Wolfram Ackner / 11.11.2017 / 06:20 / Foto: Alfred T. Palmer / 34 / Seite ausdrucken

Meint ihr, ihr habt es uns nicht gut genug erklärt?

Eine WELT-Online-Schlagzeile vom 03.11.17 lautete: „CDU will Jamaika mit Identitätsverweigerung retten“. CDU-Identität – was soll das sein? Ich kann schon lange nicht mehr etwas Derartiges entdecken. Die einzigen Werte, für welche die CDU noch zu brennen scheint, sind offensichtlich "offene Gesellschaft“ und „mehr Europa“. Aber darin ist sie sich ja prinzipiell mit allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien außer der AfD einig.

Aber all das, was für mich als konservativen Arbeiter einmal den Markenkern der CDU ausmachte, was sie unterscheidbar von ihren Mitbewerbern machte, wurde von Angela Merkel abgeräumt. Stichworte: Wehrpflicht; die Kernenergie als wichtiger Grundpfeiler einer sauberen, preiswerten Stromerzeugung; der wehrhafte Rechtsstaat; Schutz der traditionellen Familie als Keimzelle der Gesellschaft; soziale Marktwirtschaft; ein Staat, der sich gegenüber seinen Bürgern zurücknimmt und nicht jeden Tag eine neue Propagandasau durchs Dorf treibt; das Urvertrauen, das man als Bürger auf die Einhaltung von Verträgen und Gesetzen haben durfte.

Für mich ist die CDU ein Sinnbild der kompletten Beliebigkeit. Eine Partei, die zu jeder Verrenkung bereit ist, die jeden Preis zahlen würde, solange Angela Merkel weiterregieren darf. Solange Deutschland bunter und vielfältiger wird und irgendwann in den ‘Vereinigten Staaten von Europa’ aufgehen darf. Die heutige CDU ist ein Chamäleon, das innerhalb von Sekunden seine politische Farbe ins Gelbe, ins Grüne, ins Schwarze, selbst ins Rote und wieder zurück ändern könnte. Kein schwarzer VW Käfer mehr wie früher, sondern ein Polo Harlekin.

Wir werden in den Talkshows pathologisiert

Käme Jamaika zustande, dann wäre es eine linksradikale Mitte-Rechts-Koalition. Um mit Bill Clinton zu sprechen: „It’s either or, stupid!“

Auf der einen Seite CSU und FDP, die für mich letzten etablierten Parteien, die noch Interesse erkennen lassen, auch die Interessen von kleinen, selbständig ihr Geld verdienenden Leuten wahrzunehmen. Und die im Gegensatz zur CDU noch Restskrupel erkennen lassen, alle ordnungspolitischen Grundsätze über Bord zu werfen, solange es um Eurorettung und die „Verteidigung der liberalen Gesellschaft“ geht – die sich allerdings längst in eine pseudoliberale, elitäre Ständegesellschaft verwandelt hat.

Einem Großteil der Bevölkerungsgruppe, der ich mich zugehörig fühle – hart arbeitende kleine, bodenständige Leute, die in unspektakulären Jobs schuften und sich oft genug gerade so über Wasser halten können, während sie tagtäglich in den Medien hören und lesen können, “wie unfassbar gut es uns doch geht“ – wurde von Hillary Clinton die Bezeichnung ‘deplorables’ verpasst.

Genau so werden wir auch hier in den Medien und Talkshows pathologisiert – als bedauernswerte, minderwertige Gestalten, zerfressen von Hass und Abstiegsängsten, die an Fake News glauben und in bösartiger Borniertheit die (selbsternannten) kosmopolitischen, humanistischen, gebildeten Schichten verachten.

Nun ist es natürlich eine sehr menschliche Eigenschaft, sich unerklärliche Dinge so zurechtzulegen, dass man dabei gut weg kommt. Für Journalisten ist es zweifellos bitter, wenn man unisono Monat für Monat jeden einzelnen gottverdammten Tag in den schlimmsten Farben den braunen Teufel an die Wand malt. Und am Ende wird bei uns in Sachsen die AfD stärkste Partei.

Leute wie ich hassen keineswegs Eliten

Wenn Ihr meint, ihr habt es uns einfach nicht gut genug erklärt und dass ihr noch eine Schippe drauflegen müsst, bitteschön, dann glaubt das. Ich möchte dazu nur kurz anmerken, dass Leute wie ich keineswegs Eliten hassen. Wir verstehen darunter nur etwas anderes als das momentane Spitzenpersonal in Medien, Kultur und Politik. Deren Mitglieder sollten vielleicht schon im Eigeninteresse erkennen, dass die Gelder, welche sie verteilen möchten, immer noch mit unseren rauchenden Industrie-Schloten verdient werden. Und nicht, indem wir uns gegenseitig bezahlte Vorträge über Antifaschismus, Critical Whiteness und Gender Studies halten.

In einer Jamaika-Koalition wäre viel Phantasie vonnöten, damit CSU und FDP nicht ihre Wahlkampfversprechen zur Zuwanderungsbegrenzung und Ablehnung einer europäischen Schuldenunion brechen müssten. Ich fürchte, die Blaupause für diese benötigte „Mutter aller Kompromisse“ lieferte die SPD im Jahre 2005.

