Rainer Bonhorst / 27.07.2022 / 16:00 / Foto: DonkeyHotey / 21 / Seite ausdrucken

Hasta la vista, Boris!

Beim Blick auf die beiden Nachfolgekandidaten Johnsons beschleicht viele britische Konservative das unbehagliche Gefühl, dass mit denen keine Wahl zu gewinnen ist. Sie wirken im Schatten des temperamentvoll kämpfenden und rhetorisch mitreißenden Meisters wie matte Ersatzfiguren.

Man stelle sich vor, Angela Merkel hätte bei ihrem Abschied Arnold Schwarzenegger als „Terminator“ zitiert und „Hasta la vista, baby!“ in den Bundestag hineingerufen. Oder gar Olaf Scholz, der sich ja quasi jetzt schon weitgehend vom Amt des Bundeskanzlers verabschiedet hat. Eine undenkbare Szene im spröden deutschen Politikgeschehen. Ganz gewöhnlich ist sowas auch in England nicht. Aber möglich, wenn man einen wie Boris Johnson als unfreiwillig Verabschiedeten hat.

Abgesehen von der schauspielerischen Leistung, mit so einem Spruch aus dem Unterhaus hinauszueilen: Was hat Alexander Boris de Pfeffel Johnson wohl damit gemeint? Als Arnold Schwarzenegger „Hasta la vista“ rief, meinte er genau das, was es auch heißt: „Auf Wiedersehen“. Und auch bei den englischen Torys wird geflüstert, dass Boris Johnson es genau so meinte: „Auf Wiedersehen, Baby!“

Aber wann wird, wann kann England ihn wiedersehen? Klar ist, dass inzwischen viele Konservative den erzwungenen Abschied von Boris Johnson bereuen. Das heißt: Laut Umfragen ist zwar eine Mehrheit der Meinung, dass der Rauswurf des immer noch amtierenden Premierministers notwendig war. Aber eine nicht minder große Mehrheit sagt, dass Boris Johnson der mit Abstand beste Garant eines künftigen Wahlsieges ist. Ein Widerspruch. Na und? Der Wähler ist kein ausgeklügeltes Buch. Er ist ein Mensch in seinem Widerspruch.

Nur matte Ersatzfiguren für das Temperamentbündel Boris

Und beim Blick auf die beiden übriggebliebenen Nachfolgekandidaten beschleicht viele Konservative das unbehagliche Gefühl, dass mit denen keine Wahl zu gewinnen ist. Rishi Sunak und Liz Truss sind zwar übriggeblieben, nachdem im Unterhaus sechs andere Bewerber hinweggemendelt worden sind. Aber sie wirken im Schatten des temperamentvoll kämpfenden, rhetorisch mitreißenden und clownesken Meisters wie matte Ersatzfiguren.

Liz Truss hat bei den rund 160.000 konservativen Parteimitgliedern, die jetzt erst einmal das Sagen haben, zwar mehr Steine im Brett als ihr Mitbewerber. Sie gilt als Fortsetzung des Premierministers im Sommerkleid und ohne Charisma. Man verzeiht ihr, dass sie als liberaldemokratische Politikerin angefangen und bei den Torys als Remainerin weitergemacht hat. Inzwischen ist sie zur Ikone der harten Brexit-Truppe ihrer Partei mutiert und deren beste Hoffnung. Dabei hilft, dass sie versucht, eine neue Margaret Thatcher darzustellen. Aber ihre unsicheren Auftritte als Rednerin und ihre schwachen Debatten-Beiträge bringen ihre Freunde zur Verzweiflung. Rishi Sunak wirkt etwas stärker, faktensicherer, aber allzu technokratisch. Für die einen ist er ein erholsamer Kontrast zur Windmaschine Johnson, für viele andere aber ein Absturz in die Langeweile. Politisch geben sich die beiden nicht viel. Liz Truss sagt: „Steuersenkungen jetzt!“ Rishi Sunak sagt: „Steuersenkungen später!“

Und beide sind eine fast reine Freude für Keir Starmer, den Chef der Labour-Partei. Er ist, anders als sein Vorgänger Jeremy Corbyn, ein gemäßigter Sozialdemokrat und sieht sich schon als den nächsten Wahlsieger in etwa zwei Jahren. Und er hofft dabei auf die tätige, wenn auch unfreiwillige Mithilfe der beiden schwächelnden Konservativen.

Kommt Johnson wieder?

Es sei denn, er bekommt es gar nicht mit ihnen zu tun. Es gibt Zeitungsberichte, die Boris Johnsons politische Wiedergeburt schon für das nächste Jahr vorhersagen und auch wünschen. Der Daily Telegraph spielt mit dieser Idee, also die Zeitung, für die Johnson als Brüssel-Korrespondent so frei berichtet hat, dass sie ihn mangels Faktennähe nicht mehr halten konnten. Aber die alte Liebe ist nicht gestorben. Und Johnson selber, so heißt es, hofft, dass seine Parteifreunde und -feinde nach ihm rufen werden, wenn sie noch länger das triste Nachfolger-Paar beobachten müssen.

