Der Versailler Vertrag diente dazu Deutschland zu bestrafen, das ist richtig. Dies war vor allem von Frankreich gewünscht. Wenn man sich aber die deutschen Kriegsziele von 1917 vor Augen hält, die Leiden der französischen und belgischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten, und außerdem den noch viel radikaleren Vertrag von Brest Litowsk den das Deutsche Reich den Russen abverlangte, kann man nicht allen Ernstes Deutschland als unschuldiges Opfer betrachten. Und dass dieser vergleichsweise milde Vertrag die Deutschen zum zweiten Weltkrieg quasi gezwungen habe ist nichts als eine die deutsche Schuld verharmlosende Legende.
Es gibt durchaus einige ganz gute Bücher über die Täter; “Opa war kein Nazi” von Harald Welzer et. al. fand ich gut, “Ganz normale Männer” von Christopher Browning auch. Die glänzende Eichmann-Biographie von David Cesarani wäre zu nennen, auch Bettina Stangneths “Eichmann vor Jerusalem” und Gaby Webers “Interessen um Eichmann”, das als Verschwörungstheorie geschmäht wurde, aber einige ziemlich suspekte Zusammenhänge auch mit den Alliierten offen legt. John Maynard Keynes hat Versailles praktisch sofort als die Keimzelle des nächsten Krieges erkannt; Hans Habe nannte den Zweiten Weltkrieg die letzte Schlacht des Ersten, und anfänglich hat Churchill England in der Not einen Hitler gewünscht, sich aber immerhin schnell eines Besseren besonnen. Über das “Appeasement” des Chamberlain und Daladier wird seit Jahrzehnten diskutiert, der Hitler-Stalin-Pakt ist immer wieder ein Thema, der “Sitzkrieg” ohne echtes Eingreifen von Seiten Frankreichs und Englands trotz des Überfalls auf Polen auch; die Kriegsverbrechen des Arthur Harris sind inzwischen Gegenstand gemeinsamer Trauer, und selbst polnische Repressalien gegen dort damals lebende Deutschstämmige kommen zuweilen zur Sprache. Hannah Arendts Totalitarismustheorie ist diskutabel und unvergessen. Das alles ist allerdings nur der wissenschaftliche Diskurs nebst den Versuchen einer Aussöhnung, wovon hinter dem immer noch nachhallenden ideologischen Getöse des “Historikerstreits” und dem Tamtam der offizösen “antifaschistischen” Gelernthabens-Selbstgerechtigkeit in diesem Land hier wenig zu hören ist. Ich denke, das ist aus der Sicht des Auslands nicht “beneidenswert”, sondern eine kollektive Neurose, eine Bigotterie, ein Kokettieren mit dem Entsetzlichen. Ich halte es da lieber gegen Heiko Maas: Es sind sehr deutlich mehr Menschen wegen der Politik nach Auschwitz gegangen als umgekehrt. - Und werde mir Cora Stephans Buch kaufen.
Nach Versailles war vielen klar, dass es wieder zum Krieg kommen würde, vor allem wenn Deutschland wieder hochkommt, was nicht vorgesehen war. Auch ohne Hitler wäre jede erfolgreiche Gesundung der dt. Wirtschaft nicht ohne Folgen geblieben, da der Grund für WK1 vor allem in drohenden wirtschaftlichen Übermacht Ds. lag. Deswegen sehen viele vor allem englische Hitoriker ja auch WK1 und 2 als eines.
Wiener Kongress nach dem 30-jährigen Krieg ???????????????????? (Anm. d. Red.: nicht der Wiener Kongress, sondern der Westfäliche Frieden. ... ist im Text korrigiert. Danke für den Hinweis.)
Dem Wunsch der Rezensentin, die Welt komme erst dann zur Ruhe, wenn die historischen Lügen den Fakten und der Wahrheit weichen, was wohl verklausuliert bedeutet, letzteres möge nicht nur irgendwann, sondern möglichst bald eintreten, ist uneingeschränkt beizupflichten. Allerdings ist dies mehr als einhundert Jahre nach dem Ersten und 84 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg weder bei optimistischer noch realistischer Einschätzung auch nur ansatzweise wahrscheinlich. Die Geschichtsschreibung der Sieger hat nicht nur sakrosankten Charakter, sondern ist vollständig in die Schulbücher der Besiegten eingedrungen (siehe Walter Lippmann). Davon abweichende Erzählungen werden nahezu pathologisiert. Wer dies für überzogen hält, möge das Experiment wagen, allein im privaten Kreis bei gegebener Thematik zu verkünden, Kaiser Wilhelm II. sei 1912 wegen seiner 25-jährigen friedlichen Regentschaft für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden. Die Gesichtsausdrücke hierauf dürften unzweifelhaft wert sein, in Bildform festgehalten zu werden. \\\ Vor einem zeitlichen Abstand einiger(!) Jahrhunderte werden selbst Historiker nicht den Schleier von dem lüften dürfen, was gegenwärtig als Wahrheit gilt.
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