Vera Lengsfeld / 03.05.2017 / 15:00 / 4 / Seite ausdrucken

1.Mai-Demos: Friede, Freude, Fahnenstange

Es sei überwiegend „friedlich“ gewesen am 1. Mai, freuen sich Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD)  und Polizeipräsident Klaus Kandt. So lauten auch viele Überschriften, von „kleinen Tumulten“ war die Rede. Verletzte und mit Fahnenstangen attackierte Polizeibeamte, Rauchgasgranaten, brennende Autos illustrierten gleichsam die Friedlichkeit. Es hätte ja, angesichts der für den G20-Gipfel angekündigten Militanz, viel schlimmer kommen können. Man ist einigermaßen baff darüber, wie sich in den letzten Jahren die Maßstäbe verschoben haben. Was vor ein paar Jahren noch als gemeingefährliche Krawalle geahndet worden wäre, gilt inszwischen als Ausdruck bürgerlicher Friedfertigkeit.

Es waren ja "nur" 5.400 Polizisten im Einsatz, weniger als im Vorjahr.  Es gab „nur“ über 40 Festnahmen. Die Anzahl der verletzten Beamten findet sich in den Berichten nicht. Tom Schreiber (SPD), Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, der sich konsequent gegen Extremismus, auch von links einsetzt, wurde attackiert, blieb aber unverletzt. Ein Hoch auf die Friedfertigkeit!

Das Besondere war, dass die „Revolutionäre 1. Maidemo“ diesmal nicht angemeldet war. Das hatten sich die Organisatoren wohl als besonderes Schmankerl für den 30. Jahrestag der linksradikalen Krawalle ausgedacht. Sie durften sich trotzdem im Namen der „Deeskalation“ ungehindert im Schutz der „Myfest“- Besucher am Oranienplatz formieren. Innensenator Andreas Geisel (SPD) verteidigte die Entscheidung, die Demonstration trotz verweigerter Anmeldung zu tolerieren. „Die Polizei ist der Garant des Versammlungsrechts. Das gilt auch für linksextreme Gruppen.” Ein solcher Satz käme Geisel in Bezug auf Rechtsextremisten selbstverständlich nicht über die Lippen. Der Innensenator missachtet, ganz  nach Kanzlerinnen- Art, die Gesetze, deren oberster Hüter er sein sollte. Erst als die „Aktivisten“ immer gewalttätiger wurden, Flaschen auf die Polizisten warfen, sie mit Fahnenstangen attackierten, Rauchbomben und andere Pyrotechnik zündeten, wurde der Zug von der Polizei „begleitet“. 

Wenn man sich die Bilder ansieht, die BZ oder Tagesspiegel veröffentlicht haben, oder die Kurzvideos auf Youtube, sieht das Ganze eher nach Bürgerkrieg, jedenfalls sehr martialisch aus. Es ist eben alles nur eine Frage des Blickwinkels. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen jegliches Vertrauen in Politik und Medien verlieren.

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Leserpost

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Christina Christiansen / 03.05.2017

nun, dort, wo Gegenwehr erwartet wird, hält sich die “Ordnungsmacht” halt vornehm zurück. Parken Sie einmal Nachts um 1/2 2 Uhr kurzfristig in einer Zehlendorfer Sackgasse - der Strafzettel wegen Behinderung des fließenden Verkehrs ist Ihnen gewiss - wohingegen nicht nur an Markttagen die Urban- nebst Nebenstraßen in Neukölln flächendeckend in 2. Spur zugeparkt wird, ohne dass sich ein Straßenscheriff blicken lässt - es bstünde ja die Möglichkeit, dass innerhalb von Sekunden ganze “Dorfgemeinschaften” die Aushändigung eines Strafzettels verhindern würde wollen und die zum Schutz angeforderte Hundertschaft angefordert würde doch in Dahlem eher gebraucht werden, um einer Hochbetagten, die ihren Zwergpudel unangeleint mit sich führt, zu maasrgeln. Wenn das Nichteinhalten von Gesetzen und Verordnungen nur nach Gusto bzw. nach politischer Ausrichtung oder wegen nicht erwarteter Gegenwehr sanktioniert wird, könnte sich ein Gefühl von Wut bei denjenigen breitmachen, die brav ihre Steuer zahlen, Müll in vorgesehene Behältern entsorgen und das Wort Rücksicht nicht für eine vegane Wurst halten. Merke Steuern hinterziehen ist gesellschaftlich geächtet und wird maasvoll genauso geahndet, wie Falschparken und Nichtangepasster Geschwindigkeit, wohingegen Totfahren, Tottreten, Rudelvergewaltigen und Ähnliches maasvoll mit Bewährungsstrafen belohnt wird, sofern Freisprüche wegen kerngesunder Zeugen, die nicht schon in jungen Jahren an Vergesslichkeit leiden, unmöglich erscheint.

Andreas Spors / 03.05.2017

Mir ist in der Vorberichterstattung in den öffentlich rechtlichen Medien bereits aufgefallen, dass die im Zusammenhang mit den am ersten Mai stattfindenden Demonstrationen in Berlin, die regelmäßig zu Krawallen ausarten, die Terminologie der Täter Verwendung findet. Es handelt sich inzwischen offenbar um die “traditionelle revolutionäre Maidemo”, was der Veranstaltung auch im offiziellen Sprachgebrauch etwas liebenswert folkloristisches verleiht. Dass eine genehmigungspflichtige Veranstaltung, deren Genehmigungseinholung bewusst unterbleibt diese mindestens zu einer herbeigeführten Ordnungswidrigkeit, aus deren Mitte heraus Straftaten begangen werden keinen “Veranstalter” sondern bestenfalls Rädelsführer haben kann ist auch Ihnen, liebe Frau Lengsfeld, nicht aufgefallen. Ich gebe zu, dass die terminologische Linksgewaltverharmlosung auf allen Kanälen die Sensibilität diesbezüglich heraufsetzt. An der Form erkennt man oft den Inhalt.

Karla Kuhn / 03.05.2017

In der DDR waren die 1. Mai Feiern verlogene Veranstaltungen. Hat sich daran etwas geändert ?  “Es ist eben alles nur eine Frage des Blickwinkels. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen jegliches Vertrauen in Politik und Medien verlieren.”  Sehr traurig !!

Gernot Bruns / 03.05.2017

Liebe Frau Lengsfeld - es gibt keine linke Gewalt - das ist amtlich: Voller Stolz verkündete die niedersächsische Landesregierung in Form der grünen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz in dieser Woche die Eröffnung eines Beratungszentrums gegen rechte Gewalt, Hass und das Übliche in Hannover (Oldenburg soll folgen). Gäbe es “linke Gewalt” so gehe ich davon aus, dass es in Niedersachsen auch ein Beratungszentrum hierfür gäbe (Göttingen würde sich ja eigentlich aufdrängen….).

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