Vera Lengsfeld / 15.11.2016 / 14:30 / Foto: D J Shin / 24 / Seite ausdrucken

Ein Fehlgriff namens Steinmeier

Das Amt des Bundespräsidenten müsste sofort ersatzlos abgeschafft werden. Das wäre die einzig richtige Schlussfolgerung aus dem würdelosen Gepoker der Parteien, das wir in den letzten Wochen miterleben mussten. Würdelos deshalb, weil es nicht darum ging, eine geeignete Persönlichkeit zu finden, sondern sich die vermeintlich beste Startposition und Machtoption für die nächsten Bundestagswahlen zu sichern. Als Sieger im Polit-Poker ging Sigmar Gabriel hervor. 

Die SPD jubelt, als hätte sie die letzten Wahlen nicht krachend verloren. Sie sieht sich, mitten im Umfragetief, im Aufwind, weil es ihr gelang, einen Mann aufs Schild zu heben, der sich gerade als für das Amt völlig ungeeignet erwiesen hat. Wie will der künftige Bundespräsident Steinmeier die USA besuchen und dem Präsidenten die Hand nicht schütteln? Meint er, dass Donald Trump Steinmeiers Geschwätz von gestern nicht stören werde?

Oder wird er die USA nicht, den Iran aber dafür zwei Mal besuchen, um die Schleimspur, die er bei den dortigen Schlächtern bereits hinterlassen hat, zu verbreitern? Steinmeier traf sofort nach seiner Nominierung überraschend den türkischen Präsidenten, um ihm die Hand, die er dem Amerikaner nicht geben will, förmlich aufzudrängen. Was soll das für ein Zeichen sein? Autokraten haben Vorrang vor Demokraten? 

Mit nicht zu überbietender Dreistigkeit behauptet Gabriel, die Personalie Steinmeier würde von der deutschen Bevölkerung breit unterstützt. Woher nimmt er diese Weisheit? Aus den wöchentlichen Umfragen nach der Beliebtheit von Politikern, in denen Steinmeier den ersten Platz einnehmen soll? Die sagen nur, dass unter den Blinden der Einäugige mit dem König verwechselt werden kann, oder mit dem Kaiser in den neuen Kleidern.

Den meisten Menschen ist Steinmeier völlig egal

Nein, den meisten Menschen ist Steinmeier völlig egal. Es interessiert sie nicht, wer der nächste Grüßaugust unseres Landes wird. Die Chance, aus dem Bundes- einen Bürgerpräsidenten zu machen, hat Amtsinhaber Gauck so tief in die Tonne getreten, dass sie für immer darin verschwunden ist. Joachim Gauck ist die größte Enttäuschung, seit es dieses Amt gibt. Er hat sich aktiv an der Spaltung des Landes beteiligt, das er in Hell-und Dunkeldeutschland teilte. Statt die Politiker, die es sich angewöhnt haben, wie Siegmar Gabriel, ihre Wähler zu beschimpfen, zur Ordnung zu rufen, beteiligte sich Gauck an diesen Beschimpfungen. Von Steinmeier ist nicht zu erwarten, dass er die Spaltung des Landes überwinden wollen wird. Seine maßlosen Tiraden gegen Donald Trump, lassen in dieser Hinsicht nichts Gutes erwarten.

Steinmeier wird ein stromlinienförmiger, der Politik höriger Bundespräsident sein, von dem kein Widerstand zu erwarten ist, sollte Deutschland weiterhin versuchen, die Türkei in ihrem Streben nach einer Präsidialdiktatur zu kopieren. 

Die CDU hat mit ihrem plötzlichem Einverständnis, das von der Kanzlerin und ihrem Gefolge als „Vernunftentscheidung“ verkauft wird, bewiesen, dass sie nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Wenn alle, die von der Kanzlerin angesprochen wurden, ob sie für das höchste Amt zur Verfügung stünden, ablehnen, oder nur bereit sind anzutreten, falls ihnen eine sichere Mehrheit garantiert werden kann, ist das ein deutliches Zeichen. 

Die „mächtigste Frau der Welt“, neuerdings sogar „Führerin der freien Welt“, hat ihr eigenes Haus nicht im Griff. Es ist keine Ehre mehr, die Bundespräsidenten-Kandidatur angetragen zu bekommen, sondern ein Risiko, das man lieber nicht eingehen möchte. 

Wie schwer es ist, diese „Vernunftentscheidung“ zu verteidigen, bewies der Innenpolitiker der CSU, Stephan Mayer, in einem Deutschlandfunk-Interview. Er konnte die einfache Frage, warum die Union plötzlich auf Steinmeier eingeschwenkt sei, nicht schlüssig beantworten. Die einzige Begründung, die er geben konnte, war, dass die Union mit einem eigenen Kandidaten eine Niederlage riskiert hätte und das kein guter Beginn für das Wahljahr 2017 gewesen wäre.

