Thilo Schneider / 18.06.2023 / 13:00 / 42 / Seite ausdrucken

Viel Propaganda und fast 50.000 Tote

Lohnen sich Rückblicke nur an einem runden Jahrestag? Heute jährt sich die Schlacht von Waterloo zum 208. Mal. Hier eine Zusammenfassung des für das Schicksal Europas entscheidenden Gemetzels nebst Enthüllung einiger Legenden.

Kennen Sie die Schlacht von „La Belle Alliance“? Nein? Das liegt daran, dass zu seiner Zeit Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington, sich über den Wunsch seines Waffenkameraden Gebhard Leberecht von Blücher hinwegsetzte und seinen Schlachtbericht vom 18. Juni 1815 nicht vom Treffpunkt der beiden Verbündeten bei dem kleinen Bauernhof „Belle Alliance“ datierte, sondern von dem weiter nördlich liegenden und englisch klingenden Örtchen „Waterloo“, in dem er sein Hauptquartier hatte. Aus dem deutschen historischen Gedächtnis ist die Schlacht heute fast völlig verschwunden, während sie für Engländer immer noch ein Geschichts-Highlight und für die Franzosen eine immer noch klaffende Wunde darstellt. 

Viel ist geschrieben worden über diesen heißen Sommertag im Juni 1815 und die letzte große Schlacht Napoleons. Militärhistoriker haben die einzelnen Schlachtzüge rekonstruiert, und es gibt Tonnen von Literatur über diesen Tag, der für „das Schicksal Europas“ mindestens ebenso entscheidend war wie die gescheiterte Offensive an der Marne 1914 oder der D-Day 1944. Die Schlacht der größten drei Feldherren ihrer Zeit – Napoleon, Wellington und von Gneisenau – ist geprägt von Fehlern, Missverständnissen, Propaganda, schlichten Lügen und Versäumnissen, an deren Ende fast 50.000 Tote auf den Feldern rund um das Dörfchen Plancenoit und die Hofgüter Hougoumont, La Haye Sainte und Papelotte lagen. 

Gemälde, die von der Schlacht angefertigt wurden, zeigen Soldaten in leuchtenden Uniformen, die sich tapfer und verwegen gegenseitig massakrieren, wehende Fahnen und Glorie, tapfere Reitermassen und standhafte Infanterielinien, Offiziere, die ihre Truppen wie ein Orchester dirigieren und dunkle Wolken aus Pulverdampf und Regenwolken, die über das Schlachtfeld dräuen. Die Bildkompositionen sind heroisch und dramatisch wie eine Wagner-Oper und haben unser Bild von den napoleonischen Schlachten bis heute geprägt. Aber so war es nicht. Alles reine Propaganda. Von allen Seiten. 

Über 180.000 Soldaten steuern das Schlachtfeld an

In den beiden Tagen vorher hatte Napoleon bereits zwei mehr oder weniger siegreiche Gefechte bestritten. Bei Ligny hatte er die Preußen geschlagen, deren nicht sonderlich cleverer, dafür aber mit 72 Jahren sehr betagter Befehlshaber Blücher bei einer Reiterattacke vom Pferd gefallen und stundenlang nicht auffindbar war. Sein Stellvertreter (und Kopf und Hirn) der Armee, von Gneisenau, schwankte unsicher zwischen einem Rückzug seiner verbliebenen Truppen an den Rhein zu seinen Verbindungslinien oder dem riskanten Einsatz einer Verbindung mit den englischen Truppen, von denen er nicht wusste, ob diese nicht ihrerseits die gleichzeitig stattfindende Schlacht bei Quatre Bras gewonnen oder verloren hatten.

Tatsächlich gab es dort eine Art Patt mit leichtem englischen Vorteil, weil ein komplettes Korps aufgrund widersprüchlicher Befehle zwischen Napoleon und seinem Marschall Ney zwischen beiden Schlachtfeldern einfach hin und her marschierte, ohne in die Kämpfe einzugreifen. Dies ermöglichte es den englischen Truppen, sich geordnet nach Waterloo (wir behalten den Begriff aufgrund der höheren Bekanntheit) zurückzuziehen. Als in den späten Abendstunden des 16. Juni der preußische Feldmarschall Blücher schließlich mit Prellungen unter seinem Pferd hervorgezogen und mit Wermut „halb/halb“ (halb außen durch Einreiben, halb innen durch Saufen) einigermaßen geheilt worden war, billigte er Gneisenaus Entschluss und machte sich an der Spitze seiner verbliebenen Truppen auf in Richtung Brüssel, um sich mit Wellington zu vereinen. 

