Von Marie Wiesner.
Der „Tradwife“-Trend bringt die Verhältnisse zum Tanzen: Junge Frauen besinnen sich auf das gute alte Dasein als Hausfrau. Irgendwo zwischen rebellischem Akt und Sendungsbewusstsein in den sozialen Medien.
Als Kind soll ich Folgendes bei meinen Eltern am Esstisch verkündet haben: „Ich will nicht auf Arbeit geh'n. Ich suche mir 'nen Mann, der muss dann auf Arbeit gehen! … Ich tu dann aufräumen und die Kinder müssen allein spielen …“ und an meine Mama gewandt: „Wie du!“
Und damit hatte ich mich schon als Dreijährige zur „Tradwife“ erklärt. Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, was denn das schon wieder für ein neumodischer Begriff sein soll. Eine klassische Tradwife kleidet sich sehr feminin, zeigt nicht zu viel Haut, verbringt sehr viel Zeit in der Küche und kümmert sich um die Kinder. Ihr Mann ist für den Lebensunterhalt der Familie zuständig. Vermutlich wird Ihnen diese Beschreibung bekannt vorkommen.
Stefan Frank hat dieses Phänomen kürzlich in einem Artikel bei Achgut – wiederum inspiriert durch einen Beitrag der Tagesschau – beschrieben. Der „Tradwife“-Trend bedeutet letztlich nichts anderes, als eine Rückbesinnung junger Frauen auf das gute alte Dasein als Hausfrau. Jedoch im Bewusstsein des anachronistischen Potenzials dieser Entscheidung und nicht selten mit entsprechendem Sendungsbewusstsein in den sozialen Medien. In diesem Beitrag sollen konkrete Instagram-Accounts von „Tradwives“ vorgestellt werden.
Die Tradwife ist ein Internet-Trend, teilweise fällt dieser Begriff aber auch in Gesprächen von Konservativen – hauptsächlich der jüngeren Generation. Ursprünglich stammt der Trend aus den USA, wo er 2018 populär wurde. Ab 2020 war er auch in Deutschland und Großbritannien präsenter. In gewisser Hinsicht ist er ein Akt der Rebellion. Er richtet sich gegen den woken Zeitgeist der Gleichmacherei und für die Anerkennung der beiden unterschiedlichen Geschlechter.
Unterschiedliche Lebensentwürfe
Mädchen wird schon im Kindergarten eingeredet, dass sie die gleichen Wünsche und Bedürfnisse haben sollen wie ein Mann – der biologische Unterschied zwischen den Geschlechtern wird negiert. Doch wir Frauen können – und wollen – diese Erwartungshaltung nicht unbedingt erfüllen. Wir funktionieren zyklusabhängig, sind bei Gehaltsverhandlungen zurückhaltender, gehen anders mit Konflikten um – die Liste lässt sich endlos fortsetzen, warum sich männliche Lebensentwürfe von weiblichen unterscheiden. Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel.
Der berühmte kanadische Psychiater und Achgut-Autor Jordan B. Peterson erklärt diese Unterschiede vereinfacht wie folgt: „On average men are more interested in things and women are more interested in people and that´s actually the biggest difference we know of psychologically between men and women…” (Deutsch: „Im Durchschnitt interessieren sich Männer mehr für Dinge und Frauen mehr für Menschen, und das ist tatsächlich der größte Unterschied, der uns psychologisch zwischen Männern und Frauen bekannt ist.“) Diesen Tatsachen kann man entweder mit Empörung oder mit Akzeptanz begegnen.
Oder, man erschafft eine „Gegenkultur“, die (häufig) politisch konservativ einzuordnen ist. Im Wesentlichen geht es darum, dass Anhänger des Tradwife-Trends (oder vielmehr dieses Lebensmodells) die Unterschiede zwischen Mann und Frau in einer Beziehung hervorheben. Die Frau kümmert sich zu Hause um die Kinder und den Haushalt, kocht, backt und putzt für ihre Familie. Ihr Mann kümmert sich währenddessen um das Einkommen der Familie. Karrierefrauen sind verpönt.
