Peter Grimm / 02.05.2018 / 06:15 / 22 / Seite ausdrucken

Wurzen versucht was Neues

Die Stadt Wurzen hat keinen guten Ruf. Das „braune Herz des Muldentals“ ist eines der Etiketten, die der Stadt so angeheftet wurden. Da die Stadt bereits in den beginnenden neunziger Jahren als rechte Hochburg galt, war der alte schlechte Ruf schnell aufgefrischt, als sich Nachrichten über gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Migranten und Deutschen verbreiteten. Doch hält dieses Urteil den Fakten stand?

Viele Wurzener sehen ihre Stadt jetzt, im Jahr 2018, zu Unrecht in diesem schlechten Ruf. Es wächst nicht nur der Groll über das ungute Image, sondern auch darüber, dass jede kritische Äußerung zur Zuwanderungspolitik sofort in die rechtsextreme Schublade gesteckt wird und anschließend als Bestätigung des Bildes vom „braunen Herzen des Muldentals“ dient. Solcher Groll kann schnell tatsächlich zum Einfallstor für Rechtsradikale werden, ganz im Stile einer selbsterfüllenden Prophezeiung. 

Überall in Deutschland spaltet sich die Gesellschaft an der nicht angemessen offen debattierten Migrationsfrage, wird der Graben zwischen Willkommenskultur-Gläubigen und den Skeptikern immer größer. Immer stärker steigt der Druck, sich in einer geistigen Wagenburg einzufinden. Und ein paar Wurzener wollten dies nicht hinnehmen und gründeten ein „Neues Forum für Wurzen“.

Man will sich nicht vereinnahmen lassen

Die Anklänge an das Neue Forum aus dem Herbst 1989, das kurzzeitig eine entscheidende Rolle beim Sturz der SED-Herrschaft spielte, sind nicht ganz zufällig. Nicht nur waren die Gründer des neuen Neuen Forum auch schon 1989 mit dabei, auch der erste Satz des damaligen Gründungsaufrufs klingt äußerst aktuell: „In unserem Lande ist die Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft offensichtlich gestört.“

Natürlich will niemand die heutigen mit den damaligen Verhältnissen vergleichen. Aber die Versuche, in der Art politische Auseinandersetzungen zu führen, vielleicht auch ungewohnte Wege zu probieren, passen durchaus zum gewählten Namen. So wird zu einer Kundgebung nicht nur demonstriert, sondern die Rathaussprecherin zum Gespräch gebeten. 

Doch die Stimmung ist dennoch aufgeheizt. Von linken Aktivisten wurde auch das Neue Forum für Wurzen zu einer rechten Gruppierung erklärt, Linksextreme griffen die Gaststätten zweier Vorstandsmitglieder an und hinterließen teuren Schaden. Einschüchtern lassen will sich das Neue Forum nicht, ebenso wenig, wie es sich von Parteien – also auch nicht von der AfD – vereinnahmen lassen will. 

Und ihre Haltung zur umstrittenen Zuwanderung formulieren sie klar durch ihre Unterstützung der „Zehn Thesen für ein weltoffenes Deutschland“ von Prof. Richard Schröder, Gunter Weißgerber (beide SPD) und Eva Quistorp, einer Mitbegründerin der Grünen. Ihnen geht es nicht um irgendeine rechte Gesinnung, sondern um demokratische rechtsstaatliche Regeln. 

Am 7. Mai gibt es wieder eine interessante Veranstaltung, an der das Neue Forum beteiligt ist: Dann tritt Richard Schröder in der zentral gelegenen Wenceslaikirche auf.

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Leserpost

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Sabine Ehrke / 02.05.2018

Bis die Menschen begreifen, dass alles, was sie an Foren oder Vereine oder sonst was gründen um sich gegen die linksgrüne Politik zu stellen, ausnahmslos als Rechte, Braune oder Nazis benannt, behandelt und verfolgt wird, wird noch einige Zeit vergehen, noch mehr Einschnitte in Freiheit und Demokratie folgen und dieses Land weiter geflutet mit allem, was das Deutsch sein kaputt macht. Dann erst entsteht die Einheitsfront.