Napoleon schickte Blücher drei seiner besten Generäle und ein Drittel seiner Armee hinterher, diese verfolgten aber eine Zeit lang versehentlich westfälische Landwehr, die bei Blücher sozusagen „gekündigt“ hatte und nach Hause lief. Als die französischen Generäle ihren Irrtum bemerkten, hatten die Preußen bereits einen hübschen Vorsprung. 

Für die geschlagenen Preußen und die sich zurückziehenden Engländer (eigentlich ein Konglomerat aus englischen, niederländischen und deutschen Truppen) war es ein elender Marsch: Es regnete in Strömen, den total verdreckten und durchnässten Soldaten war es nicht möglich, Fleisch abzukochen oder auch nur Schlaf zu finden. Von zwei Seiten bewegten sich auf alliierter Seite nun rund 110.000, auf französischer Seite rund 72.000 Mann auf das künftige Schlachtfeld zu. 

Um halb zwölf bricht die Hölle los

Der Morgen des 18. Juni 1815 fand die Engländer bereits in geordneter Stellung vor, während sich die Franzosen versammelten. Es hatte aufgehört zu regnen, aber der Boden war noch nass und durchweicht, sodass die französische Artillerie erst gegen 11.30 Uhr vormittags in Stellung gebracht werden konnte. Die Soldaten standen teilweise bis zu den Knien im Matsch. Das Genie Napoleon war zuversichtlich, die Engländer von den von ihnen besetzten Hügelkämmen abzuräumen, wenngleich er unter starken Magenschmerzen litt und ihm außer einem Frontalangriff auf die englischen Linien nicht viel Produktives einfiel. Er überließ die Hauptarbeit seinem Stellvertreter, Marschall Ney. Der zwar ein begnadeter Taktiker und Reitergeneral war, aber mit der Aufgabe, eine komplette Armee zu kommandieren, offensichtlich überfordert. 

Was wusste Wellington? Er wusste, die Preußen waren irgendwie zu ihm unterwegs, aber das konnte dauern. Sein Schlachtplan, den er partout nicht seinem Stellvertreter Lord Uxbridge mitteilen wollte (schlicht, weil er wahrscheinlich gar keinen hatte) war, einfach die Stellung zu halten, bis die Preußen einträfen. Wellington hatte einen Großteil seiner Truppen allerdings hinter den von ihm besetzten Hügeln „geparkt“, um sie vor dem erwarteten Artilleriebeschuss der Franzosen zu schützen. In der Senke davor hatte er das Schlösschen Hougoumont mit seinem Obstgarten und das quasi zur Festung ausgebaute Gehöft La Haye Sainte als „Wellenbrecher“ besetzen lassen.  

Was wusste Napoleon? Der sah sehr wenige Engländer vor sich und war der festen Überzeugung, die Preußen würden nicht kommen, da diese ja von seinen Generälen Grouchy, Vandamme und Gérard verfolgt und in ihrem desolaten Zustand sicher festgehalten wurden. 

Um 11.30 Uhr brach auf französischer Seite die Hölle los. Aus über 100 Geschützen wurden die Engländer mit Feuer belegt. Napoleon befahl einen „Scheinangriff“ auf das an seiner linken Flanke liegende Gehöft Hougoumont, um Wellington zu veranlassen, dorthin seine Reserven zu beordern. Allein: Der dachte nicht daran. Wer allerdings daran dachte, war der mit dem Angriff betraute Bruder des Kaisers, Jerome Bonaparte, der sich bereits in der Vergangenheit als Feldherr blamiert hatte und nun diese Scharte, ermutigt von Feldmarschall Ney, auszuwetzen gedachte. So liefen nach und nach die französischen Reserven in das Gefecht um das stark befestigte Gehöft und fraßen sich vor dessen Mauern fest. Napoleons Scheinangriff hatte genau das Gegenteil bewirkt. Nach zwei Stunden hatten die Franzosen erst das vor dem Gehöft liegende Lustwäldchen erobert und steckten fest. Etwa 100 Infanteristen gelang es, das Tor zum Gehöft zu öffnen, diese wurden von den Verteidigern allerdings bis auf einen Mann – der Legende nach ein Trommlerjunge – komplett niedergemacht. Die Franzosen beschossen das Gehöft schließlich mit Haubitzen und setzten es in Brand, während der „Scheinangriff“ einen großen Teil der französischen Truppen gefressen hatte. Wellington schickte unterdessen einen Offizier, der dem englischen Kommandanten der Garde, die das Gehöft verteidigte, seine besten Wünsche – aber keine Reserven – übermittelte. 