Neben dem politischen Statement ist es ein weiblicher Schrei nach Sicherheit, Beständigkeit und Bindung. Doch nicht alle jungen Frauen wollen eine derartige Verbindlichkeit. In meiner Ausbildungszeit habe ich mich mit eher links eingestellten Freundinnen über dieses Thema unterhalten. Sie waren geschockt, dass ich mit Anfang 20 eine Ehe überhaupt in Betracht zog. Für sie war es völlig normal, sich auszuprobieren und nicht lebenslang mit einem Partner zusammen zu bleiben. Sie hatten Angst vor dem Festgefahrensein und natürlich Angst um ihre Freiheit. Die Furcht vor einer Existenz als „Heimchen am Herd“ ist in meiner Generation nach wie vor präsent.
Rechtsextrem im Blümchenkleid
Doch wie so häufig, lehnt sich trotzdem ein Teil der Jugend gegen das aktuell politisch und gesellschaftlich Anerkannte auf. In diesem Fall in Form von konservativen Familienmodellen – im realen Leben oder in der romantisierten Vorstellung davon. Ähnlich wie beim „Old-Money-Trend“ ist diese Auflehnung auf TikTok und Instagram populär. Dort zeigt sie sich in Form von Reels, Bildern und sogar Memes (hier und hier.).
Auch Influencerinnen präsentieren sich im Tradwife-Stil. Einen der populärsten Accounts betreibt Estee Williams. Die junge Amerikanerin präsentiert sich auf ihrem Profil im 50er-Jahre-Look. Sie trägt schwingende Kleider, backt und kocht für ihren Mann und fragt sogar um Erlaubnis, bevor sie etwas Teures kauft. Die TAZ-Journalistin Ursula von Ary schreibt entsetzt: „Mit ihren geschichtsvergessenen Social-Media-Auftritten ist Estee Williams eine fleischgewordene Männerfantasie.“
Auch deutsche, vor allem christliche Accounts greifen diesen Lifestyle auf, wie zum Beispiel Tradwifelife oder Karoline vom Account kleine.hausfrau. Hier werden Styling-, Alltags- und Ehetipps geteilt. Es dreht sich alles um die Versorgung der Familie und darum, den Ehemann glücklich zu machen. Die jungen Frauen wirken nicht unterdrückt, sondern geerdet und liebevoll. „Besorgniserregend“, sieht anders aus. Auf der Seite echte-vielfalt.de (betrieben vom Deutschen Institut für Sozialwissenschaft) ist zu lesen, es „sind nicht automatisch alle Tradwives der rechten Bewegung zuzuordnen. Aber selbst wenn sie sich davon distanzieren (oder sich dessen nicht bewusst sind), machen sie mit ihrem Verhalten dennoch „Werbung“ für diese Rollen mit all ihren Assoziationen.“ Also zu deutsch: Du bist rechtsextrem, wenn du ein Blümchenkleid trägst, dich um die Kinder kümmerst, zu Hause die Wohnung putzt und das auch noch im Netz hochlädst.
Ein falsches Bild der Realität?
Aber wo wir gerade vom Blümchenkleid sprechen. Der Trad-Lifestyle ist ästhetisch, aber selbstverständlich für das Internet frisiert und dementsprechend teilweise fernab der Realität. Wie bei jedem Social-Media-Beitrag wird nur ein kleiner Teil des Alltags gezeigt. Die wenigsten dieser Frauen werden ihre Hausarbeit im Sommerkleid und perfekt geschminkt erledigen, während sie in ihrer ebenso perfekten Küche stehen. Ein weiterer Kritikpunkt, der häufig angebracht wird, sind die finanziellen Schwierigkeiten, die sich aus einem Einverdiener-Haushalt ergeben. Doch auch hier scheinen Tradwives eine Lösung zu finden. Entscheidend sind wohl die Ansprüche, die man mitbringt. Viele Tradwives wie Aria Lewis reduzieren ihren Konsum, um das Leben zu führen, das sie sich wünschen. Und natürlich ist nicht klar, inwiefern die sich als Hausfrauen präsentierenden Tradwives nicht doch nennenswerte eigene Einnahmen haben, und sei es in Form von Instagram-Kooperationen.
