Vera Lengsfeld / 27.02.2018 / 11:03 / 27 / Seite ausdrucken

Kanzlerin Merkel nicht hilfreich

Jetzt haben sich auch Kanzlerin Angela Merkel und Dunja Hayali vom ZDF in die Diskussion um die Essener Tafel eingeschaltet. Kanzlerin Merkel verkündete in ihrem Kanzlerinnen-Kauderwelsch in einem RTL-Interview nach dem gestrigen Sonderparteitag: 

„Ich glaube, da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen. Das ist nicht gut. Aber es zeigt auch den Druck, den es gibt, und wie viele Menschen dieses Bedürfnis verspüren. Deshalb hoffe ich, dass man da auch gute Lösungen findet, die nicht Gruppen ausschließen. Aber es zeigt eben auch, wie viele Menschen auf so etwas angewiesen sind.“

Menschen, die mit ihrem sozialen und ökologischen Engagement unserer Gesellschaft unschätzbare Dienste leisten und einen pragmatischen Weg suchen, um die schwierige Situation zu meistern, müssen sich also von der Bundeskanzlerin sagen lassen, dass sie das „nicht gut" findet. Ganz in dem Stil, in dem sie auch politisch unliebsame Bücher als „nicht hilfreich" abkanzelt.

Ihre aktuellen Einlassungen verraten ein äußerst eingeschränktes Verhältnis zur „Mitmenschlichkeit“, die von dieser Regierung sonst wie ein Banner vor sich her getragen wird. Merkels „Mitmenschlichkeit“ wird zu einer Fata Morgana. Ich erinnere daran, dass Mitglieder der letzten Merkel-Regierung dazu aufgerufen hatten, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen, während die Regierungschefin verlauten ließ, dass sie keine Schutzsuchenden bei sich zu Hause haben wolle.

Etwas differenzierter argumentiert die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali. Auch sie findet, dass der vorübergehende Aufnahmestopp für Zuwanderer die Botschaft „Germans first“ „weltweit“ verbreite. Deshalb verwundere es nicht wirklich, dass „in der Nacht zu Sonntag die Autos und die hintere Eingangstür reflexhaft mit „Fuck Nazis“-Sprüchen beschmiert wurden“. Hayali übersieht dabei, dass Journalisten-Kollegen es waren, die die angebliche Botschaft „Germans first“ weltweit verbreiteten, indem sie eine bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Lage zeichneten. Nach wie vor sind 75 Prozent der Kunden der Essener Tafel Ausländer. 

Immerhin findet Hayali es „grundfalsch“, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unter Diskriminierungsverdacht zu stellen oder sie gar zu Rassisten zu stempeln. „In erster Linie sind das Menschen, die praktisch und unbürokratisch denjenigen helfen, die es bitter nötig haben. Und die diesen Menschen häufig das geben, was ihnen genommen wurde: ihre Würde.“

Aber sie kann es sich nicht verkneifen, von oben herab, ohne jede eigene Erfahrung, wie sie selbst einräumt, Ratschläge zu geben. Die Essener Tafel hätte ihrer Ansicht nach ein besseres Verfahren wählen müssen, um einen „Ausgleich“ herzustellen: Zum Beispiel „Punktesysteme, häufigere Öffnungszeiten, Losverfahren“ und anderes.

Frau Hayali sollte sich einmal vergegenwärtigen, dass es sich bei den Tafelmitarbeitern um Ehrenamtliche handelt, die unbezahlt neben ihren sonstigen Verpflichtungen Essen an Bedürftige ausgeben. Wenn eine hoch bezahlte Frau mehr Engagement von Menschen verlangt, die unentgeltlich arbeiten, ist das schon sehr merkwürdig. Was hält Frau Hayali davon ab, selbst einer Tafel bei der Essensausgabe zu helfen und ihre guten Ideen praktisch einzubringen? 

