Gastautor / 25.09.2015 / 12:00 / 21 / Seite ausdrucken

Arbeitsmarkt: Deutsche streben nach Anstellung, viele Migranten nach Selbständigkeit

Von Eva Ziessler

Die Flüchtlinge aus Syrien, so werden wir beharrlich und immer mit süffisantem Unterton aufgeklärt, seien beileibe nicht sämtlich „Ärzte und Ingenieure“, und deshalb sollten wir mal besser ganz schnell die Illusion aufgeben, sie würden sich schnell „in den Arbeitsmarkt integrieren lassen“, wie die - wohlgemerkt passivische - Formulierung lautet. Für diejenigen, die sich auch in ihren blühendsten Phantasien nicht auszumalen vermögen, dass man am Markt teilnehmen kann außer in Form einer „abhängigen“ Beschäftigung, ist die Katastrophe dann folgerichtig unabwendbar und deren Eintritt nur noch eine Frage der - sehr kurzen - Zeit: Hunderttausende, kaum der deutschen Sprache mächtig, werden, samt ihren nachgezogenen Familienmitgliedern, nicht in der Lage sein, eine Arbeit zu „finden“ und deshalb auf Dauer vom deutschen Steuerzahler alimentiert werden müssen.

Dieses im Spießerhirn geborene Bild wird nun aber durch die Erfahrung vollständig widerlegt: Erwachsene Flüchtlinge und Wirtschaftsflüchtlinge arbeiten im neuen Land nur sehr selten in ihrem eigenen Beruf (Ärzte, Pfleger, Ingenieure und IT-Entwickler sind die Ausnahme), weil die Sprachbarriere das in den meisten Berufen nicht erlaubt. Statt dessen machen sie sich selbständig. Ich kenne da Dutzende Beispiele: Der ungarische Anwalt, der 1988 eine Putzfirma aufmacht, das Philologenehepaar aus Kiew, das seit 25 Jahren vier Tankstellen in einer deutschen Großstadt betreibt, die afghanische Malerin mit eigener Galerie; portugiesische, italienische, spanische, afghanische und chinesische Restaurantbesitzer, die in ihrem eigenen Land oft Akademiker waren, türkische Gemüsehändler, iranische Exporteure für Bierbrauanlagen und, und, und. In New York sind in den letzten Jahren viele der kleinen Obst- und Gemüseläden verschwunden, die die Orangen immer in so hübschen Pyramiden auf dem Gehweg ausgestellt hatten: Die Vietnamkriegsflüchtlinge aus allen gesellschaftlichen Schichten, die sie eröffnet hatten, sind zu alt, um noch weiterzumachen, und ihre Kinder arbeiten als Investmentbanker, Ärzte und Anwälte. Und die illegalen mexikanischen Einwanderer können leider auch nicht in deren Fußstapfen treten, weil sie als Illegale keine Geschäfte betreiben dürfen…

Auf facebook berichtet ein Bekannter seit drei Wochen, dass in Berlin die syrischen Imbisse zur Zeit wie Pilze aus dem Boden sprießen: Sehr lecker und auch noch billig, ist sein Kommentar. Der deutsche Spießer aber sieht vor seinem geistigen Auge Bilder von jungen syrischen Männern, die jahrelang - und üppig ausgestattet mit seinen Steuergeldern -  in „Asylantenheimen“ wohnen, wo sie bestenfalls den ganzen Tag auf dem von ihm bezahlten iphone rumdaddeln und schlimmstenfalls rausgehen, um entweder deutsche Frauen auf der Straße zu vergewaltigen oder sich einem islamistischen Prediger anzuschließen. Alles andere sprengt seine äußerst begrenzte Vorstellungskraft.

Ich gebe aber zu, dass man ihm - dem deutschen Spießer - dabei eins zugute halten muss: Sein Bild vom Einwanderer - oder „Zuwanderer“ - ist durch und durch bestimmt durch den Typus des türkischen „Gastarbeiters“ von vor fünfzig Jahren, der vom deutschen Staat „angeworben“ und dann in eine Ghettowohnung, sowie in die für ihn vorgesehene Arbeit „umverteilt“ wurde. Dass es diese - sehr untypische - Form der Einwanderung seit mindestens dreißig Jahren nicht mehr gibt, ist ihm bis heute nicht aufgefallen. Ebensowenig kann er begreifen, dass die allermeisten, die aus Afghanistan und Syrien auf beschwerlichem Weg hierhergekommen sind, viel mehr anstreben als das iphone auf seine Kosten - und in der Regel die Intelligenz, den Willen und die Kraft haben, das auch zu erreichen. Die Qualität der Ausbildung, die sie genossen haben, ist dabei relativ belanglos.

