Im neuen SPIEGEL findet sich auf Seite 134 eine interessante Geschichte über den Gynäkologen Janusz Rudzinski, der in Prenzlau, nahe der polnischen Grenze praktiziert. In diesem Jahr erwartet der polnischstämmige Dr. Larch ca. sechshundert polnische Patientinnen, die wegen der erzkatholischen Gesetzgebung in ihrer Heimat keinen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen können und in ihrer Not nach Deutschland kommen. Hierzulande sind Schwangerschaftsabbrüche bis zur 12. Woche straffrei. Selbstverständlich würden wir uns jegliche Einmischung der polnischen Regierung in diese Regelung strengstens verbitten. Wenn die Polen Ärzte und Frauen in Not bestrafen wollen, können sie das daheim gerne tun - wir verfahren anders. Und weil das Verhältnis von Arzt und Patient zwangsläufig sehr intim ist, schützen wir es mit Gesetzen: So darf kein Arzt ohne ausdrückliche Erlaubnis seines Patienten über diesen Auskunft geben. Wir nennen das “Ärztliche Schweigepflicht” und sind zu recht stolz auf diese zivilisatorische Errungenschaft.
Man stelle sich nun vor, morgen würden fünfhundert Polinnen verhaftet und vor Gericht gestellt werden, weil sie in Deutschland haben abtreiben lassen. Auf Nachfrage erklärt die polnische Regierung, eine Arzthelferin hätte eine CD mit den persönlichen Daten der Patientinnen zum Kauf angeboten, für 10.000 Euro. Angesichts der zu erwartenden Bußgelder und der schwere der Vergehen habe man sich zum Ankauf entschlossen. Das wäre ein Skandal erster Güte, eine schwere Belastung für das nachbarschaftliche Verhältnis - und natürlich würden wir unsererseits der Arzthelferin den Prozess machen. Die Anwälte der Polinnen würden ihrerseits darauf verweisen, dass die Abtreibungen nach deutschem Recht nicht strafbewehrt seien und dass die belastenden Beweise rechtswidrig beschafft wurden.
Und nun blättern wir zurück auf Seite 26 und lesen im Teaser: “Brisante Banken-CDs könnten dem Fiskus viele Millionen bescheren. Doch FDP-regierte Bundesländer bremsen die Strafverfolgung.” Und sind der ungeliebten FDP doch ausnahmsweise mal wieder dankbar.