Wolfgang Röhl / 13.08.2012 / 10:32 / 0 / Seite ausdrucken

Biogas. Die große Maise

Wenn ich gelegentlich zu meiner Molkerei nach Hasenfleet fahre, um die leckere Kürzerfrische zu kaufen (3,8 Prozent, nicht homogenisiert), fällt mir etwas seit einigen Wochen angenehm auf. Ich werde die hässliche Phalanx der Rotoren nicht mehr gewahr, die vom fernen Oederquarter „Windpark“ aus die platte Marsch optisch verschandeln. Natürlich sind die Dinger nicht weg. Niemand hat ein Einsehen gehabt und sie verschrottet. Ich sehe sie bloß nicht mehr.

Und das kommt so: weil jeder in der Region, der auch nur ein badetuchgroßes Stückchen Land besitzt, darauf inzwischen Mais anbaut, statt wie früher Weizen, Roggen oder Raps, fährt man in meiner Gegend - wie überall in der Republik – über Straßen, neben denen sich rechts wie links Maisfelder erstrecken. Mais, nichts als Mais.

Der Mais steht jetzt so hoch, dass er einem gnädig die Fernsicht nimmt. Ulkig: die Windkraftindustrie, nach der Solarindustrie die teuerste und unsinnigste Form von Stromerzeugung und CO2-Vermeidung, wird von einer genau so irrsinnigen Branche, der „Biogas“-Industrie, optisch übertüncht. Zumindest ein paar Wochen lang.

Wer sich im ländlichen Raum nicht so auskennt, muss wissen: die üppige Subventionierung der Biogas-Produktion durch das „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ (EEG) hat dazu geführt, dass schlaue Bauern massenhaft auf den Mais-Zug gesprungen sind. Die „Vermaisung“ riesiger Agrarflächen - um 20 Prozent der deutschen Anbaufläche soll es sich mittlerweile handeln - ist ein Thema der Medien geworden, auf das sich sogar Naturschutzverbände geworfen haben. Welche ansonsten alles Erneuerbare blindlings durchwinken - Natur hin oder her. Doch die Entstehung gewaltiger Monokulturen – noch vor kurzem war das in erster Linie der für die „Biodiesel“-Erzeugung benötigte Raps-Anbau – wirkt sich auf die Umwelt derart verheerend aus, dass es selbst sehr naiven Ökofreunden auffällt.

Mais muss besonders stark gedüngt werden, wodurch die Fleete, Wettern, Flüsse und Seen, an deren Ränder sich viele Maisfelder herangemacht haben, heftig verseucht werden. Überall wo Mais abgebaut wird, steigt die Nitratbelastung des oberflächennahen Grundwassers. Maisanbau verdichtet die Böden. Zudem fühlt sich in den öden Maisplantagen nichts mehr wohl, was kreucht und fleucht. Einzig die Wildschweine vermehren sich darin explosionsartig, die Viecher sind zur Landplage geworden.

Die Artenverarmung durch den Mais-Boom ist allerdings nur die ökologische Hälfte des Dilemmas. Die ökonomische: zur Maiserntezeit röhren unablässig auf dem Land gewaltige Schlepper und LKW anhaltend, denn die gehäckselten Pflanzenmassen müssen zu oft weit entfernen Biogas-Anlagen verbracht werden, wo sie in ein bisschen Energie verwandelt werden können. Allein der Treibstoffverbrauch der mit schweren, PS-starken Maschinen operierenden Ernte-Lohnbetriebe macht einen guten Teil der erhofften nachhaltigen Energieerzeugung zunichte.

Die Landstrassen, ohnehin chronisch vernachlässigt, werden durch den brachialen Maschineneinsatz ruiniert, sehen inzwischen aus wie die von Burkina Faso. Ihre Sanierung verschlingt wiederum Energie ohne Ende. Das alles, damit etwas Biogas entsteht, mit dem hier und dort ein Treibhaus oder ein Schwimmbad erwärmt, ein Kühlhaus gekühlt wird. Ein nicht geringer Teil der Ausbeute verdunstet eh, bevor er genutzt werden kann.

Was später passiert, ist aus ökologischer Sicht noch gruseliger. Der ausgelaugte Mais-Abfall aus der Biogaserzeugung wird häufig in das nächstbeste Gewässer eingeleitet, deren Bewohner bald danach bauchoben treibend zu besichtigen sind. Wer „Unfall“ mit „Biogasanlagen“ koppelt und das bei Google aufruft, kriegt schon mal eine Ahnung von der Chose. Die Oste in Nordniedersachsen zum Beispiel, an der ich niste, wurde von vielen fleißigen, ökologisch sensiblen Leuten im vergangenen Jahrzehnt zu einem Fluss der allererster Güteklasse promoviert.

Könnte sich bald umkehren, dank Biogas.

Ein anderer Kollateralschaden des Mais-Wahns: die Pachtengelte sind rapide gestiegen, weil ein Run auf jedes freie Stück Land eingesetzt hat. Wer Vieh hält und viel Heu braucht, kann heute kaum noch Wiesen zu vernünftigen Preisen pachten. Junge und finanzschwache Bauern bleiben dabei auf der Strecke, die die Höfe der Fat Cats legen weiter zu.

Politische Kuriosität: die sich jetztendlich gegen die grassierende Vermaisung stemmen – altgediente Naturfreunde, aus ihrem Dusel aufgewachte Journalisten, ergraute Pauker, vernünftige Leute aus der Kommunalpolitik -, entstammen vielfach dem linksgrünen Milieu. Sie halten die Biogas-Bonanza für einen bedauerlichen Fehler im System. Aber Wind- und Solarstrom, ebenfalls mit Steuergelder gepäppelte Kretins des EEG, die halten sie für hoch begabt. Hätten sie doch nur ihre frühen Parolen verinnerlicht! „Das System macht keine Fehler – es ist der Fehler“. Oder mal den ollen Adorno aktualisiert: „Es gibt keine richtige Energieerzeugung in der falschen.“

PS: Um Leute zu beruhigen, die bei ihren Fahrten durch die endlosen Maislabyrinthe immer einen Hals kriegen, könnte man natürlich etwas Cleveres machen. Wie wäre es, wenn man Solaranlagen statt auf Dächer lieber längs der Maisfelder aufstellte? Die Panels würden dann gnädig den einen Unfug durch einen anderen verdecken. Und die Windspargel wären praktisch auf Dauer unsichtbar.

So viel zu tun, im erneuerbaren Deutschland.

http://www.planet-wissen.de/alltag_gesundheit/essen/mais/deutschland.jsp

http://www.niederelbe.de/ostemarsch/mais.htm

http://www.niederelbe.de/ostemarsch/spiegel-biogas.pdf

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/biogas_und_landschafts_vermaisung_weitere_folgen/

 

 

 

 

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