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Roland Müller / 27.02.2018

Die Frau Hayali ist wahrscheinlich der Meinung, das ihre gütige unentgeltliche Mithilfe bei der Essensausgabe unter ihrer Würde ist. Das gleiche gilt für die Aufnahme von “Schutzsuchenden” bei ihr zu Hause. Da könnten ja schließlich auch Kriminelle dabei sein.

G. Fimiani / 27.02.2018

Sie bürden den Menschen große Lasten auf, doch sie selbst rühren keinen Finger, um diese Lasten zu tragen. Mit allem, was sie tun, stellen sie sich zur Schau. ( Matthäus 23, 4 ) Allen, die sich so wohlfeil auf das christliche Menschenbild berufen, zum Gedenken.

Sebastian Weber / 27.02.2018

„Ich glaube, da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen. Das ist nicht gut. Aber es zeigt auch den Druck, den es gibt und wie viele Menschen dieses Bedürfnis verspüren. Deshalb hoffe ich, dass man da auch gute Lösungen findet, die nicht Gruppen ausschließen. Aber es zeigt eben auch, wie viele Menschen auf so etwas angewiesen sind.“ Angela Merkel hofft also, dass die Tafeln eine gute Lösung finden, damit jeder Bedürftige versorgt wird und niemand ausgeschlossen wird. Ist das nicht eigentlich die Aufgabe der Regierung, dafür zu sorgen, dass alle versorgt sind? Und ihr letzter Satz war wohl versehentlich selbstkritisch.

Peter Michel / 27.02.2018

Hieß es nicht mal vor 30 Jahren „Bonzen in die Produktion“. Das ist heute mehr als aktuell, damit diese „ Herrschaften“ wissen wovon sie reden!

Michael Jansen / 27.02.2018

Vielleicht kommt es ja sogar zu einem Besuch von Frau Hayali bei einer Tafel, dann kann man sich bestimmt darauf verlassen, dass so ein Besuch gut vorbereitet wird. Es wird für das passende Personal gesorgt werden: am Tresen ein Gemütsmensch, der sich durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen lässt, im Angebot ausreichend Ware für jeden Geschmack (klassisch, vegetarisch, halal usw.), als Kunden eine nette Oma, die sich freut, dass sie hier auf eine bunte Vielfalt von Leuten trifft, und dazu einer dieser sattsam bekannten Mustermigranten, der zwischen Deutschkurs und Sportverein mal eben zur Tafel eilt und dort natürlich die Oma in der Schlange vorlässt aus Respekt vor Frauen. Da fehlte dann im Hintergrund nur noch eine Gruppe von fähnchenschwingenden FDJ-Mitgliedern, die die Kanzlerin hochleben lassen (man könnte sonst auch Claus Kleber und Marietta Slomka nehmen), und fertig ist die Aktuelle Kamera.

Klaus Klinner / 27.02.2018

Ich möchte den vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern der Tafeln meine ungeteilte Anerkennung aussprechen, ohne ihre Arbeit sähe es für viele Menschen in der Tat sehr düster aus. Und Menschen, wie Frau Hayali haben sich in diese Dinge überhaupt nicht einzumischen, es sei denn, sie stellen sich kostenfrei hinter den Tresen, krempeln die Ärmel hoch und helfen. Aber bitte dann auch ohne Kameras, Dschingdarassa und PR in eigener Sache.

Wilfried Cremer / 27.02.2018

Ausgerechnet da, wo die Politische Korrektheit aus den Sphären der Theorie heruntersteigt und sich auf sie eingeschworene fleißige Helfer finden, wird sie ad absurdum geführt.

Belo Zibé / 27.02.2018

Es ist kaum verwunderlich, dass Frau Merkel keine Schutzsuchenden bei sich zuhause aufnimmt,klingt es doch bei Karin Göring-Eckart und Anton Hofreiter in derselben Tonart.Letztere geben allerdings Platz- und Zeitmangel zur Begründung an. Bei aktivem Engagement ohne Kamerateam und Übertragungswagen in einem Tafelladen, würden Frau Hayalis gute Ideen und vor allem ihre Gut- Menschlichkeit nicht von der zielrelevanten Personengruppe wahrgenommen werden.

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