Henryk M. Broder / 15.07.2016 / 09:31 / Foto: Zarateman / 6 / Seite ausdrucken

Merkel und das Schwein an sich

Wenn sich Angela Merkel eines Themas annimmt, dann kann man davon ausgehen, dass es ihr am Herzen liegt: Das Weltklima soll gerettet, die Energiewende zu Ende gebracht und die Elektromobilität ausgebaut werden. Zuletzt hat die Kanzlerin Migranten, die nach Deutschland gekommen sind, zur Toleranz gegenüber deutschen Essgewohnheiten aufgerufen. Das hörte sich so an:

„Auf der einen Seite können wir respektieren, wenn jemand bestimmte Bräuche oder bestimmte Regeln hat, auf der anderen Seite darf das natürlich nicht zu einer Einschränkung führen für die, die andere Regeln haben, das heißt, man muss darauf achten, dass die Vielfalt unserer Angebote, wie wir sie gewöhnt sind, weiterhin erhalten bleibt, aber dass zum Beispiel gekennzeichnet ist, wo eben Schweinefleisch verwendet wird. Aber die Toleranz gehört dazu, dass wir uns in unseren Essgewohnheiten jetzt nicht verändern müssen, wir wissen ja selber, dass es Menschen gibt, die sich vegetarisch ernähren, dass es Menschen gibt, die diese oder jene Vorlieben haben, damit sind wir bis jetzt klar gekommen und das sollten wir auch jetzt tun.“

Okay, genau genommen war es kein Aufruf zur Toleranz gegenüber „deutschen Essgewohnheiten“, es war das bekannte Einerseits-Andererseits-Geschwurbel der Kanzlerin, die sich gerne unklar ausdrückt, damit sie hinterher sagen kann, so habe sie es nicht gemeint.

Was war es aber, das sich hinter ihren Worten versteckte? Wollte sie die Deutschen dazu anhalten, noch mehr Schweinefleisch zu essen – bis jetzt sind es 38 Kilo pro Kopf und Jahr – oder war es umgekehrt: Lautete die Botschaft: „Bitte, esst weniger Schweinefleisch!“ Wollte sie Lebensmittel, in denen man kein Schwein vermuten würde, Kalbsleberwurst zum Beispiel, Hasenpastete oder Gummibärchen, kennzeichnen, um den Verbrauchern die „informierte Kaufentscheidung“ zu ermöglichen?   

Ausgeschlossen scheint dagegen, dass sie, wie in den deutschen Medien berichtet, die Migranten zur Toleranz gegenüber deutschen Essgewohnheiten aufrufen wollte. Es wäre das erste Mal in der Geschichte der Migration, dass die Zugewanderten gebeten würden, die Bräuche der Einheimischen zu tolerieren.

Nein, so weit würde unsere Kanzlerin nie sinken.

Zuerst erschienen in der Züricher Weltwoche

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Leserpost

netiquette:

Astrid Boers / 16.07.2016

Hierzu kann man sich nur noch séhr kurz fassen; grotesk, einmalig und ... verheerend!

Ulrich Spinner / 15.07.2016

Ich lasse mir meine Haxe des Guten (Schweines) nicht vermiesen.

wachkoma / 15.07.2016

Wir stellen also fest, zwar mit Erstaunen, aber immerhin, dass Schweinefleisch ein schützenswertes Gut ist, welches doch bitte zu tolerieren sei. Danke, Frau Kanzlerin, für diese wichtige Erkenntnis und diese mutige Stellungnahme; - man muss halt Prioritäten setzen. Toleranz gegenüber Kunst scheint da nebensächlich zu sein, man erinnere sich an die Studentin, die Kunstwerke einer Auststellung von den Wänden gerissen hat, weil darauf “Nackte” zu sehen waren und die Universität , die darauf, sehr tolerant, eben diese Austellung beendet hat. Auch Toleranz für “Brauchtum”, man muss es nicht mögen, aber es existiert, ist anscheinend zu vernachlässigen, wenn z.B. das “St. Martins Fest” in “Lichterfest” umbenannt wird, weil sich möglicherweise Personengruppen an Namen stören könnten. Wie steht es mit der Toleranz gegenüber Islamkritikern, wie z.B. Abdel Samad, der mit Mord bedroht wird, weil er ein Buch veröffentlicht hat? Alles unwichtig für unsere Kanzlerin, hauptsache das Schnitzel bleibt auf dem Teller, darf sogar in Anwesenheit von “Nicht- Schnitzelessern” gegessen werden, ohne schlechtes Gewissen. Soviel Toleranz muss schon sein, ohne dass möglicherweise religiöse Gefühle verletzt werden könnten. Mir fällt ein Stein vom Herzen, meine Aktbilder bleiben verhüllt, Feste feiere ich nur noch mit zugehöriger religiöser Unbedenklichkeitserklärung und ketzerische Bücher kaufe ich “unter dem Ladentisch”. Während ich dies schreibe, ertappe ich mich gerade beim “thoughtcrime”, frage mich, ob es schon “hatespeech” ist und erwarte in den nächsten Tagen die Gedankenpolizei. Naja, ich bin da mal tolerant… 

Karla Kuhn / 15.07.2016

Herr Broder, schon alleine der Titel, einfach herrlich.  Und der letzte Satz. Ich lach mich schief. Dass Frau Merkel wegen uns irgendwo hinsinken würde kann ich mir auch nicht vorstellen, es sind bestimmt die Schweinezüchter, die Frau Merkel Dampf gemacht haben. Mit Toleranz hat das bestimmt nichts zu tun, eher mit einem großen Umsatz. Es klingt aber so schön und wenn man es liest, ist man “gerührt.” Sie haben es gut, mit Ihrem Humor und Ihrer Ironie brauchen Sie keine Angst zu haben, in die falschen Tasten zu hauen. Da steht niemand vor Ihrer Türe. Der liebe Gott möge Ihnen noch lange Ihre Gabe erhalten.

Karsten Paulsen / 15.07.2016

Dazu passt, das der Deutschlandfunk uns (ich bin christlich erzogener Atheist) regelmäßig in den Koran unterweist. Eine Unterweisung der Moslems in das Christentum, Buddismus etc, habe ich noch ncht bemerkt.

Arent / 15.07.2016

“aber dass zum Beispiel gekennzeichnet ist, wo eben Schweinefleisch verwendet wird” Böser Gedanke: Ob demnächst dann auch gekennzeichnet wird, *wer* Schweinefleisch isst?

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