Gastautor / 06.10.2014 / 20:23 / 28 / Seite ausdrucken

AfD: Oben hui, unten pfui

Sebastian Moll

„Sag‘ nicht, wir hätten dich nicht gewarnt!“ Also gut, ich sage es nicht. Man hatte mich gewarnt. Gewarnt, die FDP zu verlassen und mich der Alternative für Deutsch-land anzuschließen. Ich habe es dennoch getan, jetzt muss ich die Folgen tragen. Dabei möchte ich gar nicht behaupten, dass die Erfahrung völlig sinnlos war. Wer ständig nur von außen alles besser weiß, setzt sich, selbst wenn er Recht haben soll-te, zwangsläufig dem Vorwurf der Voreingenommenheit aus. Was auch immer pas-siert ist oder noch passieren wird, ich kann zumindest sagen, dass ich mir ein eige-nes Bild dieser Partei gemacht habe.

Ebenso, wie es Warnungen aus der einen Richtung gab, mangelte es natürlich auch nicht an Ermutigungen der anderen Seite, ich solle mich doch nicht von diesen plum-pen Nazivorwürfen beeindrucken lassen. Diese Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung beherrscht die AfD seit ihrer Gründung. Während Führungsper-sönlichkeiten wie Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel nach wie vor den Eindruck er-wecken, als wüssten sie gar nicht, wie man das Wort ‚rechtsextrem‘ überhaupt schreibt, gibt es in der übrigen Partei zunehmend Funktionäre, die sich zweifellos mit diesem Etikett versehen lassen. Liegt die Wahrheit also vielleicht irgendwo in der Mitte? Nach meinen Erfahrungen ist die Situation eine andere.

Die Alternative für Deutschland besteht im Grunde aus zwei Parteien. Oben gibt es die Partei der Professoren, unten die Partei der Proleten. Mit diesen Proleten, die zwar Integrationskurse für Ausländer fordern, denen aber selbst jedwede Form euro-päischer Kultiviertheit abgeht, bekommt man es aber nicht in Talkshows zu tun, son-dern erst dann, wenn man sich tatsächlich an der Basis zu engagieren beginnt. Der Wendepunkt kam für mich bei einer Versammlung, auf der ich mich wüst von einem anderen Mitglied beschimpfen lassen musste. Das ist zunächst einmal gar nicht so furchtbar ungewöhnlich, auf derartige Erfahrungen muss man im politischen Kontext gefasst sein. Der eigentliche Skandal war, dass die Versammlungsleitung sich nicht etwa schützend vor mich stellte, sondern den senilen Choleriker, der mich allem An-schein nach am liebsten zusammengeschlagen hätte, auch noch dafür lobte, dass hier mal jemand ‚klare Kante‘ zeige. In solchen und vielen ähnlichen Momenten of-fenbart sich eine traurige, aber unaufhaltsame Entwicklung: Die Professoren begin-nen – und wann wäre es im Laufe der Geschichte jemals anders gewesen – die Kon-trolle über die Proleten zu verlieren.

Dieser Kontrollverlust zeigt sich aber nicht nur in dem stetig sinkenden Niveau des politischen Diskurses, sondern auch darin, dass wirtschaftspolitische Fragen, durch die viele Liberale einschließlich meiner selbst einst in die Partei gelockt wurden, in den Wahlkämpfen kaum noch eine Rolle spielen. Für mich persönlich ist nicht zuletzt die Einstellung zum Christentum innerhalb der AfD besonders beängstigend, und zwar nicht, wie man vielleicht meinen könnte, weil christliche Werte etwa überbetont würden. Für mich war das christliche Engagement einiger Führungspersönlichkeiten eine echte Motivation, in der Partei mitzuwirken. Doch auch hier hat der Kontrollver-lust längst eingesetzt, die Basis hat leider ganz andere Ziele, möchte das Christliche am liebsten ganz aus unserem Land verbannen.

Wer sich darüber wundert, verkennt die Tradition der deutschnationalen Bewegung, die mit Konservatismus nichts zu tun hat. Für den Konservativen, auch wenn er viel-leicht kein regelmäßiger Kirchgänger ist, bildet das Christentum einen bewahrens-werten Teil unserer Kultur. Der Nationalist völkischer Prägung hingegen betrachtet das Christentum als eine Verfälschung der germanischen Rasse, von der sie sich um ihres Fortbestands willen befreien muss. Klassisch formuliert wurde diese Position seinerzeit von Reichsleiter Martin Bormann: Anders als das Christentum „beruht der Nationalsozialismus auf wissenschaftlichen Fundamenten. Das Christentum hat un-veränderliche Grundsätze, die vor fast 2000 Jahren gesetzt und immer mehr zu wirk-lichkeitsfremden Dogmen erstarrt sind. Der Nationalsozialismus dagegen muß, wenn er seine Aufgabe auch weiterhin erfüllen soll, stets nach den neuesten Erkenntnissen der wissenschaftlichen Forschung ausgerichtet werden. Unser nationalsozialistisches Weltbild aber steht weit höher als die Auffassungen des Christentums, die in ihren wesentlichen Punkten vom Judentum übernommen worden sind. Auch aus diesem Grunde bedürfen wir des Christentums nicht.“

Was Bormann hier beschreibt, ist in vielerlei Hinsicht leider genau das, was viele heutige AfDler meinen, wenn sie von einer ‚ideologiefreien‘ Politik sprechen. Die Ge-schichte des Dritten Reiches hat uns allerdings gelehrt, dass sich die unveränderli-chen Grundsätze des Christentums für die Menschheit als hilfreicher erwiesen haben als die „wissenschaftlichen Fundamente“ des Nationalsozialismus. Gott sei Dank!


