Zu den zahlreichen Angelegenheiten, die uns zu denken geben sollten, gehört auch der Umgang unserer politischen Klasse mit dem Begriff Geld. Ich meine nicht die Scheine, die wir uns in normalen Zeiten mehr oder weniger gut gelaunt gegenseitig aus der Tasche ziehen, ich meine das Geld an sich.
Wie diese Klasse Leute in biederen Zeiten hauszuhalten verstehen, ist uns allen längst bekannt, ob es sich nun um Vermächtnisse aller Art handelte, oder einfach nur um kreative Buchführung, wir haben es mitbekommen. Zeugen dafür sind seit Jahr und Tag auch die leeren Kassen, die regelmäßig mit Zukunftsmusik aufgefüllt werden. Das ist das wenig aufregende Tagesgeschäft, und dieses Tagesgeschäft galt bis gestern. Es galt als Pest und Cholera.
Bis die Krise der Finanzmärkte die Globalisierung abgelöst hat. Mit dieser Ablösung sind offenbar die letzten Schranken und noch ein paar weitere gefallen. Wenn man bisher, beim Einsatz nicht vorhandenen Geldes, den Anschein zu erwecken suchte, dass es zumindest Mittel und Wege gebe, doch noch zu diesem Geld zu kommen, so ist nun jeder Gedanke an eine tatsächlich vorhandene Geldmenge aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden.
Je weniger Geld da ist, desto höher die Summen, die man bereitstellen will. Als sei, zu unserer Entlastung, eine riesige Geldarmee Wenck im Anmarsch. Ein Politiker, der etwas auf sich hält, muss in diesen Tagen zumindest von Milliarden sprechen, die sein Ministerium, seine Partei und sein Jagdverein in den nächsten Wochen und Monaten ausgeben wollen.
Obwohl es einem wie eine Selbstberauschung vorkommen kann, wird dabei trotz allem eine erkennbare Hierarchie, die schon bekannte Hackordnung, eingehalten. Die höchste Summe steht auch jetzt dem amerikanischen Präsidenten zu, es ist die Billion. Im Großen und Ganzen ist alles noch im Lot. Racine ist zwar von Marivaux abgelöst worden, aber das ist ein Detail, das uns wohl kaum aus der Ruhe bringen wird, und schon gar nicht aus der Fassung.
Was aber verbirgt sich nun doch hinter dem pokerlautstarken Unsummenspiel? Ist es der Transfer des Inflationären ins Virtuelle, und damit in die bloße Verlautbarung? Bei einer klassischen Krise wird das Geld immerhin noch gedruckt, das heißt die getätigten Aussagen werden in Form von Zahlen aufs Notenbankpapier gebracht. Das ist heute anscheinend nicht mehr der Fall.
In der Form bleibt das Geld weiterhin stabil. Sie können ihren Fünfzigeuroschein, den sie soeben aus dem Automaten gezogen haben, zweimal umdrehen, ohne dabei etwas Verdächtiges zu entdecken. Es steht immer noch die Zahl fünfzig drauf. Aber vielleicht besteht gerade darin das Problem.
Vom Nennen der Zahlen erhofft man sich nicht zuletzt eine magische Wirkung. Zumindest für die Börse. Angeblich. Sie aber kommandiert ganz offen fiktive Armeen. Und das nicht erst seit der Finanzkrise.
Was ist nun die Politik unter solchen Umständen wert? Ist sie mehr als Geisterbeschwörung? Ein bisschen davon war sie ja immer schon, wird sie es jetzt aber ganz und gar?
Willkommen bei den Schamanen, Merkel und Steinmeier. Das Kabinettstück läuft. Dauer der Aufführung unbekannt. Ebenso die Regie. Wir sind ja nur die Rezensenten. Pardon.