Frankreich kehrt in die Kommandostruktur der NATO zurück und Russland erwägt Bomber in Lateinamerika zu stationieren. Zwei Nachrichten, die sensationell gewesen wären, gäbe es den Kalten Krieg noch. Heute sind es müde Meldungen. Sie sagen mehr über die Verlegenheit ihrer Urheber aus, als über ein eventuell bestehendes Problem.
Wer erinnert sich schon daran, dass Frankreich sich1966 aus dem Stab der NATO ausgeklinkt hatte, um die alleinige Verfügung über seine Atomwaffen zu behalten, und ein bisschen auch, um De Gaulle für sein britisches Exil während des Zweiten Weltkriegs zu entschädigen? An seiner tatsächlichen militärischen Rolle, an der Westpositionierung des Landes, an seinen einschlägigen Engagements, hat es nichts geändert. Es hat den Großmachtstatus zusätzlich betont. Verbal. Aber heute?
Noch viel abwegiger ist die Idee, die russische Luftwaffe nach Lateinamerika zu bringen. Nach Kuba und Venezuela. Auch in diesem Fall meldet sich eine unterbeschäftigte Großmacht mit Legitimitätsproblemen zu Wort. Sind Chavez und die Castros etwa von jemandem bedroht? Höchstens durch die eigene Bevölkerung. Dagegen hilft bekanntlich keine Luftwaffe.
Mit seiner Entscheidung korrigiert Sarkozy De Gaulle. Er ist zwar nicht De Gaulle, aber er korrigiert ihn. Auch auf diesem Umweg kann man heute als Politiker, wenn schon nicht Bedeutung erlangen, dann wenigstens in die Schlagzeilen kommen.
Dorthin zieht es auch Russland, und man muss sagen, es hatte durchaus schon konkretere Ziele in seiner jüngeren Geschichte. Beispiel: Die Besetzung der baltischen Staaten, 1940. Auch Russland bedient sich der Erinnerung an die Symbolik des Kalten Kriegs. Es simuliert dessen Highlights, in der Hoffnung, sich so ein zumindest mediales Gewicht zu verschaffen. Sarkozy spricht mit seiner Entscheidung zu seinen Wählern, der Kreml wohl auch.
Beide wollen das Selbstbewusstsein der Gefolgschaft stärken. Dass sie das mit dem Ramsch der Vergangenheit tun, verweist auf ihre Ratlosigkeit, was die Gegenwart angeht. Damit aber wird nicht nur die Gegenwart manipuliert, sondern auch die wahre Geschichte des Kalten Kriegs ein weiteres Mal verschleiert.
So wie der rumänische Exzentriker und Diktator Ceausescu niemals der De Gaulle des Ostblocks sein konnte, obwohl ihn findige Journalisten gerne so bezeichneten, war auch De Gaulle zu keinem Zeitpunkt der Ceausescu des Westens, was im Übrigen auch niemandem in der Sache eingefallen wäre
Es ging im Kalten Krieg vielmehr um die Verteidigung des Westens gegen Stalin. Dieser Kampf wurde 1989 beendet, und zwar mit dem Zusammenbruch des Kommunismus in Ostmitteleuropa. Das aber besagt unter anderem, dass nicht der Westen über den Osten gesiegt hat, sondern dass der Osten sich, mit der Unterstützung des Westens, vom Kommunismus befreien konnte. Und das war’s dann auch.