Aber so wird er dann umgetrieben von diversen Ängsten und Befürchtungen angesichts jedes Ausländers, der deutschen Boden betritt, um sich hier vorübergehend oder vielleicht auf Dauer aufzuhalten und Geld zu verdienen. Vielleicht befürchtet er insgeheim, dass der syrische Flüchtling, der heute in die Containersiedlung bei ihm nebenan einzieht, nach nur zwei Jahren schon eine Eigentumswohnung in der besseren Gegend kauft und die iphones für seine Familie mit Sicherheit aus eigener Tasche zahlen kann?

Zuerst erschienen auf Eva Ziesslers Blog hier.

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Leserpost

netiquette:

Michael Boden / 26.09.2015

Gemach, gemach, Herr Dr. Buitoni, ich bin auch mit dem Inhalt des Artikels (zumindest weitgehend) nicht einverstanden, mich störte auch der etwas inflationäre Gebrauch des Wortes “Spießer”. Aber Frau Ziessler sollte doch hier weiter verlinkt werden. Warum denn nicht? Kontroverse Beiträge tun der Achse doch gut? mit freundlichen Grüßen Michael Boden

Isabel Kocsis / 26.09.2015

Dem obigen Kommentar von Herrn Dr. Buitoni ist nicht hinzuzufügen. Ich möchte mich vollinhaltlich anschließen und bitte ebenfalls, den mainstream-Blog von Frau Ziessler nicht mehr auf der Achse zu verlinken. Man besucht nicht die Achse um solche heuchlerischen Beschönigungen zu lesen. Mit freundlichen Grüßen Isabel Kocsis

Brigitte Mittelsdorf / 26.09.2015

Frau Ziessler kann schreiben für wen sie möchte, doch bitte nicht für die “Achse”. Eine Bitte, die nichts zu tun hat mit Ausgrenzung anderer Meinungen, sondern mit gutem, klugen Journalismus. Und diesen hat Frau Ziessler nicht zu bieten. Überhaupt nicht!

Sabine Rainer / 26.09.2015

Ehrlich möchte ich nicht, daß mich diese Frau als “Spießer” bezeichnet, nur weil ich nicht die nötige kriminelle Energie aufbringe, ein Unternehmen zu gründen, das hauptsächlich der Geldwäsche dient oder Schwarzgeld am Fiskus vorbeischaufelt. Wieviele Imbisse benötigt dieses Land denn noch? Ich habe jahrelang als Buchhalterin für diese “Firmen” Buchhaltung gemacht. Ich kann sagen, die pfeifen alle auf dem letzten Loch, und von Hygiene keine Spur, keine Ahnung von ordentlicher Buchführung, geschweige denn ordentlicher Anmeldung der Mitarbeiter. Minderwertige Zutaten, nur Schmu und Geschummel. Oder Reinigungsfirmen, dasselbe in Grün. So viel Dreck gibt es nicht wegzuputzen wie diese Dinger aus dem Boden schießen. Und sie wollen alle Chef sein, keiner will selbst anpacken. Genau das ist nämlich der Grund, warum die sich selbständig machen, die können keine Anweisungen annehmen und sich einordnen. “Lecker und billig” - wenn das nicht deutsches Spießertum par excellence ist - billig, Hauptsache billig. Kein ordentlicher Unternehmer, der mit guten Lebensmitteln arbeitet, kann davon existieren. In Wahrheit werden diese syrischen “Unternehmer” ergänzendes H4 bekommen oder sie verkaufen Dummköpfen Gammelware bestehend aus qualitativ minderwertigen Zutaten. Ich würde gerne diesen schwachsinnigen Artikel gelöscht sehen, sonst kann ich gleich wieder zu SPON gehen.

