11. Gebot: „Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen!“

Christliche Groß-Events wie „Kirchentage“ werden aus Steuergeldern mit Millionen großzügig subventioniert. Warum eigentlich? Gibt es nicht das Verfassungsgebot der Trennung von Staat und Kirche?  

Alle Jahre wieder findet hierzulande ein Kirchentag statt, immer im Wechsel, mal ein katholischer, mal ein evangelischer – und immer in einer anderen Stadt. Das Ganze hat Event-Charakter, es gibt Musik, Tanz, gemeinsames Gebet und jede Menge Vorträge über Gott und die Welt. Ein straff organisiertes Himmels-Festival mit Zeltlager-Flair. Diesmal trifft sich das Gottes-Volk  in Nürnberg, zum 38. Evangelischen Kirchentag.

Der Freistaat Bayern unterstützt mit 5,5 Millionen Euro die Kirchen-Veranstaltung großzügig. Bei der symbolischen Scheckübergabe im Heimatministerium in Nürnberg sagte Ministerpräsident Söder, es sei eine Freude, dass der Kirchentag zum zweiten Mal nach 1979 in Nürnberg stattfinde. „Evangelisch is coming home, sozusagen…”, so der CSU-Mann im Marketing-Jargon. Weitere drei Millionen Euro gibt es aus dem städtischen Haushalt der Franken-Metropole, die darüber hinaus den Kirchentag auch mit Sachleistungen,wie dem Bereitstellen von Veranstaltungsorten in Höhe von etwa einer Million Euro unterstützt. Dass die Stadt Nürnberg mit einem Schuldenstand von 1,9 Milliarden Euro aktuelle Schuldenkönigin in Bayern ist, darf hier kurz angemerkt werden.

Die Veranstalter, an der Spitze Ex-CDU-Innenminister Thomas de Maizière, der diesmal als Präsident des Kirchentags fungiert, sind hoch erfreut. Der Mann, einst zuständig für Sicherheit und Ordnung, jetzt für Glaube und Hoffnung, bedankte sich für den staatlichen und städtischen Geldsegen ­– denn dies, so de Maizière, sei nicht selbstverständlich in Zeiten, in denen die Bedeutung der Kirche abnehme.  

Wie recht er hat! Die Kirchen leiden in Deutschland zwar unter Mitgliederschwund, ihnen laufen die Schäfchen davon. Allein 2021 waren es 640.000 Menschen. 280.000 evangelische und 360.000 katholische. Seit Frühjahr 2022 befindet sich in Deutschland erstmals seit Jahrhunderten keine Mehrheit der Menschen mehr im Schoß der beiden großen Kirchen. Doch mit satten staatlichen Geldzahlungen und Subventionen darf die Kirchen-Lobby weiterhin rechnen, trotz dramatischer Haushalts-Defizite und klammer kommunaler Kassen. In Nürnberg hat sich der Bund für Geistesfreiheit (bfg) Bayern in einem Schreiben an die Fraktionen im Nürnberger Stadtrat gewandt, um gegen die finanzielle Unterstützung des Evangelischen Kirchentags zu protestieren. Nach Auffassung des bfg handelt es sich beim kommenden Nürnberger Kirchentag um eine innerkirchliche Veranstaltung, die vom Verein „38. Deutscher Evangelischer Kirchentag Nürnberg 2023 e. V.“ organisiert und durchführt wird. Aber „es ist nicht die Aufgabe der öffentlichen Hand beziehungsweise der Steuerzahler*innen, eine religiöse Großveranstaltung zu finanzieren", so ein Sprecher.  

Wofür wird das staatliche Geld eigentlich eingesetzt?

Auch wenn der Bedeutungsverlust unübersehbar ist, eine gesellschaftliche Debatte, ob Kirchentage weiterhin aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden sollen – also auch von Kirchenfernen, Andersgläubigen und Ungläubigen – findet nicht statt. Die Politik verteilt weiterhin großzügig Blankochecks. Dabei widerspricht die Kirchentagsförderung dem Grundgesetz: Laut Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes darf „niemand wegen seines Glaubens oder seiner religiösen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“. Die Millionengaben verletzen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Trennung von Staat und Religion. 

