Von Marie Wiesner.
Der „Old-Money-Look“ ist ein gefragter Trend unter jungen Leuten. Was steckt hinter dem Bedürfnis der Generation Z, nach altem Geldadel auszusehen?
Vielleicht interessieren Sie sich nicht für Mode oder aktuelle Trends, aber bestimmt ist Ihnen aufgefallen, dass sich derzeit manche Jugendliche und junge Erwachsene „spießig“ kleiden. Klar, man kann auf der Straße immer noch Jogginghosen und Hoodies bewundern, aber die Tendenz geht eher weg von zerrissenen Hosen und bedruckten T-Shirts. Stattdessen trägt die Jugend von heute gerne Blazer, Tweed-Röcke und Perlenketten. Generell kleidet man sich auch weniger aufreizend. Die Röcke sind länger geworden und der Ausschnitt hochgeschlossener. Dieser Trend, der bereits seit über einem Jahr besteht, nennt sich „Old Money“. Damit Sie sich ihn besser vorstellen können, seien an dieser Stelle ein paar Namen genannt, die als Vorbilder fungieren: Lady Diana, die so viele Jahre nach ihrem Tod modisch wieder aktuell ist, ebenso wie Grace Kelly oder Audrey Hepburn. Wie Sie sehen, besteht der Look vor allem aus einem Revival. Aktuelle Promi-Beispiele wären etwa Kate Middleton, Gwyneth Paltrow oder das Model Sofia Richie.
Auf Instagram und Tik Tok wird der Look von vielen Influencern ebenfalls fleißig nachgestylt und Tipps zum Nachmachen und Shopping-Empfehlungen mit den Followern geteilt. Kalinka.vs ist hierfür schönes Beispiel. Sie zeigt elegante Farbkombinationen, teilt Pärchen-Reels in passendem Outfit oder gibt allgemeine Stylingtipps. Nicht jeder Influencer geht so vor, manche posten auch nur ihre Outfits und lächeln vor der Kamera wie Anastasia Gerrans, Louise oder Franziska Nazarenus. Natürlich ist hierbei wichtig, dass die Grenzen zwischen „Old Money“ und elegantem Stil verwischen und nicht jedes Outift dem eher minimalistischen Trend entspricht. Dieses Merkmal wird durch die Farbwahl verstärkt: bevorzugt werden neutrale Töne wie schwarz, weiß, beige, braun und dunkelblau.
Man versucht also auszusehen wie der alte Geldadel, möglichst wohlhabend und teuer gekleidet. Bei einigen dieser jungen Frauen könnte man meinen, sie fahren zum Lunch in ihr Landhaus. Im Übrigen ist nicht nur das weibliche Geschlecht Anhänger dieser Mode, sondern auch so mancher Mann. Dieser trägt dann Leinenhemden, Bundfaltenhosen, Polohemden und Rollkragenpullover zur Schau. Im Buch „Old Money Style – Secrets to dressing well for less“ von Tully Byron kann man sich zu diesem Thema ausführlicher belesen. Insgesamt ist es ein sehr ästhetischer Trend – auch wenn manche übers Ziel hinausschießen, indem sie sich von oben bis unten in Tweed kleiden oder krampfhaft versuchen, sportlichen Stil mit Eleganz zu verknüpfen. Nennen Sie mich gern langweilig, aber Basecap und Trenchcoat sollte man wirklich nicht miteinander tragen. Auch die Kombination aus Anzughose und Blazer im „Office Style“ kann bei Minderjährigen schnell lächerlich wirken, die offensichtlich noch nie ein Büro von innen gesehen haben.
Mehr Schein als Sein steckt in jedem Fall dahinter, wenn junge Leute versuchen zu vermeiden, wie das „New Money“ – also Neureiche – zu wirken, wenn sie in Wahrheit oftmals weder zum alten noch zum neuen Geld gehören. Zurückhaltende Farben, minimalistische Schnitte und kleine Marken-Logos stehen auf dem Plan. Doch selbstverständlich ist der Status des „Old Money“ ohnehin nur für Sprösslinge echter Traditionsfamilien erreichbar und somit ein Traum, dem Nachahmer umsonst hinterherjagen. Aber meine Generation liebt das Unerreichbare. Wir sind nicht umsonst berüchtigt dafür, unsere Ausbildung oder unser Studium abzubrechen, weil wir etwas Besseres gefunden haben und außerdem Probleme zu haben, eine feste Beziehung aufrechtzuerhalten. Aber was soll's – kommen wir wieder zurück zur Mode.
Der Wunsch nach Wohlstand
Man kleidet sich natürlich nur vermeintlich teuer – und shoppt nach wir vor bei H&M, Zara und Shein anstatt im mittleren Preis-Segment oder gar bei Luxusmarken. Es geht wie gesagt um den Schein. Und es zeigt sich einmal mehr, dass „teurere“ Marken nicht automatisch hochwertiger sind. Ausschlaggebend beim Nachshoppen sind die verwendeten Materialien und die Verarbeitung der Kleidungsstücke. Mitunter gibt man bei Ralph Lauren 180 Euro für ein Kleid aus kurzlebiger Synthetik aus, während ein Baumwoll-Hemd von Zara für günstigere 30 Euro erhältlich ist – und eher nach „Old Money“ aussieht. Im Übrigen ist es nicht überraschend, dass bei Eingabe des Suchbegriffs „Old Money“ bei der Shopping-App Vinted eben keine Luxusmarken erscheinen, sondern die eben erwähnten „Fast Fashion-Produkte“. Das wirkliche „alte Geld“ muss sich nicht labeln, um erkannt zu werden, sodass Labels für eine Imitation auch nicht notwendig sind.