Mit dieser Frage geht Carolina Tolstik aka „Malischka“ transparenter um, die sich als „Stay at home girlfriend“ präsentiert, sich hingebungsvoll bei der Hausarbeit zeigt und gleichzeitig auch Unternehmerin ist. Contentproduktion und Produktplatzierungen sind schließlich auch Arbeit. Sie selbst bezeichnet sich als „Feminismus-Befürworterin“ – Zustimmung oder Ablehnung ist Ermessenssache. Schließlich weiß man nicht, ob sie auch ohne ihren Freund finanziell zurechtkommen würde. Natürlich kann es schwierig werden, wenn Frauen sich ohne Ehe in eine finanzielle Abhängigkeit begeben. Eine Trennung ist leichter vollzogen als eine Scheidung.
Ich glaube, dass solche Accounts jungen Mädchen möglicherweise ein falsches Bild bei der Partnerwahl vermitteln – selbst wenn dieses ungewollt entsteht und nur der Instagram-Realität entspricht. Es ist zwar schön, sich einen Mann zu suchen, der bereit ist, zukünftig der Versorger der hypothetischen Familie zu sein, aber eine Ausbildung ist unerlässlich. Eine Trennung, ein Unfall oder sonstige Umstände, die zu finanziellen Engpässen führen, können jederzeit eintreten.
Aber zurück zu den tatsächlichen Ehefrauen. Die Ästhetik rund um die Tradwife hat neben dem finanziellen Aspekt und der teilweise etwas unrealistischen Ästhetik eine häufig kritisierte Schwachstelle: Die Romantisierung der Hausfrauen in der Bundesrepublik der 50er Jahre. Denn erst ab 1958 durften westdeutsche Frauen ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes arbeiten (bis dato durfte dieser das Arbeitsverhältnis der Frau kündigen). Vorausgesetzt, dass ihre Anstellung mit den „ehelichen und familiären Pflichten vereinbar“ war und außerdem stand der Frau „nun die Hälfte des in der Ehe erwirtschafteten Gewinns“ zu (in der DDR wurde Fauenarbeit bekanntlich von Anfang an gefördert).
Gegen das eigene Geschlecht
Tradwives wird häufig vorgeworfen, sie hätten in der Partnerschaft kein Mitspracherecht. Das ist so nicht ganz richtig, sie beziehen aber häufig ihren Mann in wichtige Entscheidungen ein. Ist das nicht der Sinn einer Beziehung? Das hat nichts mit Zwang zu tun, sondern mit einer freiwilligen Entscheidung. Ganz zu schweigen von einer Unterdrückung der Frau durch Gewalt in der Ehe oder gar Zwangsehen. Denn ich bezweifle, dass die Ehemänner von den vorhin erwähnten Influencerinnen ihre Frauen zu den Beiträgen zwingen. Es gibt einen semantischen Unterschied zwischen Unterdrückung und Unterordnung, aber der wird regelmäßig vergessen. Es geht darum, die Leitung in bestimmten Bereichen abzugeben. Ich empfinde es als Befreiung und nicht als Belastung, wenn mein hypothetischer Ehemann bestimmte Entscheidungen trifft. Das bedeutet nicht, dass ich eine willenlose Hülle bin, sondern darauf vertraue, dass jemand, der mich liebt, nichts Schlechtes für mich möchte, sondern bereit ist Verantwortung zu übernehmen. Diskussionen und unterschiedliche Ansichten ergeben sich von allein, doch ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Partner muss man nicht forcieren. Außerdem habe ich auch das Gefühl, dass diese Vorwürfe der Unterwürfigkeit häufiger von Frauen gegen ihre eigenen Geschlechtsgenossen ausgehen.