Dabei besitzen die Kirchen Milliardenvermögen. Allein die Kirchensteuereinnahmen der Evangelischen Kirche betrugen 2021 rund 5,994 Milliarden Euro.  Da bleibt die Frage: warum finanziert die Kirchen ihre PR-Veranstaltungen eigentlich nicht selbst? 

Die Kirche – auch so gehts – tritt nicht als Veranstalter auf. Die Organisation wird vom „Verein Förderung des Deutschen Evangelischen Kirchentags“ oder dem „Zentralrat der deutschen Katholiken“ übernommen. Dazu wird für jeden Kirchentag jeweils ein weiterer eigener Verein gegründet, der die öffentlichen Gelder erhält und verwaltet – und später wieder aufgelöst wird. Das hat viele Vorteile. Ein Vorteil: Kirchentage brauchen keine Abrechnung vorzulegen. Religionsgemeinschaften sind in Deutschlands nicht rechenschaftspflichtig. Landesrechnungshöfe dürfen sie nicht überprüfen. So bleibt intransparent, wofür das staatliche Geld eigentlich eingesetzt wird. Transparenz sieht anders aus. 

Relevante gesellschaftliche Veranstaltung oder Kirchen-PR-Event?

Nicht zum ersten Mal gibt es Diskussionen über die Finanzierung von Kirchentagen. In Düsseldorf hat sich die „Initiative Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA)“ vorgenommen, mit einem Bürgerbegehren gegen einen Beschluss des dortigen Stadtrates vom Juni 2022 vorzugehen.  Der Rat der Stadt hatte beschlossen, das Christentreffen mit mindestens 5,8 Millionen Euro zu unterstützen. Die Initiative, die für eine aufgeklärte und humanistisch orientierte Gesellschaft eintritt, will nicht den Kirchentag als solchen verhindern. Sie wendet sich aber gegen die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln. „Von mir aus können die Kirchen ständig ihre Kirchentage abhalten, sie sollen sie nur selbst bezahlen“, meint DA-Vorstand Ricarda Hinz. In einem ersten Schritt braucht 15.000 Unterschriften von Bürgern, die auch bei der Kommunalwahl wahlberechtigt wären. Wird dieses Quorum erreicht, besteht die Möglichkeit, den Beschluss mit einem so genannten Bürgerentscheid zu stoppen.

Die kirchlichen Veranstalter kontern: „Kirchentage sind gesellschaftlich relevante und nachhaltig wirksame Großveranstaltungen“. Gefördert würden sie, weil sie mit ihren Zielen in Bezug auf gesellschaftliche Dialogräume, interkulturellen Austausch und Partizipation einem breiten öffentlichen Interesse dienten. Und sie weisen immer wieder darauf hin, dass sie nicht nur ihre Kirchenmitglieder ansprechen, sondern einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs über ethische und politische aktuelle Fragen ermöglichen wollen. Das Event sei somit ein Katalysator für bürgerschaftliches Engagement.

Wenn man allerdings, wie zuletzt beim Katholikentag in Stuttgart, nur noch 27.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreicht, von denen viele ehren- oder hauptamtliche Helfer waren, wird der Rechtfertigungsdruck nicht geringer. Und das in einer Zeit, in der die Kirchen sich ohnehin in einer Krise befinden und sowohl die Kirchensteuer als auch die immer noch gezahlten Staatsleistungen von aktuell rund einer halben Milliarde Euro pro Jahr. Über 10 Millionen Euro hatte das Stuttgarter Kirchen-Event gekostet, 4,35 Millionen Euro davon – und damit etwa 40 Prozent der Gesamtkosten – kamen aus öffentlichen Geldern. Mit 241 Euro pro Besucher erhielt der Stuttgarter Katholikentag eine absurd hohe Förderung. 