Könnte er am 5. September, wenn sich das Parlament aus den Sommerferien zurückmeldet, einfach gar nicht zurücktreten? Kaum. Er ist kein Präsident, sondern ein Premierminister von Gnaden des Parlaments. Abgetreten ist abgetreten, das gilt wohl selbst für diesen politischen Akrobaten.

Gibt es noch ein Szenario, das Johnsons „Hasta la vista“ wahr werden lassen könnte? Oh ja. Labour muss nur die nächste Wahl gewinnen und dann an dem miserablen Zustand, in dem sich das Königreich befindet, scheitern. Ein Zurück zur EU gibt es auch für Labour nicht, denn in der Arbeiterschaft war das Ja zum Brexit besonders laut. Keir Starmer ist in Sachen Brexit mitgefangen und mitgehangen. Die Perspektive, dass eine Labour-Regierung nach fünf Jahren wieder gehen muss, ist nicht unrealistisch.

Und wer löst den gescheiterten Sozialdemokraten dann ab? Auftritt Boris Johnson, der Mann, der den Konservativen schon einmal eine Mehrheit von 80 Abgeordneten beschert hat. Mit seinen 58 Jahren ist Johnson heute im besten Mannesalter. In sieben Jahren ist er 65. Das ist kein Alter für ein politisches Comeback, auch wenn man bei diesem „Hasta la vista“ dann auf das „Baby“ verzichten sollte.       

 

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Wolfgang Richter / 27.07.2022

Ich hoffe ja auf dir Mrs. Truss, denn mit der bekämen die Briten das dortige bildungsferne, dabei selbstverliebt-überhebliche Pendant unseres Annalehnchens verpaßt. Sehr schön die Geschichte ihres Auftritts beim Herrn Lawrow, soweit ich mich erinnere, wo sie vehement darauf beharrte, daß es die britische Regierung auf keinen Fall hinnehmen werde, wenn Rußland sich Rostow am Don einverleibt. Eine “Untergebene”, die offenbar zu intelligent für den Posten der dortigen Außenamtsreisenden war, mußte erst ziemlich ruppig den Redefluß unterbrechen, um ihrer “Chefin” sodann klar zu machen, daß das genannte “Städtchen” russisches Staatsgebiet ist. Derart gestrickte Politdarsteller erheitern zumindest das Volk auf der Basis eines Comedian, so daß der “Pöbel” für sein Geld wenigsgtens was zu lachen hat. Ansonsten sind diese Leutchen ohnehin nur durch eine völlige Umkehr jeglichen politischen Systems aus dem Sessel der Oligarchie der Seilschaften zu kippen, erkennbar egal ob nun in der EUdSSR, Brexit-Land oder sonstwo im selbst ernannten Werte-Westen.

Hans-Peter Dollhopf / 27.07.2022

Israel National News: “Report: Boris Johnson to be named head of NATO” Aber: “According to Huffington Post UK, Macron in the past has described Johnson as a “clown” and a “knucklehead,” making it unlikely he would support Johnson’s candidacy.”

Elias Schwarz / 27.07.2022

Die Deutschen und ihre Liebe zu UK, ha-ha-ha. Wir hatten schon vor einigen Jahren eine Theresa May und da ging gar nicht, und Nigel Farrage und so weiter und bla-bla-bla. Und dann gab es Wahlen und plötzlich wurde Boris Johnson zum Prime Minister und vom Parlament wurde er unterstützt und es ging mit Reformen ud mit allem notwendigen. Und so wird es auch jetzt sein.. Wenn Johnson überhaupt noch zurücktritt.

Sam Lowry / 27.07.2022

Wie in Doitscheland: Schwachköpfe werden mit noch größeren Schwachköpfen ersetzt…

Udo Gerschler / 27.07.2022

Wenn er dann NATO Chef wird dann wird es nicht heiter.

Michael Hufnagel / 27.07.2022

Ich wünsche mir Trump als nächsten US Präsidenten und Johnson weiterhin oder künftig wieder als UK Prime Minister.

Michael Hofmann / 27.07.2022

Gerade gelesen, dass beide Kandidaten dem WEF entsprungen sind. Warum solls den Briten besser gehen wie uns. So ist es wohl an der Zeit das Grundübel zu erkennen und die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Gus Schiller / 27.07.2022

@Fred Burig. Von einem führenden Politiker aus UK oder USA dürfte man auch aller seltenst hören, dass sie “mit ihrem Land nichts anfangen können”, oder hinter einem Schild gehen “USA/UK is shit” Auch das macht einen Unterschied.

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