Rainer Grell / 28.05.2018 / 17:00 / Foto: Ryan Lintelman / 12 / Seite ausdrucken

Brot für die Welt, Hirn für Deutschland!

Es ist immer wieder erstaunlich, wenn einem bewusst wird, dass es auch 234 Jahre nach Veröffentlichung von Kants berühmtem Essay „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung“ immer noch Zeitgenossen gibt, die nicht in der Lage oder willens sind, „sich [ihres] Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“. Mag sein, dass man zur Zeit des großen Königsberger Philosophen Mut dazu brauchte. Schließlich war die Zensur nicht nur in Preußen allgegenwärtig, wovon besonders Heine ein Lied singen konnte. Aber heute?

Besonders befremdlich ist dieses Phänomen, wenn es nicht „im einfachen Volk“, sondern in der Regierung selbst zu beobachten ist, verfügt diese doch über alle Möglichkeiten, sich kundig zu machen, wenn das eigene Wissen nicht ausreicht. Aber das ist wohl gerade das Problem: Wenn der eigene Verstand Defizite aufweist, steht er offenbar auch der Nutzung fremder Intelligenz im Wege.

Wie ich plötzlich auf diese Gedanken komme?

Nun, rein zufällig las ich gerade auf tagesschau.de: „Rund 78 Milliarden Euro wird die Flüchtlingspolitik in Deutschland laut Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bis 2022 kosten.“ Da mag manch ein Steuerzahler erleichtert aufatmen und denken: Das ist ja weniger, als ich befürchtet habe. Falsch. Es ist viel mehr. Wesentlich mehr. Denn die Lasten für mehr Betreuer in Kindertagesstätten und Kindergärten, für mehr Lehrer in den „Willkommensklassen“ und Regelklassen, für mehr Mitarbeiter in der Sozial- und Jugendämtern, für mehr Polizisten und für mehr Richter, um die Flut der Asylprozesse zu bewältigen, sowie etliche weitere Kosten (z.B. nach dem Asylbewerberleistungsgesetz) werden von den Ländern und Kommunen getragen. Und kein Mensch ist in der Lage, sie auch nur einigermaßen genau zu beziffern.

Ein renovierungsbedürftiges Land

Und das einzige Argument, das angeführt wird, um diese Irrsinnssummen zu rechtfertigen, lautet: „Deutschland ist ein reiches Land“. Okay, ein bisschen Mitgefühl und Humanität sind auch noch im Spiel. Aber dafür kann sich niemand etwas kaufen.

Nun wäre das alles vielleicht halb so schlimm, wenn nicht auf der anderen Seite riesige Defizite bestünden: Straßen und Brücken sind marode, Schul- und Behördengebäude sind dringend renovierungsbedürftig. Anfang des Jahres fehlten noch 300.000 Kita-Betreuungsplätze. Schwimmbäder müssen aus Geldmangel geschlossen werden. Und auch ohne den Flüchtlingszuwachs fehlen Betreuer, Lehrer, Polizisten, Richter und Altenpfleger.

Wer käme in dieser Situation auf die Idee, eine unübersehbare Zahl von Flüchtlingen ins Land zu lassen, wenn er sich auch nur kurz seines eigenen Verstandes bediente? Und dann heißt es in der erwähnten Tagesschau-Meldung noch, „Größter Posten sei die Bekämpfung von Fluchtursachen.“ 31 Milliarden sollen hierfür veranschlagt sein.

Nach Angaben des Statistik-Portals Statista fliehen die meisten Flüchtlinge vor Krieg. Im Einzelnen werden als Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes angeführt:

Angst vor gewaltsamen Konflikten/Krieg: 70 Prozent

Verfolgung: 44 Prozent

Schlechte persönliche Lebensbedingungen: 39 Prozent

Diskriminierung: 38 Prozent

Angst vor Zwangsrekrutierung: 36 Prozent

Wirtschaftliche Situation im Herkunftsland: 32 Prozent.

Wie kauft man eine „Bleibeperspektive“?

