Die Erosion des kommunistischen Blocks geht unaufhaltsam weiter. Das unabhängige „Ungarische Demokratische Forum“ beschließt seine Konstituierung als politische Partei. Im Westen ist diese Nachricht keine Schlagzeile wert. Die beiden Deutschlands haben gerade andere Sorgen. Wegen der jüngsten Schießereien an der Grenze hat Bundesminister Haussmann eine Reise in die DDR abgesagt. Er rügt die „fortgesetzte Menschenrechtsverletzung“ durch den SED-Staat.
Heute ist Franz Müntefering der Meinung, die DDR sei zwar ein Unrechtsstaat gewesen, aber man solle die Linkspartei nicht mehr daran messen. Wen bitte dann? Die DDR war doch wohl kein Projekt von Außerirdischen, sondern der SED, die in der vier Mal umbenannten Linkspartei fortexistiert. Wenn man die Vergangenheit der Linkspartei aber vergessen soll, gibt es keinen Grund mehr, warum man nicht im Bund mit ihr koalieren sollte. Münteferings Beteuerungen, keine Koalitionen mit der Linken im Bund eingehen zu wollen, sind daher unglaubwürdig.
Ganz seltsam wird Münteferings Argumentation aber, wenn er fordert, „Mitglieder der Linkspartei nicht für die nächsten zweihundert Jahre zu exkommunizieren“. Dies stünde in einem Missverhältnis dazu, wie es nach 1945 in Westdeutschland gewesen sei, als etliche Politiker mit Nazi-Vergangenheit führende Positionen inne hatten“ Abgesehen davon, das die SPD bereits 1994, nur vier Jahre nach den schmählichen Ende der DDR, die SED-PDS wieder hoffähig gemacht hat, als sie ihr einen Platz am Katzentisch der Sachsen- Anhaltinischen Regierung unter Höppner einräumte und Politiker mit unklaren Stasiverstrickungen wie Manfred Stolpe zum Ministerpräsidenten und Bundesminister beförderte, ist der Vergleich gruselig. denn im Gegensatz zur SED wurde die NSDAP, wenn auch nicht von den Deutschen, sondern vom alliierten Kontrollrat, verboten. Ihre Nachfolgepartei verschwand nach zwei Legislaturperioden aus dem Bundestag. Die SED sitzt mit anderem Namen in mehreren Länderregierungen und will nach wie vor den „Systemwechsel“.
Müntefering ist dabei, aus reinem Machtkalkül seine Partei tiefer in die Krise zu treiben. Denn anders als die Politiker leiden die Wahlbürger nicht unter Gedächtnisschwund .Ausgerechnet im 20. Jahr nach dem Mauerfall werden sie nicht vergessen, wer für mauer und Schießbefehl verantwortlich war. Vor diesem Hintergrund wirkt der Slogan der SPD „Wir machen’s“ wie eine Drohung gegen sich selbst. Leider übt sich auch die CDU-Spitze im Weichspülen. Generalsekretär Pofalla hat die Wahlkämpfer der CDU ausdrücklich aufgefordert, die linke nicht als Partei des Mauerbaus zu thematisieren, sondern lediglich auf die Unfinanzierbarkeit linker Forderungen hinzuweisen. Er will so das bürgerliche Klientel gewinnen. Das wird aber eher zu hause bleiben, als einen sozialdemokratischen Linke- Förderer durch einen christdemokratischen Weichspüler zu ersetzen.