Sturzbetrunkene Highlander im Abwehrkampf

Gegen 13:30 Uhr erhielt Napoleon die Nachricht, dass die Preußen im Anmarsch seien. Er beorderte Teile seiner Garde, das an seiner rechten Flanke liegende Dörfchen Plancenoit zu besetzen, verließ sich aber ansonsten darauf, auch Grouchy und seine Truppen würden schon folgen und „dem Kanonendonner nachreiten“. 

Es war mittlerweile 14.00 Uhr: Napoleon beschloss, es sei ein guter Zeitpunkt, den schon arg durch Artillerie offensichtlich dezimierten linken Flügel und die Mitte der Engländer anzugreifen. Die französische Infanterie unter Marschall Ney musste hier an dem ebenfalls befestigten Bauernhof La Haye Sainte mit seinen Illexhecken vorbei, der mit Scharfschützen der „Kings German Legion“, also Hannoveranern, besetzt war und die gar nicht groß zu zielen brauchten, um die Franzosen zu dezimieren. Warum der Gutshof nicht einfach in Grund und Boden geschossen wurde, bleibt ein Geheimnis Napoleons. An fehlenden Haubitzen lag es jedenfalls nicht. 

Schließlich schaffte es die französische Infanterie auf die Hügel, wo sie von sturzbetrunkenen Highlandern unter dem in Zivil gekleideten General Picton (er hatte seine Uniform in Brüssel vergessen) empfangen wurden. Mitgerissen vom Kampf der Highlander griff nun, völlig ohne Befehl, die englische Kavallerie unter General William Ponsonby mit den „Scots Greys“ (Sie kennen das Bild: die Attacke der hübschen Reiter mit den Bärenfellmützen auf ihren Grauschimmeln) und der „Household Brigade“ (deren weiße Gürtel jetzt rosa waren, da die roten Uniformen durch den Regen die Gürtel verfärbt hatten) ein und warfen sich auf die französischen Infanteristen. 

Einschub: Eine „donnernde Attacke“, wie dies gern auf Gemälden und in Filmen gezeigt wird, auf denen sich schottische Grenadiere in die Steigbügel ihrer Kameraden hängen, war das nicht. Zum einen würde jeder Kavallerist einen in den Steigbügeln hängenden Infanteristen wegschlagen, zum anderen war die Angriffsdistanz für einen „Rush“ viel zu kurz. Stellen Sie sich eher den Einsatz von berittener Polizei vor, die sich unter die Franzosen mischte. Einschub Ende.

Drei Attacken zerschellen an den englischen Karrees

Die Franzosen flohen, die Engländer ritten hinterher – direkt unter die Geschütze der Franzosen, die sie gnadenlos zusammenschossen und deren Lanzenreiter die englische Kavallerie um die Hälfte dezimierte. Picton und Ponsonby fielen. Für die Hannoveraner Husaren des Herzogs von Cumberland endete die Schlacht hier ebenfalls. Angeekelt von dem Gemetzel kehrten sie, ohne einen einzigen Schuss abgegeben zu haben, um und ritten nach Brüssel. Dort verbreiteten sie Panik, die Schlacht sei verloren. Der belgische Adel begann mit Packen, um aus der Stadt herauszukommen. 