Die Komikerin Caroline Kebekus hat zu den Tradwives in einer Comedy-Nummer folgendes zu melden: „Ihr seid wie die Fliegen, die sich freiwillig auf meine Deckenleuchte setzen“ – und dort sterben. Frau Kebekus kann man witzig finden, aber die weitere Entwicklung dieses Beitrags – die traditionelle Rollenaufteilung in den Zusammenhang mit dem Dritten Reich zu bringen und „alte weiße Männer“ als lebensunfähig ohne ihre Ehefrauen hinzustellen –, hat wenig mit Comedy zu tun. Im Übrigen habe ich im Geschichtsunterricht gelernt, dass die NS-Diktatur 1945 vorbei war. Warum hackt Frau Kebekus auf dem Jahr 1959 herum, in dem sie die Tradwives gedanklich verortet?
Abgestempelt als Antifeminstin
Was würde passieren, wenn sich Frauen, die im Licht der Öffentlichkeit stehen, nur halb so abwertend zum Karrierefrauendasein positionieren würden wie Frau Kebekus zur Hausfrau? Jasmin von „Liebe zur Bibel“, die sowohl auf Instagram als auch auf YouTube aktiv ist, wurde in einer Doku von Y-Kollektiv (betrieben von Radio Bremen) als das „Feindbild“ der Antifeministin dargestellt. Jasmin ist Christin und postet Sätze wie „Ich als Frau, sage dass es nicht mein Recht ist, Menschen zu töten“ (in Bezug auf Abtreibung) oder Bibelverse wie aus Genesis 1,27: „Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, als Mann und Frau schuf er sie.“ Trotz anderer Beiträge, in denen sie schreibt: „Lass dich als Frau nicht nur auf den Küchen-und Dekodienst reduzieren“ und anschließend biblische Frauen aufzählt, die auch außerhalb von Küche und Kinder eine wichtige Rolle in der Bibel gespielt haben, wird ihr der Stempel der Antifeministin aufgedrückt.
Eine Freundin von Jasmin ist ebenfalls im Video zu sehen und hat durch ihre Freundschaft einen Lebenswandel vollzogen und wünscht sich mittlerweile eine Familie anstatt eine Karriere. Ihre Aussage, dass „eine Frau gebiert“, kommentiert die Y-Kollektiv-Reporterin mit „finde ich beklemmend“. Die Haltung von Jasmin und ihrer Freundin kann zu einer Meldung bei der Antifeministischen Meldestelle der Amadeo Antonio Stiftung führen, die seit Anfang Februar 2023 existiert und deren Chronik mittlerweile öffentlich ist. Die Problematik: es geht nicht nur um konkrete körperliche Gewalt gegen Frauen, sondern auch um Aussagen wie im oben erwähnten Video. So verschwimmt die Grenze zwischen tatsächlichen Gefahren, in denen Frauen um ihr Leben fürchten müssen, und vermeintlichen Gefahren, die nicht mit der gesellschaftlich gewünschten Norm konform sind. Eine bedenkliche Entwicklung, die mehr Probleme aufwirft als sie tatsächlich löst, wie zum Beispiel die hauptsächliche Finanzierung der Amadeo Antonio Stifung aus Steuergeldern. Aber das ist ein Thema für sich.
Fest steht, dass die jungen Frauen mit ihrem Lebensstil als konservative (Haus)frauen durchaus glücklich wirken. Und daran scheint laut Studien auch etwas dran zu sein. Der Focus titelte: Wussten Sie es? Konservative sind glücklicher als Linke (mehr Sex haben sie auch). Wenn das keine positiven Erkenntnisse sind …
Marie Wiesner, Jahrgang 1999 stammt aus Sachsen und ist gelernte Ergotherapeutin.