Nicht digital überwachbare Autos dürften bald nicht mehr – oder nur extrem teuer – zu versichern sein. Auch Neuwagenbesitzer, die keine Daten weitergeben wollen, müssen mit höheren Prämien rechnen.
Ein bisschen gewundert habe ich mich schon. Der Sonntagsfahrer von vor zwei Wochen mit dem Titel „Jetzt kommt das EU-Altautoverbot“ wurde etwa 350.000-mal gelesen. Jetzt komme ich mir vor wie Walter Röhrl auf seinem letzten Sieg auf dem Col der Turini, was den Drehzahlmesser der Europäischen Kommission offenbar in den roten Bereich schnellen ließ. Denn um die Politkommissare ging es – und um ihre Pläne, Altautos stickum aus dem Verkehr zu ziehen. Jedenfalls sahen sie sich im EU-Newsletter zu einem sogenannten „Faktencheck“ genötigt. Jetzt warte ich nur noch darauf, dass Correctiv und Newsguard von den Apparatschiks zu Hilfe gerufen werden wie weiland die Armee Wenck aus dem Führerbunker. Die EU-Kommission schreibt:
Schließlich noch ein Faktencheck in eigener Sache: In den vergangenen Tagen kursierte in den Sozialen Medien die Behauptung, die EU verbiete die Reparatur älterer Autos und wolle die Bürgerinnen und Bürger dazu zwingen, diese Fahrzeuge auf den Schrottplatz zu bringen. Das ist falsch. Egal, wie alt das Auto sein mag – solange es die im jeweiligen Land geltenden Vorschriften erfüllt, kann es repariert und genutzt werden. Und auch Oldtimer und Sammlerstücke, die nicht mehr auf den Straßen fahren sollen oder können, müssen natürlich nicht verschrottet werden. Der Vorschlag der Europäischen Kommission soll verhindern, dass nicht mehr verkehrstüchtige Fahrzeuge einfach ins Ausland verkauft und somit an den Abfallvorschriften vorbei „entsorgt“ werden – mit all den damit verbundenen Risiken für Umwelt und Gesundheit der Menschen in diesen Ländern.
Der beste Freund der EU-Kommission ist nun mal der Pappkamerad: Man dementiert etwas, was nicht behauptet wurde. Im Sonntagsfahrer hieß es explizit, dass es nicht um Oldtimer und Sammlerstücke gehe, sondern alte Autos, die möglicherweise erst dazu werden könnten. Und dass diese, wenn TÜV, Zulassung oder beispielsweise eine Tür fehlt, verschrottet werden müssen – und nicht einfach als kleine Notreserve für den Brüsseler Morgenthauplan aufgehoben werden können (lesen Sie es im Detail hier).
Das wird auch bestätigt – allerdings semantisch verpackt wie eine Likörkirsche von Mon Chéri: „Egal, wie alt das Auto sein mag – solange es die im jeweiligen Land geltenden Vorschriften erfüllt, kann es repariert und genutzt werden.“ Man beachte den Einschub: „Solange es die im jeweiligen Land geltenden Vorschriften erfüllt“. Bingo: Die geplanten Vorschriften haben exakt das zur Folge, was hier beschrieben wurde. Im euphemistischen Eurosprech firmiert die Undercover-Aktion übrigens unter der lebensbejahenden Formulierung „den Fahrzeugbestand zu verjüngen“.
Der böse Verdacht ist in der Welt
Den betroffenen Branchen und Verbänden fuhr der Sonntagsfahrer so scheppernd in die Haxen wie ein außer Kontrolle geratener Einkaufswagen auf dem Supermarkt-Parkplatz. Es kam zu dem, was laut EU-Stimmungskanone Jean-Claude Juncker nicht passieren sollte: Es gab ein „großes Geschrei“, sprich Protestbriefe und Anrufe, die man mit Faktencheck-Placebos einzudämmen sucht. Doch der böse Verdacht ist in der Welt, und der Scheinwerfer, der nun auf die Sache gerichtet ist, verfolgt die EU-Kommissare, als seien sie auf der Flucht aus Sing Sing.
Beim Verband der Automobilindustrie (VDA) hat man allerdings Wichtigeres zu tun. Verbandschefin Hildegard Müller ist eine Schutzbefohlene von Angela Merkel und fand nach ihrer CDU-Karriere beim VDA einen trockenen Stellplatz. „Die Lage ist ernst“, sagt Frau Müller, und meint damit nicht etwa die vom Verbrennerverbot und E-Autozwang verursachte Existenzkrise der Autoindustrie, sondern „Populisten“, die versuchen, „die Unsicherheit und Zukunftsangst von Menschen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren“. Hass, Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit haben laut Frau Müller in unserer Gesellschaft keinen Platz, Raum ist lediglich für 15 Millionen Elektroautos, die aber leider keiner haben will.
Die VDA-Stellungnahme kam praktisch zeitgleich mit der Meldung, dass jetzt auch bei Bosch 1.200 Arbeitsplätze wegfallen, was insofern von Belang ist, als die Jobsicherheit bei dem schwäbischen Zulieferer bislang gleich nach der Verbeamtung kam. Gleichzeitig baut China eine ganze Transporterflotte, um den deutschen Markt mit Elektro-Dumpingmobilen zu überschwemmen. Die Bedrohung für unseren Standort ist nach Ansicht der VDA-Chefin aber nicht etwa die suizidale Politik unserer Regierung, sondern der schlechte Ruf der AfD.