Spuren scheint der Trend auf jeden Fall in den aktuellen Kollektionen der großen Massen-Marken gelassen zu haben. Beim Online-Billig-Anbieter Shein werden günstige Teile angeboten, die vermeintlich teuer aussehen (aber natürlich häufig zu einer kurzen Lebensdauer neigen). Lange Kleider, in verschiedenen Mustern oder unifarben, Stoffhosen und Tweed-Jacken können hier preiswert erworben werden. Bei H&M oder Zara kann das Shoppingerlebnis geringfügig teurer ausfallen, doch auch hier erhält man ähnliche Mode: Faltenröcke, Trench Coats, Bandeau-Kleider und sogar teurere Kaschmirpullover. Wichtig ist auch die Auswahl hochwertiger beziehungsweise hochwertig aussehender Accessoires: Seidentücher, Perlen- und Goldschmuck, (Designer-)Sonnenbrillen und elegante Handtaschen. Passende Schuhe wären Loafer, Pumps, Ballerinas, Reitstiefel oder weiße Sneaker. Männer tragen geschlossene Schuhe – Sandalen sind ein No-Go.
Bezeichnend ist, dass in einem Zeitalter, in dem krampfhaft überall auf Nachhaltigkeit gepocht wird, junge Leute weiterhin viel auf Fast-Fashion setzen (siehe etwa hier und hier). Das zeigt, dass ein Großteil der jungen Generation nicht verzichten möchte und fehlendes Kapital mit billigen Produkten ausgleicht. Da kann man noch so häufig auf den Kapitalismus schimpfen und immer wieder angeben, Wert auf Nachhaltigkeit zu legen und daher gerne secondhand zu shoppen.
Warum dieser Trend?
In verschiedenen Magazinen wurden psychologische Aspekt hinter dem Trend „Old Money“ beleuchtet. Die Schweizer NZZ schreibt zum Beispiel Folgendes: „Die Generation Z ist sich bewusst, dass sie den Wohlstand ihrer Eltern vermutlich nicht erreichen wird. Ein eigenes Haus ist in weiter Ferne, mehrere Immobilien und eine Mitgliedschaft im Golfklub sowieso.“
Ich bezweifle, dass es zwingend um den klassischen Traum vom Eigenheim geht, sondern glaube, dass eher die finanziellen Möglichkeiten im Fokus stehen. Es geht um Freiheit und den Wunsch nach Unabhängigkeit und Ansehen. Wir versuchen, unser menschliches Bedürfnis nach Wohlstand zu befriedigen. Gepaart mit dem schnellen Dopaminkick nach dem Kauf ist es eine Strategie, die fehlenden Wohlstandsaussichten zumindest oberflächlich und kurzfristig zu kompensieren.
Das TRIGEMA Online Team bezeichnet „Old Money“ als „Trend mit purer Ironie“. In dem Beitrag ist außerdem Folgendes zu lesen: „Forschungen und Statistiken belegen, dass in finanziell unsicheren Zeiten die Kaufkraft für kleine Luxusgüter steigt. An diesem Prinzip ist nichts Verwunderliches, denn jeder Kauf löst Glückshormone aus. Besonders wenn wir dabei auch noch Sparen!“
Vielleicht steht der Trend aber auch für den Wunsch nach einer uralten Familiendynastie, in der Vermögen weitergegeben wird. Oder es ist wesentlich simpler. Vielleicht möchten wir einfach nur Beständigkeit und Sicherheit und die Generation Z ist in Wahrheit konservativer, als sich so manche woke Linke oder Alt-68er wünschen. Dies ist laut Studien vor allem bei jungen Männern der Fall, während junge Frauen eher nach links tendieren. Laut einer Studie der Universität Köln wurde die FDP bei der letzten Bundestagswahl von 26,2 Prozent der 18- bis 24-jährigen Männer gewählt, während 28,3 Prozent der gleichaltrigen Frauen die Grünen bevorzugten. Trotz dieser Tendenz gibt es genügend junge Frauen, die sich trotzdem (oder gerade deswegen?) im „Old-Money-Stil“ wohlfühlen.
Man sollte diese Studien trotz allem nicht überbewerten und zu sehr im Interpretations-Dschungel verschwinden. Mode kann ein politisches Statement sein, aber auch täuschen, und viele junge Leute denken beim Einkauf eher an Ästhetik und Trends. Am Ende ist „Old Money“ auch nur eine Modeerescheinung, die wieder vergeht. Solange werde ich allerdings meinen Faltenrock tragen – vielleicht sogar, wenn er wieder „out“ ist.
Marie Wiesner, geb. 1999 in Sachsen, ist gelernte Ergotherapeutin.
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