denn ich weiß, dass der Fels auf dem ich stehe, sich seit Jahrtausenden, gegenüber einem tobenden Meer neuer Ideen, bewährt hat.

Peter Holschke / 19.02.2020

Beim Manifest? Beim Manifest? OMG. Hier kann man schon mal ansetzen. Jemand denkt über den Inhalt des Manifestes nach und genau damit verleiht er dem Manifest bereits Legitimation und sitzt in der ersten Falle.  Die Möglichkeit, dass das Manifest bereits von der Form her pure Obstruktion und der Inhalt damit bereits ohne jede Legitimität ist, geht bereits völlig unter. Man braucht auch nicht über den Inhalt einer Lüge zu debattieren, weil nur die Tatsache der Lüge selbst relevant ist. Jede inhaltliche Debatte über den Inhalt der Lüge kann zwar Widersprüche aufzeigen, ist aber kein Beweis für die Lüge selbst, allenfalls für deren mangelnden Wahrheitsgehalt. Der Lügner vermag sich somit hinter seiner Lüge zu verbergen. Und ...Dada… ein famoser Karl Marx erscheint plötzlich als “selbst-los”. Die Aufdeckung von Wahrheiten gibt keine Auskunft darüber, ob jemand böse oder nur dumm ist. Die kritische Hinterfragung eines Gedanken ist demnach an die kritische Hinterfragung der Quelle des Gedankens gebunden. Das ist der Kontext, welcher den Gedanke trägt und nicht der Gedanke selbst. Insofern steht nie der Gedanke in Frage, sondern der Kontext. Wer das nicht beachtet, wird sich immer nur im Kreis drehen und seinen Gedanken immer nur bestätigen. Auf diese Weise gerät man in ein wahnhaftes Glaubenssystem, man wähnt und glaubt etwas, was womöglich einer Manipulation von Außen unterlegen ist. Genau diesen Aspekt muss man kritisch beleuchten, was Fanatiker nie machen und womit sie sich von Abhängigkeit begeben und auf ständigen Support angewiesen sind.

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