Rainer Bonhorst / 11.08.2021 / 14:30 / Foto: Imago / 34 / Seite ausdrucken

Afghanistan: Ja, hätte man

Der Rückzug aus Afghanistan symbolisiert ein Scheitern mit Ansage. Und jetzt müssen wir die Folgen der Fehleinschätzungen ausbaden.

Was auch immer du tust, handle klug und bedenke das Ende. Tja, wenn diese schöne lateinische Weisheit das politische Leben bestimmen würde, hätten wir ein paar Sorgen weniger. Zum Beispiel die Afghanen-Sorge. Wie viele wollen kommen? Wie viele wollen wir hereinlassen? Können wir sie einfach im Stich lassen? Können wir lauter Leute mit einer Taliban-Light-Sozialisierung in unserer sowieso angespannten Gesellschaft verkraften? Und dann befinden wir uns – nebenbei gesagt – mitten im Wahlkampf. Also hin- und hergerissen zwischen grüner Fremdenverliebtheit und AfD-Fremdenphobie. Zwischen Kulturimporteuren und Kulturprotektionisten. Ach, hätte man nur damals, vor über zwanzig Jahren an den ganzen Rattenschwanz gedacht, als man begann, unsere Freiheit am Hindukusch zu verteidigen.

Hätte man ahnen können, dass der Westen nach zwei Kriegsjahrzehnten unverrichteter Dinge und mit eingezogenem Schwanz den Schauplatz Afghanistan verlassen würde? Und dass man all die Unterstützer den nicht sehr zarten Händen der Taliban ausliefern würde?

Ja, hätte man.

Erstens lehrt die Geschichte, dass sich schon andere Großmächte an den Afghanen die Zähne ausgebissen haben. Erst die Engländer, für die bis heute der Khyber-Pass ein Begriff des Scheiterns ist. Und dann die Russen, die in Afghanistan einen sozialistischen Satellitenstaat etablieren wollten. Männer ohne Bärte, Frauen ohne Schleier, mit kurzen Röcken am Arbeitsplatz. Auch das ist in die Hose gegangen. Nicht zuletzt dank der Amerikaner, die die knorrigen Männer mit Vollbärten und archaischem Gedankengut unterstützten, um die Sozialisten aus Afghanistan zu vertreiben.

Westliche Demokratie und Freiheit – das war gut gemeint

Das gelang. Was aber nicht gelang, war die Gegenvorstellung, in Afghanistan statt einer sozialistischen Utopie eine freiheitlich-westliche Utopie zu erzwingen. Wieder nichts. Stattdessen die Taliban, die nach und nach das Land erobern und vor allem die Frauen wieder unter ein islamistisches Regime zwingen.

Ursprünglich ging es in Afghanistan nur darum, den Ober-Attentäter Osama Bin Laden zur Strecke zu bringen. Den hat man sehr viel später im benachbarten Pakistan gefunden. Da hatte in Afghanistan längst eine andere, missionarische Idee um sich gegriffen: das Nation Building. Und für die Nation, die dort gebaut werden sollte, gab es einen schönen Entwurf: westliche Demokratie mit ihren Freiheitsrechten, vor allem für die eingesperrten Frauen. Gut gemeint. Aber eben nur gut gemeint. Nach über zwei Jahrzehnten Nation Building stand die neue Architektur immer noch auf derart instabilem Grund, dass das Projekt aufgegeben werden musste.

Vielleicht hätte man noch ein bisschen weiter gebastelt, wenn es den amerikanischen Präsidenten Donald Trump und Joe Biden nicht langsam gereicht hätte. Das Ergebnis wäre das gleiche gewesen, nur hätte es noch ein paar Tote mehr gegeben. Also: raus aus dem politischen Trümmerhaufen.

Hätte man das Schicksal der Afghanen vorhersehen können, die an dem Projekt westliche Demokratie am Hindukusch optimistisch mitgewirkt haben? Ja, hätte man. Da wäre ein Blick in Richtung Vietnam hilfreich gewesen. Der Vietnamkrieg hat interessanterweise auch zwei Jahrzehnte gedauert. Wenn man die zehn Jahre des gleichen Kriegs, den die Franzosen zuvor dort geführt haben und der Indochina-Krieg hieß, nicht mitzählt. Der größte Unterschied: In Vietnam sind viel mehr Menschen gestorben. Aber auch die 3600 in Afghanistan gefallenen Soldaten der westlichen Allianz, davon etwa 50 deutsche, werfen die Frage auf: wofür? Die einfachste Antwort lautet: Sie sind befehlsgemäß gestorben, weil die politischen Entscheider den Einsatz für notwendig erachtet haben.