Der Staat muss weltanschaulich neutral sein

Von der Kirchenlobby war den öffentlichen Geldgebern die Finanzierung mit den üblichen Argumenten schmackhaft gemacht worden: der vermeintlichen gesamtgesellschaftlichen Relevanz…

Nein, wir wollen das gesellschaftliche Engagement vieler religiöser Kirchentags-Besucher nicht infrage stellen, Allerdings engagieren sich – darauf weisen die Düsseldorfer Aufklärungs-Aktivisten hin – ebenso auch religionsfreie, andersgläubige und ungläubige Menschen in unserem Land. Sie erhalten keine auch nur annähernd vergleichbare finanzielle Unterstützung. Politikerinnen und Politiker in Deutschland sollten endlich umdenken: Die absurd hohen Fördersummen sind mit einem weltanschaulich neutralen Staat nicht zu vereinbaren! In unserer Verfassung steht: „Es besteht keine Staatskirche“. 

Es ist das gute Recht gläubiger Menschen, Kirchentage und sonstige klerikale Spektakel durchzuführen. Wir leben in einer Demokratie. Aber der Staat sollte nirgendwo als Finanzier auftreten, allenfalls als Gast. Polit-Prominenz lässt sich – „als Christenmensch“– parteiübergreifend gerne auf Kirchentagen sehen, kaum ein Podium oder ein Diskussions-Forum findet ohne sie statt. Auch für die temporäre Präsidentschaft stehen ehemalige und amtierende Politikerinnen und Politiker gerne „ehrenamtlich“ zur Verfügung. Die grüne Politikerin Katrin Göring-Eckardt, heute Bundestags-Vizepräsidentin, war von 2009 bis 2013 Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Parallel auch Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2011. Als Privatperson mag sie in der Kirche „Trost und Heimat“ finden – als Parlaments-Repräsentantin aber steht ihr Doppelengagement exemplarisch für eine kritikwürdige Komplizenschaft von Kirche und Staat. 

Das Motto des Nürnberger Kirchentages lautet „Jetzt ist die Zeit“. Ja, Zeit für die Beendigung von Millionen-Subventionen für Kirchentage und sonstige Gottes-Events, möchte man kontern.  Kommende Kirchentage sind bereits terminiert: 2024: Erfurt, 2025: Hannover, 2026: Würzburg, 2027: Düsseldorf. Ob katholisch oder evangelisch: Vielleicht sollte ein Motto allen vorangestellt werden. Das 11. Gebot: „Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen“.

Foto: Illustration Rudolf Wildermann

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Leserpost

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Heiko Stadler / 02.04.2023

“Polit-Prominenz lässt sich ... parteiübergreifend gerne auf Kirchentagen sehen”. Diese Aussage ist falsch. Die Kirchentage sind Propaganda-Veranstaltungen der grünen Ideologie. Deshalb sind auch nur Politiker der Sozialistischen Einheitspartei CDUCSUSPDFDPGrüneLinke als Redner zugelassen. Auf dem Evangelischen Kirchentag im Juni 2019 wurden Redner der Opposition, also der AfD, nicht zugelassen.

Ludwig Luhmann / 02.04.2023

Apropos Söder und T. de Maizière: Thomas ist aktives Mitglied im WEF und Söder war mindestens einmal dort eingeladen und war auf seinem Facebook- oder Twitteraccount ganz hin- und weggerissen von seinem Besuch beim WEF. - Die beiden Kirchen mit ihrer Nächstenverachtung und halalen Fernstenliebe können mich ... Sie wissen schon ...

Michael Neus / 02.04.2023

Da es eh bald keine Gläubigen mehr gibt, muss der Staat ja einspringen…Vorsicht Ironie.. Wer seinem Staat bei einer Seuche zu tief in die Löcher kriecht, hat halt ausgedient… Amen

A.Schröder / 02.04.2023

Kirchentag selber zahlen. Kommt diese Einsicht nicht reichlich spät? Zweitausend Jahre zu spät.

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