Karl Mallinger / 26.09.2015

Ganz ehrlich: Ich bin mir bei den Beiträgen von Eva Ziessler immer noch unschlüssig, ob sie nicht als Satire gemeint sind. Ich tendiere aber zu der Ansicht, DASS sie es sind.

Ralf Hart / 26.09.2015

Ja, Frau Ziessler! Wir Dunkeldeutsche sollten endlich das schwedische “Erfolgsmodell” adaptieren. Das dortige Unternehmertum der Orientalen hat beispiellose Erfolge zu verzeichnen. Ebenso sind die französischen Vorstädte Hotspots der Bruttoinlandsproduktvermehrung. Wie kann man das bloß ständig übersehen? Imbissbuden braucht das Land! Wie einfach sich ein Kernproblem Deutschlands doch lösen läßt. MfG Ein Spießer

Max Wedell / 25.09.2015

Wer negative Einzelfälle verallgemeinert, kann damit falsch liegen… Wer positive Einzelfälle verallgemeinert, kann damit aber leider ebenso falsch liegen. Das ist Frau Ziessler aber anscheinend egal, daß sie falsch liegen könnte, wenn sie aufgrund einer Handvoll syrischer Imbißbuden in Berlin, von denen sie mal gehört hat, und dem einen oder anderen gut gelungenen Einwandererfall von irgendwo auf wunderbare Freiberufler-Karrieren in spe für das Gros der jetzt eintreffenden arabischen Flüchtlinge schließt. Daß sie dann auch noch Vietnamesen in New York bemüht, um die Möglichkeit von Problemimmigration aus der arabischen Welt nach Deutschland kleinzureden, trägt Züge des Verzweifelten. In den “seriösen” Medien geht man da manchmal subtiler vor. Dort werden dem Leser nicht nur regelmäßig positive Einzelfälle als zuverlässiger Indikator dafür empfohlen, wie die Gesamtlage ist, sondern es werden vereinzelt sogar tatsächlich Zahlen genannt, die sich auf mehr als nur das ganz Partielle beziehen… etwa die Zahl der Unternehmensgründungen durch Personen mit türkischem Migrationshintergrund, um ein Beispiel zu nennen. Der Leser nimmt brav mit: “Uiii, sind das viele”... Setzt man die verkündete Zahl in Relation zur Gesamtzahl der hiesigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund, und vergleicht das Ergebnis mit anderen Bevölkerungsgruppen, wird die “Erfolgsmeldung” allerdings plötzlich zum Depressionsauslöser… aber keine Bange, welcher Medienkonsument mißtraut der Sache und rechnet das denn selber aus… doch wohl nur die “Ausländerhasser”. Daß die Deutschen nicht so sehr an ihren Erfahrungen mit türkischer Immigration festhalten sollen, ist eine Auffassung, die Frau Ziessler vermutlich sogar mit Innenminister De Maiziere teilt… denn der sagte kürzlich in der ZEIT: “Aktuell leben rund vier Millionen Muslime in unserem Land, viele von ihnen mit türkischem Migrationshintergrund. Jetzt werden wir Hunderttausende arabisch geprägte Muslime bekommen, und das ist, nach allem, was mir mein französischer Kollege sagt, ein erheblicher Unterschied in Sachen Integration.” Ich habe lange gegrübelt, wie das gemeint war, und muß sogar zugeben, diese ominöse Vagheit für wenig begeisterungsauslösend gehalten zu haben. Jetzt aber weiß ich dank Frau Ziessler, was ich davon zu halten habe… Integration wird künftig schnurren wie ein Kätzchen! Auch daß Deutschland seine Rolle als eine der führenden Auto- und Maschinenbauer-Nationen der Welt womöglich eines Tages verlieren könnte, betrübt mich nun gar nicht mehr, seitdem mir Frau Ziesslers Beitrag dabei half, die nahende Möglichkeit einer ganz anderen strahlenden Zukunft Deutschlands zu erkennen: Als Restaurant- und Imbißbudenmeile der Welt.

Klaus Jürgen Bremm / 25.09.2015

Ich kann Herrn Buitoni nur beipflichten! Auf Achgut sollte es wirklich nur Beiträge geben, die sachlich, aber gegen den Strom gerichtet sind.

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