Warum das kein parteipolitisches Geschacher sein soll, konnte er nicht erklären. Aber für jeden denkenden Hörer war klar: Es geht nur noch um Machtoptionen, Verantwortung für dieses Land war gestern.

Siehe auch: Frank-Walter Steinmeier: Bundespräsident der Doppelmoral

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alexander meyer / 16.11.2016

Gab`s bisher aus gutem Grund nur Drückeberger für dieses Amt,so besetzt man es jetzt nach Art des Zentralkomitees. Als Meister des Heissluftsprechs ist Steinmeier hier der Richtige,zwar nicht der Herz-Bubealler,aber zusammen mit den beiden Vorgängern reicht es doch zum Grand “mit Dreien” um den Steuerzahler weiterhin zu reizen.Hätte man den seit dem 54. Lebensjahr im “Ehrensold” stehenden nicht recyclen können ?

Horst Jungsbluth / 16.11.2016

Unsere Kanzlerin hat eine außerordentliche Begabung, Fehlentscheidungen in bedeutenden, vielleicht sogar zentralen Politikfeldern für unser Land zu treffen, dass einem nur Angst und Bange werden kann und man sich langsam fragt, ob man etwa speziell in der CDU blind, stumm und taub ist. Denn immerhin soll sie zum vierten Male aufs Schild gehoben werden und das kann nur schief gehen, übrigens nicht nur für die Partei.  Hinsichtlich der Bestimmung (oder Zustimmung) des Kandidaten für Amt des Bundespräsidenten “eiert” sie,  solange sie Kanzlerin ist und hat dadurch den Niedergang dieses Amtes mit zu verantworten. Wenn sie und ihre Vertrauten in der Union allerdings glauben, dass sie dadurch, dass sie einen SPD-Genossen zur erfolgreichen Wahl verhelfen, die Koalition mit der SPD nach der Bundestagswahl im nächsten Jahr fortsetzen können, dann sind sie abgrundtief naiv. Was für Steinmeier spricht , ist die Tatsache, dass ihn die “Linke” ablehnt, aber vielleicht ist das auch wieder nur perfide kalkulierte Taktik.

Gabriele Laske / 16.11.2016

Vielen Dank sehr geehrte Frau Lengsfeld. Auch dieser Artikel ist erneut der Beweis für Ihren Mut, Ihre Unbeugsamkeit und Ihren klaren Verstand, den Sie auch schon als Bürgerrechtlerin in der ehem. DDR offen und furchtlos vertreten haben. Menschen wie Sie braucht dieses Land nötiger denn je, Sie sind meine Hoffnung. Liebe Grüße aus Thüringen

Frank Holdergrün / 16.11.2016

“Die SPD jubelt, als hätte sie die letzten Wahlen nicht krachend verloren. ” Besser ist der Zustand der SPD nicht zu beschreiben. Es wird für lange Zeit das letzte Mal sein, dass Anlass zu Freude besteht. Nach-hilfe und nach-denken mit Ehemaligen wäre ratsam. Zum Beispiel bei Egon Bahr: “In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.”

Johannes Reh / 16.11.2016

Ich kann nicht einschätzen wie beliebt Steinmeier wirklich ist (Kein Kommentar zu seinem fehldenden Intellekt, Intelligenz ist ja im Bundestag schon lange kein Selektionskriterium mehr), er scheint jedoch sympathischer zu sein als Gabriel. Und somit hat die SPD einen potentiellen Kanzlerkandidaten weniger, und deutlich weniger Optionen zum Koalieren 2017. Ich kann mir gut vorstellen dass das im Merkel-Lager auch so manchen heimlich freut. Auch wen die nächste GroKo das Land genauso gegen die Wand fahren wird wie RoRoGrün.

Wolfgang Kaufmann / 16.11.2016

Dass sich deutsche Öffentlichkeit in ihrem notorischen Antiamerikanismus derart einseitig gegen Trump eingeschossen haben, wird uns vermutlich teuer zu stehen kommen. Wieso sollte das Land der Freien dereinst einen einzigen Soldaten opfern, um für uns die Kastanien aus dem Feuer zu holen, wie sie es nach WK I und WK II getan haben – mal hypothetisch gesprochen, falls die Völkerwanderung hier tatsächlich mal eskalieren sollte. Wir wollten sie, wir kriegen sie.

Engelbert Gartner / 15.11.2016

Sehr geehrte Fr. Lengsfeld, vielen Dank für diesen Beitrag. Einer der Gründe, weshalb ich Pate bei der Achse des Guten geworden bin. LG Engelbert Gartner

Dr. Michael Müller / 15.11.2016

Ich finde nicht, daß das Amt ersatzlos gestrichen werden sollte, sondern für die Wiedereinführung der Monarchie. Wäre doch 2018 ein passendes Datum, 9.11.2018: Deutschland hat wieder einen Kaiser. Ansonsten stimme ich Frau Lengsfeld in jedem Satz zu.

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