Verwundert reibt sich mancher Kant-Jünger die Augen: Welche Fluchtursachen können denn hier mit Geld bekämpft werden.

Auf der Website der Bundesregierung liest man hierzu:

„Deutschland unterstützt seit vielen Jahren den Kampf gegen Fluchtursachen – bilateral, gemeinsam mit anderen Industriestaaten, der EU und internationalen Organisationen. Dabei sind – je nach Situation – schnelle humanitäre Hilfe oder langfristige Entwicklungszusammenarbeit, Diplomatie oder militärische Zusammenarbeit gefragt.“

Aha, seit vielen Jahren. Und deshalb kamen am 4. September 2015 und danach über eine Million Flüchtlinge ins Land?

Ja, und dann wird die Geberkonferenz in London vom 4. Februar 2016 zitiert, die rund elf Milliarden US-Dollar bereitgestellt habe, „um den Menschen in den Krisengebieten in und um Syrien eine Bleibeperspektive zu geben“. Mal abgesehen davon, dass solche Beschlüsse keineswegs bedeuten, dass das Geld auch tatsächlich ausbezahlt wird und denen zugute kommt, die es wirklich benötigen: Wie sollen die Menschen in und um Syrien eine „Bleibeperspektive“ erhalten, solange dort der Krieg zwischen dem Assad-Regime, dem Islamischen Staat und einer unübersichtlichen Zahl von Rebellen-Gruppierungen tobt? Und wo es so (Deir ez-Zor) aussieht und so (Aleppo) und so (Homs)?

Die einzige halbwegs sinnvolle Maßnahme zur Bekämpfung von Fluchtursachen könnte allenfalls diese sein: „Das Auswärtige Amt hat in einigen Herkunftsländern gezielte Aufklärungskampagnen gestartet, um Falschmeldungen und Gerüchten entgegenzuwirken und die Menschen vor den Gefahren einer Flucht zu warnen.“ Dringend geboten wäre jedoch, sie darüber aufzuklären, was sie hier in Deutschland erwartet, und das deutsche Asylrecht internationalen Standards anzupassen, also den Wahnsinn eines einklagbaren Individualrechts zu beenden.

Foto: Ryan Lintelman CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Volker Wolk / 28.05.2018

Laut Internationalen Regeln ist man KEIN Kriegsflüchtling mehr sobald man ein sicheres Gebiet erreicht,das kann auch ein UN Lager im eigenen Land sein!Es gibt also keinen einzigen Kriegsflüchling in Deutschland.

Dr. Kai Schöneboom / 28.05.2018

Zum Thema Bleibeperspektive fällt mir eine der wichtigsten anstehenden Anschaffungen Deutschlands ein, die möglichst bald erledigt werden sollte: Die Anschaffung einer Insel in Französisch-Polynesien oder den Niederländischen Antillen oder anderer passender Stelle. Dort müsste dann ein Flugplatz gebaut werden und Unterkünfte und noch so dies und das. Und dann hätten wir endlich einen Ort, wo alle Mörder, Vergewaltiger, Körperverletzer, Räuber und anderes Gift für unsere Gesellschaft, die zwar ein Handy, aber keinen Pass haben, oder denen ihre Heimatländer keine Rückeinreise gestatten, hingebracht und verwahrt werden können. Das ist im Vergleich zum Status quo für kleines Geld zu haben, und vor allem sind unsere Bürger dann wirklich sicher vor diesem importieren Gesocks. Und es wäre dann wieder mehr Kapazität für unser landeseigenes Gesocks vorhanden, von dem wir ja ohnehin schon mehr als genug haben. Gerade heute sprach ich mit einem Beamten aus dem Justizvollzug. Ein Türkeideutscher übrigens. Er erzählte mir, dass auch im Justizvollzug der Personalmangel und Nachwuchsmangel schon voll durchschlägt und dass die Einstellungskriterien gelockert worden seien. Und das würde man an den wenigen neuen Kollegen, die da nun kommen, auch merken. Und auch das wieder ein Grund mehr für ein auswärtiges deutsches Inselterritorium, wo die passlosen Herrschaften dann unter sich leben können.