Man hat sich mal wieder etwas eingebrockt

Als sich die Amerikaner geschlagen aus Vietnam zurückzogen, konnte die Welt schreckliche Szenen miterleben, wie Vietnamesen, die auf der Seite Amerikas gestanden sind, verzweifelt versuchten, sich vor den siegreichen Kommunisten in Sicherheit zu bringen. Die einen versuchten meist vergeblich, sich in die abfliegenden Hubschrauber zu retten, die anderen wagten sich auf unsicheren Booten hinaus aufs Meer, in der Hoffnung, aufgefischt zu werden.

Afghanistan umgibt kein Meer, sondern schroffe Landschaft, aber mit den Taliban ist ebensowenig zu spaßen wie damals mit den Nordvietnamesen. Nun steht der Westen mal wieder da mit seiner Verantwortung und weiß nicht, wie er ihr gerecht werden soll. Ich weiß es auch nicht, aber ich habe auch nicht den Marschbefehl gegeben.

Muss man möglichst viele aufnehmen? Wären die Afghanen Vietnamesen, wäre die Antwort einfacher. Vietnamesen passen sich erfahrungsgemäß leichter in die westliche Gesellschaft ein als die schwerfälligen, in ihren archaischen Wurzeln befangenen Afghanen. Mit ihnen importiert jedes Aufnahmeland wahrscheinlich einen Haufen Probleme. Man hat sich, kurz gesagt, mal wieder etwas eingebrockt. Entweder man überlässt die Helfer von einst ihrem Schicksal oder man überfordert die eigene Gesellschaft. Der Wahlkampf wird die Richtung vorgeben. Da die Grünen noch kein Einwanderungsministerium haben, wird es bei uns hoffentlich keinen Tsunami an afghanischen Einwanderern geben. Derweil verlieren die Zurückgebliebenen am Hindukusch ihre Freiheits-Illusion. So ist das, wenn man etwas anfängt und nicht ans Ende denkt.  

Foto: Imago

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Wolfgang Richter / 11.08.2021

Wie wärs, wenn Frau Käsmann, KGE und Baerbock als Delegation mit Chefinnen vdL und AKK das vor Ort mit den Kommandeuren der Taliban ausdiskutieren. Damit wären direkt mehrere Probleme auf einen Schlag (vermutlich dauerhaft) erledigt.

Dr. med. Markus Hahn / 11.08.2021

Wer die Barbaren durch die Tore lässt, wird Leben wie die Barbaren.

Heinrich Wolter / 11.08.2021

Ja, man hätte Al Kaida in Ruhe lassen sollen. Sie haben ja nur USA angegriffen. Dadurch, daß sie hier in Deutschland einen Rückzugsraum hatten, war ja die Gefahr für Anschläge in Deutschland gering. Deswegen hätte es hier auch kaum ein 9/11 gegeben.

Hans-Peter Dollhopf / 11.08.2021

Herr Bonhorst, was passt Ihnen am Resultat des amerikanischen Vietnamkrieges nicht? Okay, ein Krebsgeschwür konnte militärisch nicht entfernt werden, stimmt. Doch eine Metastasenbildung wurde unterbunden. Hồ Chí Minhs Genossen mögen ihren regionalen Sieg auf ihrem Landstrich genossen haben, nur: der Preis! ἄν ἔτι μίαν μάχην Ῥωμαίους νικήσωμεν, ἀπολούμεθα παντελῶς. Aus der Perspektive drehen Siege sich in Niederlagen. Der Weltkommunismus verendete doch glatt eineinhalb Jahrzehnte nach seinem Vietnamkriegsieg: kausal! Vietnam ist gegenüber dem Westen heute so zahm wie ein Schoßhündchen. Es galt damals: Kriege entfalten bei ihren Beobachtern aus der Nähe eine ganz eigene psychologische Wirkung. Amerika statuierte an Vietnam während des Krieges ein Exempel! Allen noch unschlüssigen Nachbarn des Vietcongs wurde auf die Minute klar, was ihre persönlichen Kosten beim Beitritt zum Kommunismus sein werden! Auch der Krieg des Westens in Afghanistan hat während der Zeitspanne seines Engagements perfekten strategischen Nutzen zur Eindämmung ganzer Horden von Islamisten erreicht, die ansonsten Pakistan, Indien und die Region buchstäblich geflutet hätten! Ihr 50, Ihr habt unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt zu Euerer Zeit! Nicht so souverän wie die Amerikaner zwar, die auch nachts ihre Helikopter flogen (wir im Gegensatz unsere nicht), sobald Ihr geborgen werden musstet. Aber auch diese Schuld trifft letztendlich linksgrüne Politschmarotzer. Nicht Euch.