Angela Merkel zog damals mit der Forderung einer Mehrwertsteuererhöhung um zwei Prozent in den Wahlkampf, worauf die Spitzen der Sozialdemokratie von allen Wahlkampfbühnen dieses Landes herab verkündeten, dass „es mit der SPD keine Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 18 Prozent geben wird“. Dann zwang der Wähler die SPD in eine große Koalition unter Merkels Führung und die SPD fand mit der CDU einen Kompromiss, mit dem sie nicht als Wortbrecherin dastand. Man einigte sich auf 19 Prozent Mehrwertsteuererhöhung. Genau diese Sorte Kompromisse erwarte ich von einer Jamaika-Koalition.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf publicomag hier

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Leserpost

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Hartmut Laun / 11.11.2017

Merkel ist die beste Bundeskanzlerin der Grünen, welche die Grünen sich besser nicht hätten wünschen können.

Leo Hohensee / 11.11.2017

man kann nur noch verzweifelt sich die Augen reiben, immer in der Hoffnung, dass man etwas vom Augapfel nur wegwischen muss und dass danach das vorherige Bild nicht mehr vorhanden ist. Vielleicht waren es ja nur Spiegelungen, Verzerrungen oder soetwas, die man gesehen hat. Aber nichts davon, es bleibt: Sie vernichten die Fähigkeiten der arbeitenden Bevölkerung in diesem Land, sie verhökern lang angesammeltes Wissen und die lang angesammelten Ersparnisse von Leuten die einfach nur arbeiten, sich nicht produzieren oder in den Vordergrund spielen und / oder moralbesoffen daher kommen. Quo vadis?

Michael Jansen / 11.11.2017

Wohl wahr! Allein schon die ständig wiederkehrende Floskel in Talkshows “wir müssen der Bevölkerung erklären” illustriert eindrucksvoll die Arroganz der polischen Klasse gegenüber gegenüber dem normalen Bürger. Dann aber glauben studierte Sozialpädagogen, abgebrochene Theologiestudentinnen und Politikerinnen, deren Ausbildung sich auf zwei Semester Theaterwissenschaften beschränkt (obwohl - das passt ja irgendwie), sie müssten der deutschen Automobilindustrie den Weg in die Zukunft weisen und könnten die Energieversorgung für die nächsten 50 Jahre sicherstellen. Dafür wollen sie dann mit hunderttausenden ungebildeten muslimischen Jungmännern den demographischen Faktor korrigieren und für eine offene, tolerante und bunte Gesellschaft sorgen. Das alles wird dann orchestriert von einer Kanzlerin, die zwar in der DDR Physik studiert hat (was hat man da eigentlich gelernt?), aber zum Zwecke der Machterhaltung alle Prinzipien und auch gleich ihren Amtseid (“dem Wohle des Deutschen Volkes”,“Schaden von ihm wenden”) über Bord wirft und damit fröhlich die Zukunft ihrer Partei und des Landes ruiniert.

Edith Klingner / 11.11.2017

Sehr geehrter Herr Autor, bitte bringen Sie die herrschenden „Eliten“ nicht von deren Ziel ab, uns die Welt, unser Leben und die Politik zu unserem Frommen erklären zu müssen.  Mittlerweile erzeugt nichts so viel Widerwille wie die ständigen Belehrungen, was man denken darf, reden darf, tun soll bzw. nicht. Trösten Sie sich und uns mit dem Lichtenbergischen Bonmot „… aber ich kann sagen, daß es anders werden muß, wenn es gut werden soll“. Dafür beginnt m.E. gerade der Weg - wahrscheinlich ein steiniger.

C. Lock / 11.11.2017

Volltreffer! Die CDU ist unter Merkel keine Volkspartei mehr, sondern ... ja, der Begriff Chamäleon trifft es.

Heiko Stadler / 11.11.2017

Zum Wohle von Merkels Machterhalt, die “nicht weiß, was wir besser machen sollten” wird mit den Wahlversprechen das gemacht, was mit Gesetzen schon lange gemacht wird: sie werden nach belieben gebrochen.

Jan von Werth / 11.11.2017

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Außer diesen ‘Eliten’ hält keiner diese ‘Eliten’ tatsächlich für Eliten. In den Medien sind es meist unterbezahlte Lohnschreiber, die also leistungsgerecht bezahlt werden, oder Alt-68, deren Wahrnehmungsvermögen schon immer durch die links-ökologische Bretter vor ihren Köpfen begrenzt wurde und die sich für Allwissend halten, wie das halt bei Menschen mit kognitiven Mängeln üblich ist, da sie intellektuell nicht ausgestattet sind, ihre eigene Unfähigkeit zu erkennen. Als Politiker gehören sie ebenfalls nicht zu den richtigen Eliten, denn sonst wären sie keine Politiker, sondern Berater, Selbstständige oder Top-Manager. Da es aber in aller Regel mit einem maximal durchschnittlichen Abitur nicht zu einem MINT-Studium oder einer ähnlich wertschöpfenden Tätigkeit gereicht hat, wird man eben Politiker, siehe Claudia Roth, KGE, Schulz oder Gabriel. Allerdings sollte man eines nicht vergessen: Man musste sie nicht wählen - es gab Alternativen…

Jürg Sand / 11.11.2017

Exakt! Was für ein übel riechender Dünkel umweht diesen gleichförmigen Haufen selbsternannter geistiger und politischer „Elite“. In einem grossen, behaglichen Nest aus Steuerzahlerdaunen hockt, weit über dem Boden der Realität, die arrogante Gesinnungseinheit und sch… auf die da unten. Das Beispiel mit der MwST ist übrigens ein Volltreffer in die Mitte des Schwarzen!

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