Ansgar Neuhof / 15.09.2016 / 20:00 / Foto: Alvesgaspar / 5 / Seite ausdrucken

Zukunftsreport Familie – die nächste Nonsens-Studie

Von Ansgar Neuhof.

In Deutschland jagt eine Nonsens-Studie die andere: von der Märchenstudie der Kölner Volontäre zu Politiker-Lügen über die Quatsch-Studie der Universität Leipzig zu Rechtsextremismus in der gesellschaftlichen Mitte bis zur neuesten Studie des Prognos Instituts im Auftrag des Bundesfamilienministeriums über Familienarbeitszeit mit dem Titel „Zukunftsreport Familie

In der Prognos-Studie (siehe Seite 54) wird stolz verkündet, daß sich das jährliche Haushaltseinkommen von Familien um 1.400 Euro von 2014 bis 2030 steigern ließe, wenn Eltern mehr arbeiten würden und die Erwerbsarbeitszeit zwischen Vätern und Müttern anders aufgeteilt würde als bisher. Um das zu erreichen, sei laut Studie mehr aktive Familienpolitik erforderlich. Und viele Medien sind wieder einmal kritiklos mit dabei (siehe zum Beispiel hier).

Jetzt soll es diesmal gar nicht um die Methodik gehen, sondern um das Ergebnis der Studie, egal wie dieses zustandegekommen sein mag. Um dieses Mehreinkommen von 1.400 Euro zu erzielen, müssen Eltern natürlich mehr arbeiten. Ist auch logisch: wer mehr arbeitet, verdient mehr. So viel Logik scheint dem Bundesfamilienministerium wesensfremd zu sein, braucht es doch für diese „bahnbrechende“ Erkenntnis eine teure Studie auf Kosten des Steuerzahlers.

Die Mütter müssen demnach ihre wöchentliche Arbeitszeit von 25,9 um 5,2 auf 31,1 Stunden erhöhen, die Väter „dürfen“ ihre wöchentliche Arbeitszeit von 41,5 um 2,6 auf 38,9 Stunden reduzieren. Zusammen erhöht sich also die Wochenarbeitszeit von Eltern um 2,6 Stunden. Da nicht jeder Monat gleich viele Tage hat, wird die Wochenarbeitszeit allgemein mit dem Faktor 13/3 multipliziert, um die Monatsarbeitszeit zu errechnen (bei einer 40-Stunden-Woche rechnet man also mit 173,33 Stunden monatlich). Bei 2,6 zusätzlichen Arbeitsstunden wöchentlich ergibt sich folglich eine monatliche Mehrarbeitszeit von 11,26 Stunden und eine jährliche Mehrarbeitszeit von 135,12 Stunden. Bei einem jährlichen Mehreinkommen von 1.400 € errechnet sich ein durchschnittlicher Stundenlohn von 1.400 Euro / 135,12 = 10,36 Euro. Immerhin netto und über Mindestlohn. Aber wohl nicht gerade als üppig zu bezeichnen dafür, daß man seine Kinder noch weniger sieht als ohnehin schon.

Wie sind diese 10,36 Euro pro Stunde einzuordnen? Hier hilft ein Blick in die Zahlen des Statistischen Bundesamts. Demnach betrug 2014 der Bruttostundenlohn von Männern 23,90 Euro und der von Frauen 18,90 Euro - was auch die Prognos-Studie auf Seite 49 zitiert. Der durchschnittliche Bruttostundenlohn für Männer und Frauen zusammen betrug laut Statistischem Bundesamt (S. 376) 21,90 Euro. Jetzt muß man den Bruttolohn naturgemäß noch auf einen Nettolohn herunterrechnen, um ihn mit dem oben ermittelten Wert von 10,36 Euro vergleichen zu können.

Da die Abzüge bei jeder Person unterschiedlich hoch sind, zum Beispiel je nachdem wie hoch das Einkommen ist und ob man alleinstehend oder verheiratet ist, gibt es - soweit ersichtlich - lediglich Modellrechnungen des Statistischen Bundesamtes, die zwischen ledig und verheiratet, kinderlos oder mit Kindern und auch noch zwischen altem Bundesgebiet und Beitrittsgebiet unterscheiden. Ein einheitlicher Durchschnittswert für alle existiert nicht. Die Ergebnisse für 2014 schwanken bei Personen mit Kind beziehungsweise Kindern zwischen 60,7 Prozent und 70,4 Prozent. Das heißt im Durchschnitt bleiben 60,7 Prozent bis 70,4 Prozent vom Bruttostundenlohn als Netto übrig. Bei einem Durchschnitts-Bruttotundenlohn von 21,90 Euro ergibt sich somit ein Durchschnitts-Nettostundenlohn von 13,29 Euro beziehungsweise 15,41 Euro.

