Rainer Bonhorst / 14.08.2014 / 15:19 / 5 / Seite ausdrucken

Verstehe einer die Mathematikerinnen

Miryam Mirzakhani hat im Iran sehr erfolgreich Mathematik studiert. Und das als Frau. Im Land der Mullahs. Also in einem Land, deren Genderpolitik nach Berliner Maßstäben extrem verbesserungsfähig ist. Wenn es dort eine Frauenquote geben sollte, dann wohl eher eine mit negativen Vorzeichen. Die Idee, ein Drittel der Aufsichtsräte mit Frauen zu besetzen, würden die Mullahs als Teufelswerk verdammen. Und gibt es in Teheran überhaupt öffentliche Toiletten für Emanzipierte aller Art?

Wie konnte es Miryam Mirzakhami in diesem genderpolitisch unterbelichteten Land so weit bringen, dass sie in die USA eingeladen wurde, um an der Harvard-Universität ihren Master und Doktor der Mathematik zu machen?

Wie konnte es dieser armen Frau gelingen, sich aus dem iranischen Sumpf der Frauenunterdrückung so sehr zu befreien, dass sie in jungen Jahren zur Mathe-Professorin an der kalifornischen Elite-Universität Stanford berufen wurde?

Vor allem aber: Wie konnte es passieren, dass eine Frau mit einer genderpolitisch so beeinträchtigten Jugend jetzt die Fields-Medaille gewann, die als der Nobelpreis der Mathematik gilt?

Und dann hat sie obendrein auch noch etwas politisch völlig Unmögliches getan. Sie hat sich bei ihren „großen Lehrern“ im Iran bedankt. Die hätten ihr in der Schule und an der angesehenen Sharif Universität eine „stimulierende Umgebung“ geschaffen.

Wie bitte? Ein Dankeschön an diese persischen Machos? Die von Genderpolitik und quotenmäßiger Frauenförderung keinen blassen Schimmer haben? Die sollen „große Lehrer“ gewesen sein und ihr eine „stimulierende Umgebung“ geschaffen haben? Ich verstehe die Welt nicht mehr. Das alles widerspricht doch jeder modernen Frauenpolitik.

Ich kann mir die Sache nur so erklären: Miryam Mirzakhami scheint auf ihrem Gebiet einfach ziemlich gut zu sein. Sie hat offenbar mit ihrem Können brilliert. Mit nichts gar sonst. Völlig ohne Quote und Kuschelpolitik. Und wahrscheinlich ist sie auch noch stolz darauf.

Verstehe einer die Mathematikerinnen.

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Leserpost

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Chris Deister / 15.08.2014

Die vielen Studentinnen fallen mir schon länger auf. Was studieren die dort im Iran normalerweise? Bestimmt nicht Mathematik. Andererseits: gender studies und Soziologie wird dort mit Sicherheit nicht angeboten… also was machen die vielen iranischen Studentinnen (außer in Cafés junge Imame zu ärgern)?

Martin Reichert / 14.08.2014

Nur eines - bitte - Sie ist Mathematiker - nichts anderes ...

Hans Mohrmann / 14.08.2014

Für dieses Phänomen gibt es eine einfache Erklärung: in Ländern, in in denen es im Großen und Ganzen keine Benachteiligung von Frauen gibt, entscheiden sich mehr Frauen für “typisch weibliche” Berufe, als in den patriarchal geprägten Ländern. Im Iran hat eine fähige Naturwissenschaftlerin Aufstiegschancen, vor allem die Chance, der tristen Existenz einer islamischen Frau und Mutter zu entgehen. Wäre Miryam in Westeuropa aufgewachsen, hätte sie sich womöglich für den Beruf einer Kindergärtnerin entschieden.

Dr.Mathias Schulzendorf, Dipl.Mathematiker / 14.08.2014

Vielleicht sollten die Herausgeber der Achse darauf bedacht sein, nicht alles zu veröffentlichen was geliefert wird. Wenn dem Verfasser zur Preisverleihung nichts weiter eingefallen ist als das, was er glaubt über eine Mathematikerin wesentliches bemerken zu müssen, dann reicht das für Foren einfältiger Gemüter. Für Achgut nicht, trotz liberaler Ausrichtung.

Ulrich Berger / 14.08.2014

Nun ja, in abgemilderter Form habe ich diese Dichotomie in der DDR auch erlebt. Ich war immer ein Nörgler und Meckerer (wenn auch kein Widerstandskämpfer). Und doch habe ich eine für dortige Verhältnisse erfreuliche berufliche Laufbahn einschlagen können. In Diktaturen hängt nach meiner Erfahrung viel von lokalen Machthabern (deren Interessen und Charakter - also vom Glück) ab. Ich hatte an meiner Hochschule ebenfalls einige sehr gute, sachliche, engagierte wissenschaftliche Vorgesetzte, die erfreulich unideologisch daherkamen.  Mir scheint, die iranische Mathematikerin hatte ein ähnliches Glück wie ich - bei Naturwissenschaftlern ist soetwas relativ wahrscheinlich, scheint mir. Beste Grüße, Ulrich Berger

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