Alexander Wendt / 16.12.2014 / 21:04 / 8 / Seite ausdrucken

Wutpolitiker

In den vergangenen Wochen marschierten am Dresdner Elbufer eine Menge auf, die mit kruden, diffamierenden Parolen auf sich aufmerksam macht, aber auch diffuse Ängste und die Furcht vor dem eigenen Bedeutungsverlust artikuliert. Krude und wirr klingt schon der selbsterfundene Gruppierungsname: „WugeFaGeGru“ , was für „Wutpolitiker gegen die Faschisierung im Geltungsbereich des Grundgesetzes“ stehen soll. Einer ihrer Wortführer – ein Politiker namens Cem Özdemir – beschimpfte eine etwa 15 000 Mitglieder zählende Bürgergruppe auf dem anderen Elbufer am vergangenen Montag als „Mischpoke“. Der selbsternannte Demonstrant Özdemir ist ein Mann mit einer bewegten Biografie: vor einigen Jahren „vergaß“ der Bundestagsabgeordnete, seine Diäten zu versteuern. Dieser Hinweis steht in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Thema dieses Textes; wir erwähnen die Tatsache nur aus Daffke. Natürlich wäre es unangemessen, alle seine Mitdemonstranten pauschal in die Steuerhinterzieherecke zu stellen.

Weit gefährlicher als die WugeFaGeGru-Marschierer von Dresden sind die Wutpolitiker im Hintergrund: etwa der so genannte „Innenminister“ von Nordrhein-Westfalen Ralf Jäger, der dazu aufrief, „Aufwiegler zu entlarven“, oder Heiko „Justizminister“ Maas, der es für eine „Schande“ hält, wenn Menschen ihr grundgesetzlich garantiertes Recht wahrnehmen. Yasmin Fahimi, eine Funktionärin der politisch relativ einflusslosen, aber weit verbreiteten Gruppierung „SPD“, warf demonstrierenden Dresdnern pauschal vor, sie würden das „gesellschaftliche Klima vergiften“ und trieben „ein gefährliches Spiel“, ohne die Gefahr zu nennen, die sie meinte.

Es fällt auf, wie diffus die Ängste der Wutpolitiker sind: ihre platten Sprüche lassen kaum erkennen, wovor sie sich eigentlich fürchten, und was genau sie ihren Gegnern vorwerfen. Studien zufolge handelt es sich bei ihnen um tief verunsicherte mittelalte Männer und Frauen, die sich sorgen, von ihren Wählern abgehängt zu werden. Viele tun sich schwer, Anschluss an die digitale Gegenwart zu finden. So scheinen sie beispielsweise zu glauben,  die meisten Leute würden ihre meinungsprägenden Informationen wie im vergangenen Jahrhundert noch aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder der „Süddeutschen“ beziehen. Das alles führt bei ihnen zur Angst, ihre gewohnte Definitionsmacht zu verlieren. Nicht selten treibt diese möglicherweise nicht ganz irrationale Furcht unfreiwillig komische Blüten. Die „Süddeutsche“ etwa schreibt, die Burka dürfe in Deutschland jetzt aus übergeordneten Gründen nicht verboten werden, denn ihr Verbot würde die widerwärtigen Schanddemonstranten in Dresden und anderswo „darin bestärken, dass es einfache Lösungen für komplizierte Probleme gibt, selbst wenn es Probleme sind, die überhaupt nicht existieren.“

Bei seiner Forderung nach Entlarvung der Aufwiegler meinte der Wutpolitiker und Stichwortgeber Ralf Jäger übrigens nicht, wie manche im ersten Moment glauben konnten,  die teilvermummt Antifa, die an der Seite von weiteren Wutpolitikern, Gewerkschaftern und anderen Schandbekämpfern am Elbufer stand, um zu skandieren: „Deutschland ist Scheiße, ihr seid die Beweise“, und: „Wir sind die Mauer, das Volk muss weg.“*

*Originalzitate aus der vorletzten Anti-Pegida-Demonstration

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Leserpost

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Bernd Zarneckow / 17.12.2014

Dass der Herr Bachmann von PEGIDA vorbestraft ist, weiß inzwischen Jeder in unserem Land, Herr Özdemir hat oft genug darauf hingewiesen. Ältere unter uns erinnern sich aber auch noch an staatsanwaltliche Ermittlungen in Sachen Bonusmeilen-Affäre, in deren Folge der heutige Bundesvorsitzende seiner Partei Cem Özdemir eine gut bezahlte „Ehrenrunde“ im Europäischen Parlament drehte. Übrigens kenne ich genau 2 Parteien in denen es Vorbestrafte sogar bis zum Parteivorsitzenden geschafft haben, Udo Pastörs bei der NPD und Christian Ströbele bei den Grünen.