Die Politkommissare sind allenthalben verdammt nervös, weil ihnen die Zeit davonrennt. Laut des für gewöhnlich gut unterrichteten Mediums Achgut.com sollen viereinhalb Monate vor den Europa-Wahlen bereits in neun EU-Staaten „populistische Rechtsparteien“ in Führung liegen. Das heißt, der Countdown im Europaparlament läuft wie beim Jungfernflug der Ariane 5, die sich mit einem Grand Finale verabschiedete. Zur Sicherheit hat die EU vor zwei Wochen im letzten Büchsenlicht noch den „Digital Services Act“ verabschiedet, mit dem nationale und EU-Institutionen Hand in Hand alternative Informationsflüsse verhindern können. Ärgern wir sie also, solange es noch geht.
Ein prinzipiell schusssicherer Plan B
Und damit sind wir beim Altauto-Bann, Teil 2: Für den Fall, dass die Verschrottungs-Initiative noch verhindert oder zumindest abgemildert werden sollte, gibt es einen prinzipiell schusssicheren Plan B. Und der lautet: Die Assekuranzen könnten es innerhalb absehbarer Zeit ablehnen, alte Verbrenner überhaupt noch zu versichern. Die Gedankenspiele dafür gibt es längst. In einem auf englisch verfassten Papier schwärmt Christoph Lauterwasser, Managing Director, Allianz Center for Technology: „Stellen Sie sich eine Welt vor, in der der Versicherer wie ein unsichtbarer Schutzengel für Autofahrer fungiert und sie vor bevorstehenden Wettergefahren oder zu meidenden Unfallschwerpunkten warnt.“ Eine Welt, in der die Allianz mein unsichtbarer Schutzengel ist, stelle ich mir ehrlich gesagt lieber nicht vor. Wenn eine Versicherung dergestalt altruistische Motive vorgibt, ist grundsätzlich höchste, aber allerhöchste Vorsicht geboten. Die Allianz-Veröffentlichung ist mit dem Titel „Doorway to a new era in automotive insurance“ versehen. „Der Weg in eine neue Ära der Kfz-Versicherung“ könnte allerdings ein Problem für diejenigen werden, die ihn nicht mitgehen können oder wollen. Sprich: Automobile besitzen, die nicht sämtliche Fahr- und Persönlichkeits-Daten in Echtzeit an die Versicherungsgesellschaft übertragen. Betroffen wären davon naturgemäß insbesondere ältere Verbrenner. Die sind dann womöglich nur noch gegen einen Sack voll Krüger-Rand oder gar nicht mehr versicherbar.
Die Interessen der EU-Komission und der Allianz sind auf bemerkenswerte Weise deckungsgleich, und es wäre ein Wunder, wenn diese nicht zueinander finden würden wie ein Hochzeitspaar in Gretna Green. Ganz einfach deshalb, weil Geschwindigkeitsübertretungen, forsche Fahrweise, häufigere Nachtfahrten, lautes Radiohören, despektierliches Schimpfen oder hörbare Verdauungsprobleme künftig umgehend in die Höhe der Prämienberechnung eingehen.
Hunderte von Hightech-Sensoren kennen den Fahrer eines aktuellen Automobils besser als der sich selbst. Ich persönlich sehe meinen Versicherungsbeitrag noch schneller steigen als meinen Blutdruck bei der Lektüre von EU- oder Allianz-Papieren. Es wird wohl kommen, wie es kommen muss: Wer die Polizei, die Versicherung, das Finanzamt, den Zoll und die Bank auf der Rückbank mitfahren lässt, wird entsprechend belohnt, das geschieht selbstverständlich freiwillig; wer nicht will, kriegt lediglich keine Schadensdeckungspolice oder nur eine sündhaft teure. Prinzipiell wurde die Methode ja schon bei den Impfverweigerern angewendet, die bekamen auch kein Schnitzel mehr und mussten draußen bleiben.
Unternehmen wie die Allianz haben naturgemäß ein großes Interesse an achtsamen Beziehungen zur herrschenden Klasse, auch dies geht aus dem bereits erwähnten Allianz-Papier hervor. Dort heißt es:
„Bis vor kurzem waren die Autohersteller die Hüter dieser Datengoldmine, aber das neue EU-Datengesetz wird die Spielregeln ändern und die Autobesitzer haben wieder das Sagen, wenn es darum geht, wer Zugriff auf die Daten ihrer Fahrzeuge hat." In einfacher Sprache: Sie müssen der Allianz freiwillig den Zugriff darauf erlauben oder es wird teuer. „Zum ersten Mal werden Autobesitzer die Möglichkeit haben, auf ihre eigenen Daten zuzugreifen und sie in Echtzeit mit den von ihnen ausgewählten Personen zu teilen."
Wohin der Hase läuft, zeigt eine Umfrage, die die Allianz unter Autobesitzern machte. Ergebnis: „Jeder zweite Befragte ist bereit, seine Daten für Versicherungsdienste zur Verfügung zu stellen, jeder zweite Autofahrer befürchtet Datenmissbrauch, und drei Viertel der Befragten fordern klare Löschverfahren". Fazit der Allianz: „Wir müssen unsere Kunden davon überzeugen, dass die Weitergabe von Daten an uns nicht nur sicher ist, sondern ihnen auch Vorteile bringt." Die wirksamste Methode für diese Überzeugungsarbeit lautet: Entweder du willigst ein oder du gehst zu Fuß. Altautobesitzer, die gar keine Daten haben, auf denen sie der Allianz Zugriff gewähren könnten, sind dabei vermutlich ein bei den Kumpels von der EU willkommener Kollateralschaden.
Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber der Achse des Guten.Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.
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