Danke, Herr Dr. Buitoni. Ein sehr guter und zutreffender Kommentar. MfG Hans Settnik
Stimme Herrn Buitoni voll und ganz zu. War erschrocken so einen stumpfen Artikel auf der Achse zu lesen.
Der eigentliche Grund für die Gewerbeanmeldung ist ein Anderer. Mit der beruflichen Selbständigkeit eröffnet sich das Fenster, Hartz 4-Leistungen zu erhalten, ohne wie bei Angestellten finanziell die Hosen herunterlassen zu müssen. Damit entfallen auch die zeitliche Begrenzung des Bezuges von Sozialleistungen und die Bedürftigkeitsprüfungen. Wäre mal einen Artikel wert.
Die Meinung in allen Ehren, aber was die gute Frau Ziessler übersieht ist der relativ einfache Umstand das ‘uns’ Biodeutschen die Schwemme an Neubürgern als Rettung unseres Sozialsystems verkauft werden. Und um das zu sein benötigt es eben eine (gut bezahlte!) Anstellung. Die meisten hier genannten Beispiele sind gesellschaftlich gesehen Zuschußgeschäfte oder eben Nullsummenspiele: die ‘Afghanische Malerin mit eigenem Atelier’ hängt höchstwahrscheinlich an einer Subvention oder sonstigen staatlichen Förderung (sich selbst tragende Kunst gibt es praktisch nicht), und selbst wenn nicht (d.h. sie wirklich genug mit dem Verkauf ihrer Bilder verdient) rettet die Frau unsere Rente nicht - sie ist dann nämlich in der Künstlersozialkasse, nicht in der regulären GRV organisiert. Auch der ‘türkische Gemüsehändler’ ist eher ein schlechtes Beispiel: viele dieser und ähnlicher Gewerbe arbeiten zwar durchaus hart, aber oft am Rande der Selbstausbeutung (vgl. “Ich-AG”). Sie können zwar durchaus ihren laufenden Lebensunterhalt bestreiten, da sie von Sozialbeträgen befreit sind (und solang sie jung sind auch sehr günstig privat zu krankenversichern sind), allerdings auch kaum mehr. Notwendige Rücklagenbildung fürs Alter findet kaum statt. Im Alter sind viele dann von der Grundsicherung (HartzIV im Rentenalter) abhängig und kehren in die GKV zurück, wo sie Leistungen benötigen, die sie in ihren jungen Jahren nie durch Beiträge mitfinanziert haben. Insbesondere die erwähnten Imbisse sind ganz gewiß kein…sagen wir mal ‘nachhaltiges Finanzierungsmodell’... des eigenen Lebensabend. Von all den Beispielen hier dürfte nur das Philologenpaar mit den vier Tankstellen einen echten finanziellen Zugewinn bedeuten, bei den Restaurants kommt es auf die Größe an. Die gängigen 3-Mann-Familien-Betriebe sind meist auch eher auf dem Niveau des Gemüsehändlers. Jupp, sind jetzt kleinliche Einwürfe eines Spießbürgers, aber irgendwie geht eben so ein bißchen grundlegende Finanzmathematik und Systemkenntnis unseren Refugee-Jubelpersern gerne ab…
Nun ja. Die Zahlen sind nun mal so, dass die Hartz IV Quoten von außereuropäischen Einwanderern erschreckend sind. Daran ändert auch der Wille zur Selbstständigkeit nichts. Das Problem der Altersarmut von den vielen “prekären” Selbständigen unter diesen Migranten wird zudem erst in der Zukunft sichtbar werden.
Na klar, alles Selbständige, so rund 400 000 neue Geschäfte, Praxen und so. Nur müssen die auch Kunden haben und sogar solche, die in Arbeit stehen und bezahlen können, also keine, die ihre kümmerlichen Verdienste durch H4 aufstocken müssen. Aber sind nicht vielleicht dann sogar die neuen Selbständigen in dieser wunderbaren Welt selbst, die - schlau wie sie sind - schnell die Möglichkeiten der deutschen Sozialkassen erkundet haben und auch danach handeln? An jeder Ecke einen Imbiss kennzeichnet doch eine kulturell wunderbar bereicherte Welt.
Liebe Frau Ziessler, wer bei der Präsentation seiner Einschätzungen es nötig zu haben meint, diejenigen mit abweichender Meinung oder Einstellung als “Spießbürger” zu denunzieren, kann weder als liberal noch als problemorientiert gelten - vielmehr ist das die Ideologisierung der jeweils anderen Seite: Beschimpfen und herabsetzen können die andern auch, und ein intellektueller oder erkenntnisbezogener Mehrwert ergibt sich daraus mitnichten. Selbstbefriedigung wäre die passende Einordnung. Aber wesentlicher ist: haben Sie die Fakten geprüft? Haben Sie Zahlen gecheckt? Wie steht es mit der Wirklichkeit? Dazu ein paar Fakten aus dem Jahre 2008 - soviel ändert sich nicht. (Quelle: “Selbständige Migranten in Deutschland”, A Tolciu 2008) Hier wird zwar durchaus von einer höheren Selbständigkeitsquote bei Migranten gegenüber Deutschen berichtet, aber es lohnt den näheren Blick. Denn es gibt kulturell-ethnische Unterschiede, die im Zusammenhang mit der Herkunft der ‘‘Migranten” (Asylsuchenden? Kriegsflüchtlingen?) von Bedeutung sind. So lag die Selbständigkeitsquote von Deutschen bei 10,9 %, diejenige von Türken aber nur bei 6,4 %. Der durchschnittliche höhere Wert bei Migranten ergab sich aus den Werten von EU-Ausländern: Griechen 14,2%, Italiener 13,2 %, Niederländer 17,9 %, österreicher 21,4 %, Schweizer gar 25 %. Wie Sie also auf Ihre überschwengliche Darstellung kommen (aus privaten Beobachtungen, verallgemeinert ohne Bezugszahlen zu berücksichtigen? Statistik aus der Laien-Ecke?) bleibt rätselhaft. Und dann natürlich: Wenn die Leute mit Zahlen aus der Realwelt Spießbürger sind, was sind dann Leute, die sich die Proportionen selbst schmieden? Träumer? Migranten aus Wolkenkuckucksheim? Oder nur Leichtgewichte?
Sorry, was die libertäre Frau Ziessler sich hier herbeiphantasiert, ist Kappes. Die wenigsten Menschen sind geborene Unternehmer, die meisten suchen sich lieber einen guten Job, auch in Entwicklungsländern. Eine Selbstständigkeit von der Hand in den Mund ist in der Regel nur eine Notlösung, wenn es weder soziale Sicherung noch genug reguläre Jobs gibt. Dass Immigranten aus dem vorderen Orient Berührungsängste mit der hiesigen Sozialhilfe hätten, wäre mir in der Tat neu. Frau Ziessler sollte sich mal mit den entsprechenden Zahlen vertraut machen, statt Anekdoten aus ihrem Umfeld für repräsentativ zu halten.
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