Dr. Wolfgang Hintze / 17.12.2014

Lieber Herr Wendt, vielen Dank für die köstliche Satire. Meine Frau rief höchst amüsiert und ganz aufgeregt “Lies weiter”. Aber der Artikel war zu Ende. Schade !

Dr. Karl Landscheidt / 17.12.2014

Herrlich!! Der links-grüne Diskurs liegt wie Mehltau über dem Land und erstickt jede abweichende Meinung. Dabei spielen Argumente oder auch Belege überhaupt keine Rolle, wie aus der Anti-Sarrazin-Kampagne erinnerlich. Das Ergebnis ist ein Klima des Schweigens, möglicherweise der Angst, wenn es um das Vertreten einer abweichenden Meinung geht. Eine Position wie die Ihre etwa in einem Lehrerkollegium oder in einer Redaktion zu vertreten, das ist schon eine sportliche Nummer. Es kann einfach nicht sein, was nicht sein darf, und auch die besten Argumente ändern daran nichts. Deshalb danke für die herrliche Satire!

Hans Meier / 17.12.2014

Die politischen Karrieren unseres Polit-Personals sind schon so Husaren-Ritte. Da hat z.B. der NRW-Jäger es geschafft, die Ermittlungen gegen sich und seinen Parteifreund Vauth, wegen konspirativem Betrug versanden zu lassen. Anschließend wird der politisch abgewendete Skandal, als Ansporn sich noch dreister aufzuführen beherzigt. Die Unredlichkeit politischer Personen zeigt sich, wenn sie von der Bevölkerung nicht mehr länger akzeptiert werden. Die Bevölkerung aber für dümmer erklären zu wollen, als die politischen Quoten-Wichtel, die diese aktuell Bevölkerung aktiv betrügt, das wird nicht weiter so einfach funktionieren. Die Ex-DDR Bevölkerung hat ein gutes Gespür für wirkliche Demokratie, für direkte Abstimmungen zu Sachthemen, für eine demokratische Kultur, wie sie in der Schweiz seit Jahrhunderten zum Wohl der Bevölkerung existiert. Also das Schlimmste was unsere politischen Scharlatane aus Selbstzweck medial bekämpfen lassen.

Bernd Ufen / 16.12.2014

Ja, mit den Politikern ist das so ein Problem geworden in Deutschland. Es wird jetzt höchste Zeit, dass die Bürger den Politikern die komplexer werdende Welt erklären, auch wenn Jens Spahn von der CDU das Gegenteil behauptet. Beweise? Der grüne Kreditexperte Cem “Mischpoke” Özdemir hat nicht nur vergessen, sein Diäten zu versteuern, am 15.03.2011 hat er auch vergessen, dass Kraftwerksleistung in Gigawatt gemessen wird und glaubte, dass könne man auch in Gigabyte erledigen. Da kann man ja nur fröhliche Datenströme wünschen! Und der Herr Maas als Justizminister einer Partei, die inzwischen sogar mit den Nachfolgern der SED koaliert, weiß nichts besseres, als sich in Phrasen zu ergehen(“breites Gegenbündnis der Zivilgesellschaft”). Aus welchem Satzbaukasten hat sich sein Ghostwriter denn da bedient? Fällt denen überhaupt nichts neues mehr ein? Ist so etwas nicht allein vom Intellekt her eine Schande für Deutschland?

Elisabeth Zillmann / 16.12.2014

Köstlich,ich dachte schön,ich müßte ersticken an meiner Wut über diese Wutpolitiker—Und Journalisten/Moderatoren!—Danke,Herr Wendt!

Karl Krähling / 16.12.2014

Beeindruckend ist, wie sich diese Polit-Eliten vor die arrivierten Moslems stellen, die überhaupt niemand angegriffen hat. So kann man Demonstrationen bewusst missverstehen um sie dann mit Hilfe der Eliten in den Redaktionen und vor allem dem Berieselungsfunk der ÖR ins politische Abseits zu manövrieren suchen. Mal sehen, ob’s wieder klappt.  Aber ganz bestimmt nur bis zum nächsten Mal, wenn’s auch dem letzten der Berieselten klar geworden ist, von den Eliten in Politik und Chefredaktionen verarscht worden zu sein. Wehret den Anfängen – aber denen, die uns die Eliten mit ihren Kettenhunden der Antifa servieren.

Philipp Richardt / 16.12.2014

Klasse Satire, zumal ich annehme, dass die Dichte verurteilter Straftäter im Bundestag höher liegt als bei den Montagsdemos.

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