Bert Busch / 02.05.2018

Nun, ich bin mit den „Wurzener Verhältnissen“ nicht vertraut, macht aber auch überhaupt nichts. – „Abgrenzung zur AfD, aber von den Linken eindeutig als „Feind“ fixiert“? Was soll das werden? SPD/Grüne im Neuen Forum und keine klaren Vorstellungen, was konkret gefordert wird? Ich habe immer mehr den Eindruck, je mehr dem System die Realität um die Ohren fliegt, desto mehr heißt es: „Die Reihen fest geschlossen!“ Analogie: der Tscheka waren die Trotzkisten, die ja „zu ca. 97 %“ am Stalinismus schon sehr dicht dran waren, die größten Feinde. Also, liebes „Neue Forum 2.0“: entweder Ihr seid/werdet „System“, oder Ihr könnt auch die Identitären und auch alle anderen „fragwürdigen AfD-Gestalten“ (@D. Jäckel)mit ins Boot holen. Da bin ich völlig bei @ A. Ludwig. „Bunkt!“

Martin Landvoigt / 02.05.2018

Die Diskussion scheint eher um die Frage zu gehen, in wie weit sich die zuwanderungskritischen Ansichten vereinigen oder abgrenzen. Einerseits ist gerade die Freiheit, auch bestimmte Ansichten abzulehnen und für gefährlich zu halten, wesentlich für die Demokratie. Darum wäre es gut, wenn sich keine Partei zur Vereinnahmung einer Position zum Sachthema ein Alleinvertretungsrecht hat. Andererseits ist die Zersplitterung der Opposition gegen die Regierungspolitik vor allem dann schädlich, wenn die inneren Differenzen und Abgrenzungen so stark werden, dass eine gemeinsame Opposition nicht mehr effektiv ist. Man muss den Eindruck gewinnen, dass die Strategie der Ausgrenzung, die die Kartellparteien pflegen und damit auch die Liberalen einfangen, erfolgreich ist. Das macht bitter, denn es ist kein inhaltliches, sondern Ergebnis einer fragwürdigen strategischen Praxis. Wer aber prüft denn nun sorgfältig jenseits der Stimmungsmache, wie ‘schlimm’ denn Höcke und Co. wirklich sind? Es geht nicht darum, dass man jenen in allem zustimmen muss, aber ist es tatsächlich ein Problem, wenn jemand Ansichten vertritt, denen man widerspricht?

Gudrun Meyer / 02.05.2018

Es ist immer wieder gerade der demokratische Rechtsstaat, der nicht ins rosarot-grüne Weltbild passt. Die “liberale Demokratie”, in der ein beträchtliches Maß an Willkür erlaubt ist, sofern es der guten Sache, nämlich der Weltoffenheit, dient, und die auch nicht so deutsch-uncool-rechts mit der Korruption umgeht, ist den Weltenrettern weit lieber. Immer, wenn die AfD etwas sagt, das einfach zum DIN A 4 der CDU der 1990-er Jahre und oft sogar noch der CDU von 2010 gehörte, reagieren sie Wort für Wort genauso wie auf die krassesten Sätze eines Björn Höcke oder Lutz Bachmann. Dass Linksextreme,vermutlich der Antifa schwere Sachschäden ob der Provokation anrichteten, dass da Leute aus Wurzen Quistorps Buch ernstnehmen, wo es doch der Wir-schaffen-das-und-retten-den-Planeten-Kultur widerspricht, ist außer mit der exzessiven Intoleranz der extremen Linken auch damit zu erklären, dass eine halbstaatliche Schlägertruppe und deren viertel- oder nicht-staatlichen willigen Helfer so gut wie völlig geschützt vor Konsequenzen sind. Was erwarten Sie von einem gut organisierten Monopolkoloss,, der über mehrere Namen und Mitgliederlisten verfügt, jede echte Opposition für rechtsradikal erklärt und seine Schläger dann nicht mal extra zu motivieren braucht? Ja richtig!, Und was erwarten Sie von einem Neuen Forum hier und einer Achse des Guten dort, selbst wenn die verschiedenen oppositionellen Gruppen Hand in Hand arbeiten? Richtig, stimmt auch! Schließlich: was erwarten Sie von einer noch um drei Jahre entfernten Wahl , bei der die liberalen Demokraten zwar ihr blaues Wunder erleben, aber zusammen immer noch eine absolute Mehrheit bekommen? Antwort: eine “GroKo” aus einer Einheitspartei von CSU bis links und den Medien, die immer noch “weiter so” befiehlt und durchsetzt, es sei denn, D ist dann schon eine islamische Republik, in der, aus linker Sicht, mal wieder die einzig wahre, endlich, endlich fehlerlose Revolution durchgeführt wird.