Immerhin war der erste Angriff abgeschlagen. Gegen 15.00 Uhr erkannte Ney, dass er das Hindernis La Haye Sainte ausschalten musste, wenn er zu den Engländern auf die Hügel vordringen wollte. Das Gehöft wurde nun massiv attackiert, aber die englisch-deutschen Scharfschützen konnten auch diesen Angriff abwehren – wenngleich ihnen langsam die Munition ausging. Das am linken Flügel Napoleons immer noch von der englischen Garde verteidigte Schlösschen Hougoumont stand in Flammen. Während um die beiden Gehöfte erbittert gekämpft wurde, startete Ney nun eine Großattacke mit nahezu der kompletten Kavallerie der Franzosen. Zwischen den Wellenbrechern Hougoumont und La Haye Sainte ritten regelrechte Wellen von Kürassieren, Husaren, Dragonern und allen anderen Einheiten, die die Franzosen aufzubieten hatten, den Engländern auf den Hügeln entgegen.

Diese wiederum hatten sich hinter den Hügeln in Vierecken, sogenannten „Karrees“ aufgestellt, um die Franzosen zu empfangen. Bereits im Anritt wurden die Reiter von tiefen Entwässerungsgräben überrascht, die das Gelände durchzogen. Insgesamt wurden drei Attacken geritten, allesamt zerschellten sie an den englischen Karrees, die genug Disziplin hatten, nicht davonzulaufen. Keine einzige Formation wurde aufgebrochen. Der mit so viel Enthusiasmus und Gloire begonnene Großangriff der französischen Reiterei endete in einem Fiasko aus sterbenden Pferden und sterbenden Männern. Ney hatte vergessen, Infanterie zum Nachrücken bereitzustellen und auch die von Napoleon erbetenen Reserven nicht bekommen. Es muss ausgesehen haben wie in Dantes Hölle. 

Die Preußen kommen

Zwischen 17.00 und 18.00 Uhr mussten die Scharfschützen La Haye Sainte räumen und sich auf die englischen Linien zurückziehen. Sie hatten keine Munition mehr. Trotz des Widerstands hatte Wellington knapp die Hälfte seiner Armee eingebüßt – allerdings ohne dass die Franzosen einen nennenswerten Vorteil daraus gezogen hätten. Bis auf die Aufgabe von La Haye Sainte hatte Napoleon keines seiner Ziele erreicht. Zu diesem Zeitpunkt soll er gefallen sein, der berühmte Spruch Wellingtons: „I want night or Blucher“, aus dem später, literarisch geglättet, „Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen“ wurde. Die Entscheidung über Sieg oder Niederlage stand auf Messers Schneide.

Aber sie waren bereits da, die Preußen. Gegen 16.30 Uhr griff die preußische Armeespitze die französische rechte Flanke an und schob zwei Divisionen der Franzosen beiseite, um das Dorf Plancenoit in Napoleons rechter Flanke zu erobern. Nach und nach kamen die Preußen aus dem Wald und waren auch der Grund, warum Napoleon Ney keine Truppen mehr zum entscheidenden Schlag liefern konnte. Den Großteil seiner noch frischen Garde brauchte er jetzt zur Flankensicherung gegen Blücher. Neys Überzeugungskraft ist es zu verdanken, dass sich Napoleon schließlich doch noch einmal zu einem Schlag mit seiner Alten Garde durchrang. Auf französischer Seite sah es so aus, als ob die englischen Linien nur noch einen kleinen Schubs bräuchten, um komplett zusammenzubrechen.

Und so marschierte sie noch einmal, ein allerletztes Mal auf den Feind zu, die Kaisergarde. Die „Unsterblichen“, die bis jetzt jede Schlacht entschieden hatte. Tapfer in Kolonnen, mit Marschmusik und dem Ruf „Vive l´Empereur“ marschierten die Gardisten den Engländern entgegen. Dann erscholl aus ihren Reihen der Ruf „Die Preußen sind da“ und „Wir wurden verraten“, und tatsächlich waren die preußischen Truppen, die sich in immer größerer Zahl sammelten, nicht mehr zu übersehen. Die vorne stehenden Soldaten der „Alten Garde“ wehrten sich tapfer gegen die erschöpften Engländer, die Enden der Kolonnen lösten sich auf, die Gardisten flüchteten – ein in der französischen Kriegsgeschichte einmaliger Vorgang. Der panische Ruf „Die Garde flieht!“ zernierte jeden Widerstand der napoleonischen Armee. 