Karla Kuhn / 28.05.2018

Viele afrikanische Länder werden von korrupten Regierungen regiert, Glaubt da wirklich jemand, daß die Geldspenden bei der armen Bevölkerung ankommen ??  Was aber in Afrika ein ganz wichtiger Punkt ist, der ganz oben auf der Agenda stehen muß, ist die Überbevölkerung. Wenn wir uns schon einmischen müssen, dann statt mit viel Geld,  mit der RICHTIGEN Sexual Aufklärung. Dazu gehört auch das Thema Abtreibung und Sterilisation. Ach in Deutschland gibt es Frauen, die sich nach dem zweiten oder dritten Kind einer Sterilisation unterzogen haben. Das Thema ist weder “rächts” noch rassistisch, sondern einfach nur realistisch und DRINGEND notwendig.

Gabriele Klein / 28.05.2018

PS: jetzt habe ich einen “Rechenfehler” gemacht: soll heißen “proportional”

Gabriele Klein / 28.05.2018

“Aber das ist wohl gerade das Problem: Wenn der eigene Verstand Defizite aufweist, steht er offenbar auch der Nutzung fremder Intelligenz im Wege.” Chapeau Herr Grell! Ich meine es war Dostojewski der sinngemäß folgende Beobachtung machte, die mir nie mehr aus dem Sinn ging: “Alles was leer ist, hat die Tendenz sich zu füllen….... mit der einzigen Ausnahme des menschlichen Hirns…..... “Wobei ich noch ergänzen würde: Das Ausmaß des Leerraums in gewissen Köpfen verhält sich umgekehrt proportional zur Tendenz sich zu vermehren….  ..man denke nur an das große Volk der Abgeordneten, Minister, Moderatoren ohne “Raum” (pardon Grenzen)  .....Aber indem sie volle Taschen haben, kommt es auch in Dostojewski’s Dialektik zur Synthese bzw. die “Fülle” unter die Haube der Leere…...

Peter Gentner / 28.05.2018

Das ist zwar grundsätzlich richtig, geht aber doch etwas an der Realität dabei. Syrien als Kriegsherd zu nennen ist nur in Teilen richtig und der größte Teil der Flüchtlinge kam und kommt nicht von dort. Einem Tunesier, Algerier oder Marokkaner sieht man nicht unbedingt an dass er kein Syrer ist und Ausweispaiere haben nur die Wenigsten. Der Hauptansturm derzeit kommt aus Schwarzafrika. Der Grund ist Armut, Hunger und Perspektivlosigkeit durch eine jahrelange “Entwicklungshilfe”, die völlig am Kern der Sache vorbei ging und geht und nur die Organsiationen selbst am Leben erhält. Afrika hat jedes Jahr einen Bevölkerungszuwachs von rund 50 Millionen Menschen. Trotz Kriege, Hunger und Katastrophen. Solange sich daran nichts ändert ist das ein Fass ohne Boden und von keinem Staat der Welt aufzufangen. Unser Asylgesetz ist m.E. völlig ausreichend, man müsste es nur konsequent anwenden. Aber seit 2015 ist der §16a per Ministererlass ausgehebelt, ohne dass sich eine Änderung abzeichnet. Die Grenzen stehen immer noch offen, während sich der deutsche Flugreisende am Flughafen strengen Blicken und Befragungen ausgesetzt fühlt.

Frieda Wagener / 28.05.2018

Die Haupt-Fluchtursache heißt König Hartz IV. Den muß man zuerst bekämpfen.

Werner Arning / 28.05.2018

Wenn schon seit Jahren so viel für Flüchtlinge und gegen Fluchtursachen getan wird, wieso wurden dann relativ kurz vor dem September 2015 die UN-Hilfsgelder für die Flüchtlingscamps nahe der syrischen Grenze um, ich glaube, die Hälfte gekürzt? Wieso hat man nicht, im Gegenteil, die Camps besser ausgestattet? Mit relativ niedrigem Aufwand hätte man hier gezielt helfen können.

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