Steffen Huebner / 11.08.2021

Fehlentscheidungen kann man nicht später im Nachhinein reparieren. Die Taliban- light werden sich zu Hause schnell wieder eingewöhnen - es ist ihre Kultur. Wir sollten endlich mal an uns selbst denken und an das, was für uns gut ist. Das wäre nach jahrzehntelanger Abstinenz besonders wichtig, sonst Gefahr des eigenen Untergangs. Wenn wir uns ständig um fremde Befindlichkeiten sorgen und dabei die eigenen vergessen, wollen eines Tages nicht mal mehr die Deutschen selbst mehr in Buntland bleiben.

Burkhard Mundt / 11.08.2021

Fremdenphobie? Wo lebt der Autor? Mache fast jeden Tag Bekanntschaft mit unverschämten und frechen “Fremden”, die sich an keine Regeln halten und zB per Rad oder E-Roller mit hohem Tempo durch die Bahnunterführung für Fussgänger rasen. “Wo ist deine Problem?”. Ist aber noch harmlos im Vergleich zu Messermord, Gruppenvergewaltigung und Psycho-Attentat, immer wieder Afghanen.

Dr. Günter Crecelius / 11.08.2021

Man - die bundesdeutsche Ausgabe davon vor 20 Jahren - hätte mangels selbst primitivster Bildung garnichts voraussehen können. Der damalige Außenminister, der bei den Spektakeln der Bonner Afghanistankonferenzen maßgeblich mitgewirkt hat - nur wegen des großzügigen Verteilens deutscher Steuergelder - hatte als einzigen Bildungsabschluß einen Taxischein. Ich rede von dem großen Josef Fischer. Was will man von derartigen Koryphäen erwarten. Der wußte wahrscheinlich nur rudimentär, wo Afghanistan liegt und nichts über die Musik, die dort spielte und spielt. Wenn man solchen Typen die Mitwirkung in der Politik anvertraut, kann das nur enden, wie es geendet hat. Wir stehen gerade vor einer möglichen Wiederholung. Leid tun können einem nur die toten Soldaten und viele - hauptsächlich weibliche - Afghanen.

Hans-Peter Dollhopf / 11.08.2021

Herr Bonhorst, die Verschaffung afghanischer Helfer der Bundeswehr (inklusive Familien) nach Deutschland bietet uns einen großen Nutzen, wenn man sie verpflichten wollte, hier im Inland weiterhin für unsere deutschen Sicherheitsorgane zu arbeiten. Dass die dazu in der Lage sind, haben sie bereits während unseres Afghanistan-Einsatzes bewiesen. Fakt ist: Wir haben inzwischen Unmassen an fragwürdigen Gestalten aus der Region hier herumlaufen und unsere Polizei, unsere Geheimdienste verstehen nicht einmal deren Sprache! Hier bietet sich eine Chance, Personal zu rekrutieren, das mit Sprachen und Kulturen der Typen vertraut sind und die ihre Zuverlässigkeit in der Zusammenarbeit mit uns in Afghanistan bereits unter Beweis gestellt haben. Wenn dann noch das Gefühl der Dankbarkeit für die Rettung vor der Ermordung durch die Taliban ausgespielt wird, sehe ich hier ein echtes Potenzial, um unsere Defizite bei der Bewältigung der mit den Flüchtlingsmassen eingeschleppten Islamismus- und Kriminalitätsproblemen zu verringern. Man sollte eine eigene Behörde für diese Leute gründen, in die sie integriert werden können mit beruflichen Aussichten und Weiterschulung. Und wenn das richtig angegangen werden würde, ich wette, kämen da am Schluss patriotischere neudeutsche Staatsbürger heraus, als es denn grünlinken Vaterlandsverrätern gefallen mag. Lassen wir uns doch von den Israelis erklären, wie so etwas vom Prinzip her aufgezogen wird. Mit Maaßen als BfV-Chef wäre sowas noch möglich gewesen. Mossad und Shin-Bet vollbringen nämlich zusammen mit ihren palästinensischen und persischen Dienstkräften ein Husarenstück nach dem anderen. Aber ach, wir werden das nicht tun, sondern die Leute ins Land karren und dann derart linksgrün verziehen, dass sie uns zu verachten beginnen werden und bei erstbester Gelegenheit die Kehlen werden aufschneiden wollen.

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