Die Garde stirbt – merde!

Jetzt brach auf französischer Seite alles zusammen. Feldmarschall Ney, dem an diesem Tage angeblich sieben Pferde unter dem Hintern weggeschossen wurden, soll an einer zerstörten Kanone gesehen worden sein, auf die er verzweifelt mit seinem Säbelknauf einhieb, um die flüchtenden Soldaten zu sammeln – oder, wie andere sagen, den Tod im Gefecht zu suchen (tatsächlich wurde er später von dem wieder eingesetzten König Louis XVIII. wegen Landesverrats hingerichtet). Die Preußen trieben Napoleons Junge Garde aus dem brennenden Plancenoit, die Engländer starteten mit allem, was noch da war, von den Hügeln herab einen Gegenangriff. Ein Karree der Alten Garde unter General Cambronne stellte sich vor dem Gasthof „La belle alliance“ auf, um den Rückzug des Kaisers zu decken. 

Die Engländer brachten Artillerie heran, stellten die Geschütze direkt vor das Karree und forderten die Gardisten zur Kapitulation auf. Der berühmte Satz „Die Garde stirbt, aber sie ergibt sich nicht“ ist hier als Antwort auf die Aufforderung nie gefallen. Stattdessen soll Cambronne auf die Aufforderung schlicht mit „merde“ geantwortet haben. Die Franzosen wurden zusammengeschossen. 

Während einzelne Teile der Preußen die flüchtenden Franzosen erschöpft, aber energisch verfolgten (und Napoleons Hut, Degen und seinen Mantel mit eingefütterten Diamanten im Wert von einer Million Goldfranken erbeuteten), trafen schließlich Blücher und Wellington bei „La belle alliance“ aufeinander. Nein, sie gaben sich nicht die Hand und nein, sie umarmten sich auch nicht. Blücher grüßte wohl militärisch und rief „quelle affaire“ aus und verwendete damit die einzigen französischen Worte, die er kannte. Wellington nickte ihm zu und wendete sein Pferd. 

50.000 Tote und Verwundete lagen auf dem Schlachtfeld. „Außer einer verlorenen Schlacht ist eine gewonnene Schlacht der traurigste Anblick, den es gibt“, soll Wellington beim Ritt zurück in sein Hauptquartier gesagt haben. Seine Truppen waren mit dem Plündern von Toten und Verwundeten beschäftigt, die Gefallenen wurden buchstäblich bis auf die Haut ausgeplündert. Dazwischen fanden sich belgische Nonnen, die nach Verwundeten suchten und diese pflegten. 

50.000 Tote bleiben zurück

Wellington stellte in seinem Bericht die eigene Leistung naturgemäß großartig dar, die Preußen hatten demnach nur noch die Funktion des „Erntehelfers“ des Sieges. Blücher wiederum wollte den preußischen Anteil am Sieg als gleichberechtigt wissen. Napoleon gab auf St. Helena hauptsächlich Grouchy die Schuld an seiner Niederlage, da dieser trotz angeblichem Befehl nicht auf dem Schlachtfeld erschienen war.

Die Geschichte kennt kein „Was, wenn…“, aber selbst wenn Napoleon gewonnen hätte – sein Sturz wäre nur eine Zeitfrage gewesen. Russische und österreichische Truppen sammelten sich in Süddeutschland bereits wieder. 

Die 50.000 Toten wurden von den Bauern der Umgebung verbuddelt – um anschließend wieder ausgegraben zu werden. Ein Großteil der Knochen der gefallenen Helden wurde zu „Knochenmehl“ verarbeitet, das damals in Filtern benötigt wurde, um Zucker weiß zu machen. Seinerzeit ein makabres, aber recht lukratives Geschäft. Der Stachel sitzt in Frankreich übrigens immer noch tief. Als Belgien 2015 zum Gedenken an 200 Jahre Waterloo eine entsprechende 2-Euro-Münze herausgeben wollte, intervenierte die französische Regierung, dies würden „zu unnötigen Spannungen“ in Europa und „ungünstigen Reaktionen in Frankreich“ führen. Die Belgier schmolzen 180.000 bereits geprägte Münzen wieder ein. Hätte es 1815 das geflügelte Wort von der „Mutter aller Schlachten“ schon gegeben – das wäre sie gewesen. 