Im Ergebnis erhalten also auf Basis der Annahmen von Prognos und Bundesfamilienministerium die mehr arbeitenden Eltern für ihre Mehrarbeitsstunden durchschnittlich einen geringeren Nettolohn (10,36 Euro) als er heute beträgt (zwischen 13,29  Euro und 15,41 Euro). Jedem, insbesondere jeder Frau (denn die sollen ja schließlich mehr arbeiten) ist es natürlich selbst überlassen, ob er bzw. sie mehr arbeiten möchte für ca. 20 bis 30 Prozent weniger pro Stunde. Aber Fortschritt, Emanzipation und Selbstverwirklichung ist dies gewiß nicht. Wem das egal ist, der kann die in der Studie als wünschenswert beschriebene, aber sich noch bis 2030 hinziehende Entwicklung ja forcieren und seinem Arbeitgeber sagen, daß er künftig mehr arbeiten will und diese Mehrstunden geringer bezahlt wissen möchte als seine bisherige Arbeitszeit. Den Arbeitgeber wird es sicher freuen.

Mehr Arbeit bei geringerem Stundenlohn als bisher. Das Bundesfamilienministerium als Kostendrücker für Unternehmen, dem Bürger „verkauft“ als aktive, Milliarden kostende Familienpolitik. Typisch SPD – ist man geneigt zu sagen, um sogleich zu wissen, daß die CDU mitmachen wird.

Ansgar Neuhof ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit eigener Kanzlei in Berlin

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Leserpost

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Helmut Driesel / 17.09.2016

Da wäre noch ein kleines Problem: Die gegenwärtig vorhandene Arbeit wird mit nur ca. 43 Überstunden im Jahr pro Beschäftigten erledigt. Aber das kriegen die deutschen Beamten in den Jobcentern sicher irgendwie hin.

Waltraud Borchert / 16.09.2016

Ideologie ist wieder einmal wichtiger als das Ergebnis. Rechnen konnten Sozialisten noch nie. Ministerin Schwesig will der Wirtschaft billige Arbeitskräfte zuführen, Das Kindeswohl ist ihr egal. 2,6 Stunden weniger Zeit für die Kinder, das ist ein Nachmittag pro Woche. Und das alles für weniger Lohn. Mütter wehrt euch!

Hermann Willaredt / 16.09.2016

Egal ob SPD oder CDU, beide sind im Rechnen so schlecht, wie sie im Massregeln gut sind.

TGMullinghem / 16.09.2016

Die Wirtschaftskompetenz in dieser Studie erkennt man schon daran, dass die Inflation nicht mitberechnet wurde. Bei einer von der EZB abgepeilten jährlichen Inflation von 2% wäre dieses Netto-Gehalt nämlich nur noch 75% wert (Und dieser Wertverfall um ein Viertel im Jahr 2030 ist noch das positivste Szenario). Wobei - möglicherweise steckt das ja doch in dieser Studie, wird nur nicht erwähnt. Das würde zu meiner Theorie passen, dass wir so inkompetente und charakterschwache Politiker haben, weil kompetente und charakterstarke Politiker den diversen “Interessen-Verbänden” ja einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Schwesig sah bei dieser Studie wahrscheinlich nur viele wirre Zahlen, aber in der Conclusio löste sich das Wirrwar in einem “dann wird alles besser” auf. Das fand sie toll.

Jacek Berger / 16.09.2016

Familien -und Kinderfreundlichkeit in Deutschland. Ich kann diesen Müll nicht mehr hören! Ich komme gerade aus dem Urlaub an der polnischen Ostsee. In jeder, auch so kleinen Ferienanlage mit nur 4-5 Bungalows gibt es einen super eingerichteten Kinderspielplatz mit Rutschen, Sandkästen, und vielen Spielzeugen. Das selbe an größeren Autobahnraststätten, sogar an manchen Tankstellen gibt es eine Spielecke für die Kleinsten. In Deutschland? Alles Fehlanzeige. Jedes zweite, junge polnische Paar ist mit Kinderwagen unterwegs. In Deutschland hört man von jungen Deutschen : “Kinder sind teuer” , obwohl das Durchschnittslohn in Deutschland um 2/3 höher, als in Polen ist. Dazu kommt noch kinder unfreundliche Politik die über Jahre betrieben wurde. Ich möchte hier nur aufzählen katastrophale Situation mit Kita Plätzen noch vor 10 Jahren und total unflexible Arbeitszeiten für Frauen mit kleinen Kinder. Aber was soll man anderes von Politik erwarten, wenn die zweit letzten Kanzler (Schröder und Merkel) kinderlos waren? Dafür bekommen die Deutschen aber Quittung. Die Zahl der “rein germanischen” Bundesbürger ( 2 Generationen deutsche Eltern ohne Migrationshintergrund) beträgt nicht mal 30 Millionen. Im Vergleich zu ca. 70 Millionen im Jahre 1939. Wenn es so weiter geht, dann wir es Deutsche Nation in 50 Jahren nicht mehr geben.

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