Der Autor lehrt Kirchengeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Mit Büchern wie „Jesus war kein Vegetari-er“ oder „Du sollst nicht atmen“ machte er sich nicht nur Freunde unter Theologen. Zur Buchmesse erscheint von ihm: „Albert Schweitzer. Meister der Selbstinszenie-rung“.

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Erich Haug / 08.10.2014

Denen die Kritik daran üben, daß dieser Beitrag bei der Achse erschienen ist, möchte ich folgendes erwiedern: Finde es gut, daß man sich auch in diesem Forum mit solchen Beiträgen auseinandersetzt. Hier ist Gelegenheit, sich mit solchen Opportunisten die der Political corectness hinterherlaufen auseinanderzusetzen. Aus den Kommentaren ist ersichtlich, daß dies dringend notwendig ist und daß es langsam gärt in Deutschland. Scheuen sie die Konfrontation nicht! Pölitical corectness ist die Furcht derer, die von den Fleischtöpfen verjagt werden sollen und die um ihre Pfründe fürchten.

Martin Dickmeier / 07.10.2014

Interessant, es geht um die AfD, und auf einmal schießen die Kommentaristen scharf. Pinkel deinen Paten nie auf den Pantoffel!

Jens Bergner / 07.10.2014

Sehr geehrter Herr Moll, die zahlreichen Lesereinwände auf ihren Beitrag haben mich mehr überzeugt, als ihre Anklage. Vielleicht geben sie auch Ihnen zu denken… Mit freundlichen Grüßen Jens Bergner (sehe mich als überzeugten Katholiken; bin von der CDU enttäuscht und wähle seit der Bundestagswahl AfD)

Lutz-Michael Henjes / 07.10.2014

Schade, dass Sie so schlechte Erfahrungen gemacht haben. Schade allerdings auch, dass Sie diese Verallgemeinern. Ich denke, in unserem Kreis- bzw. Landesverband ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen “Arbeiter” (das Wort Prolet wird ja immer mehr als Schimpfwort eingesetzt) und Intellektuellen, die offen und ehrlich miteinander umgehen und diskutieren ohne beleidigend zu sein. Dipl.-Ing. Lutz-Michael Henjes AfD-Mitglied

Jürgen Frohwein / 07.10.2014

Seltsam, dieser Text kommt mir irgendwie bekannt vor… Ach ja, stand schon mal im “European”, allerdings fand ich ihn damals ziemlich fad, ganz anders dagegen die zugehörigen Leserkommentare! Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Sebastian Brant / 07.10.2014

Oben die “Professoren”, unten die “Proleten.” Oben die Gottbegnadeten, unten die armen Sünder, dazwischen gibt es nichts. Wo sind eigentlich die “Kirchenleute” verortet. Die Partei etabliert sich gerade und dabei ist ein eine Metapher wie “ideologiefreie Politik” erst einmal angebracht. Und “ideologiefrei” heißt auch erst einmal “religionsfrei.” Akteure der Partei deshalb mit einem Nationalsozialisten zu vergleichen ist eine dreiste Hoffärtigkeit. Es bleibt zu hoffen, daß die AfD nicht auf das Niveau einer neoliberalen und unsozialen Partei absackt, denn jene sind auch ideologiefrei und dies hatten wir ja schon. Denkt man beispielsweise an die Entstehungsgeschichte der Grünen, so stellt sich eine Frage, was haben eigentlich die dort inflationär auftretenden protestantischen Pfarrer und Theologen bewirkt? Jedenfalls nicht den pariser Pädophilen oder den frankfurter Steineschmeißer verhindert. Ich bin kein Mitglied der AfD und weiß nicht, ob ich je eines werde. Aber ich weiß, warum ich kein Kirchenmitglied mehr bin.

Rüdiger Braun / 07.10.2014

Ohne Klärung des Sachverhaltes und des Verbleibens im Ungefähren seitens des Autors, sowie in Unkenntnis der Abläufe bei der genannten Versammlung, nehme ich den Artikel als das was es ist. Ein Evangelischer fühlt sich angepisst weil man ihm vehement widersprochen (vielleicht zu Recht vielleicht zu Unrecht, man weiss es nicht) und er weiss sich nicht besser zu helfen als schnellstmöglich die Nazikeule auszupacken und öffentlich loszudreschen.

Maria Leuschner / 07.10.2014

Sehr geehrter Herr Moll, vielen Dank für Ihre glaubwürdigen und bedenkenswerten Ausführungen. Auch ich wählte die AfD, stellte jedoch schon vor einiger Zeit beim Recherchieren in anderen politischen Blogs, z. B. “Blu-News” fest, dass die Sympathien von Atheisten für die Politinhalte der AfD erstaunlich groß sind. Sie bestätigen nun meine Befürchtungen.

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