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, 224 Seiten, 22 Euro.

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Leserpost

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Gerhard Hotz / 19.06.2023

Das erinnert an den amerikanischen Admiral Samuel Morison, der unzählige Kriege analysiert hat. Er sagte: Krieg ist ein bisschen wie Amateurtennis. Es gewinnt nicht der Bessere, sondern der weniger Schlechte.

Hsns-Peter Dollhopf / 18.06.2023

I want night ot Gunnar Heinsohn

Hans-Peter Dollhopf / 18.06.2023

Abel Gance, “Napoleon” (1927): Ein Jahrhundert durch die Zeit näher herangezoomt! - - - “Bitte nicht waschen, komme in drei Tagen“

Ludwig Luhmann / 18.06.2023

@Dr. Joachim Lucas / 18.06.2023 - “Wen es interessiert. Der Film “Waterloo” von Sergej Bondartschuk von 1970. Kann man frei bei Youtube anschauen. Ein gewaltiges, realistisches Spektakel mit tollen Schauspielern und gewaltigem Personalaufwand. Denke es lohnt sich. Stanley Kubrick wollte dieses Thema ursprünglich realisieren, hat aber den Plan fallen lassen, nachdem er von den Dreharbeiten Bondartschuks erfahren hat.”—- Sie kennen also sicherlich Kubricks “Barry Lyndon”.

Ralf Pöhling / 18.06.2023

Wo gehobelt wird fallen Späne. Manchmal kommt man leider nicht darum herum. Nämlich immer dann nicht, wenn man angegriffen wird uns sich verteidigen muss, damit man nicht einfach unterworfen oder sogar direkt getötet wird. Da bleibt dann nur noch das wehren. Zu verlieren hat man ja eh nichts mehr, also sollte man auch gegenhalten. Die Preußen hatten das noch drauf. Darum auch ihr legendärer Ruf militärischer Exzellenz, der bis heute an den wichtigsten Militärakademien der Welt als Vorbild herhält und der Ausbildung der Soldaten dient. In Deutschland will man davon nichts mehr hören. Darum geht hier auch alles den Bach runter und dieses Land wird zum Freiwild für alle dahergelaufenen Verbrecher dieser Welt, denen man hier nicht mehr in guter alter preußischer Tradition die Grenzen aufzeigt, sondern sie sogar noch zur Ausplünderung einlädt. Dieses Land wird von rückgratlosen Weicheiern in den Untergang regiert und das Volk einfach kampflos an den Feind verscherbelt. Das Wort ehrlos reicht für die Beschreibung dieses unerträglichen Zustandes nicht mehr im Ansatz aus.

María José Blumen / 18.06.2023

Hihihi, das waren ja damals alles Trottel!

Andreas Roller / 18.06.2023

Respekt Herr Schneider. Schön geschriebene Zusammenfassung. Ich beschäftige mich auch gerne gelegentlich mit Militärgeschichte. Gut, dass Sie hier auch den Propagandaeffekt so schön herausstellen. Jemand, der sich heute nur oberflächlich oder gar nicht mit den napoleonischen Kriegen beschäftigt, kennt vielleicht nur Waterloo, ggfs Trafalgar und muss zu dem Schluss kommen, dass es hauptsächlich Sache der Engländer war, den Korsen zu besiegen.. Dabei haben sie hauptsächlich Geld von ihrer Insel geworfen. Napoleons härtester Dauergegner war Österreich, später im Verein mit Russland. Die meisten Teilnehmer der Schlachten auf beiden Seiten waren oft Deutsche. Es lohnt sich viel aus unterschiedlichen Quellen über Geschichte zu lesen. Immer mit dem Gedanken, der gelegentlich auch mal Napoleon zugeschrieben wird: “Geschichte ist die Lüge auf die wir uns geeinigt haben”

Jürgen Langer / 18.06.2023

Eine wirklich spannende Erzählung mit Details, von denen man als Schüler im normalen Geschichtsunterricht nichts erfuhr. Jürgen

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