Markus Knust / 02.05.2018

Es ist natürlich total sinnvoll sich abzugrenzen und alle im Kleinklein zu regeln. Die Leute, wie auch der Autor, haben immer noch nicht verstanden, dass wir alle zusammenhalten müssen. Denn darin liegt unsere Schwäche. Nun haben wir also eine weitere Gruppierung, die zwar dasselbe will, sich aber bloß nicht mit anderen zusammentun möchte, die die gleichen Ziele haben. Weil ihr Widerstand besser ist. Wenn ich schon “vereinnahmen” lese, dann merke ich, dass auch diese Leute sich haben nudgen lassen. Sonst wäre es ihnen nämlich egal, wer ihre Meinung noch vertritt. Meine Güte, ob das noch jemals ankommt?

Dirk Jäckel / 02.05.2018

@Herr Angermann, ich denke nicht, dass irgendwelche Leute “unser Land zugrunde richten wollen” (von linksextremen Spinnern mal abgesehen). Nein, es ist eine Mischung aus Dummheit und Feigheit, welche dieses Land im Griff hat. Als Liberaler begrüße ich alles, was sich einerseits von den - freundlich gesagt - fragwürdigen AfD-Gestalten distanziert und andererseits eben diese Dummheit und Feigheit weiter Teile der Politik anprangert sowie dort den Dialog sucht, wo er möglich ist. Denn noch hoffe ich auf Politikerinnen und Politiker, welche das intellektuelle und vor allem charakterliche Format dazu haben. Freilich gehört die selbstgefällige Riege dieser Merkel eher nicht dazu.

Cornelius Angermann / 02.05.2018

Wann begreifen die Leute endlich, dass es nichts bringt, den Widerstand in hunderte verschiedener Gruppierungen, hier Neues Forum, “das sich nicht vereinnahmen lassen will” zu zersplittern. Gegen die monolithisch auftretenden Kartellparteien hilft nur ein ebenso monolithisch auftretender Widerstand. Alles andere nützt nur denen, die unser Land zugrunde richten wollen!

Andreas Ludwig / 02.05.2018

Es gibt nie im Leben irgendetwas mitten drin. Ist der Kontostand in den Miesen und die Einnahmen decken das nicht ab, liegt die Wahrheit nicht dazwischen. Sie liegt bei fehlenden Einnahmen oder zu hohen Ausgaben. Ich muss mich entscheiden. Entweder das eine und untergehen oder das andere und überleben. Bunkt. So ist das auch bei der Einwanderung. Entweder nix oder alles, mit allen Konsequenzen. So ein bisschen mittendrin und Jaja, blabla, ach is doch nix, schon das zuviel, aber vielleicht diese Familie doch noch und der Afghanen hier noch, wird nix. Bunkt. Wir sind doch nicht auf dem Jahrmarkt. Kommen sie her, das gefällt, wenn sie es schaffen, sind sie der Held. Deutschland fehlt es an Entscheidern. An Machern. Die auch unliebsame Entscheidungen treffen können, im Sinne des ganzen. Jeder schwurbelt nur herum, will keinem auf die Füsse treten. Das Forum ist ohne klare Position so sinnlos wie irgendwas. Wenn ich das schon höre, nicht von der Afd vereinnahmen lassen. Wenn ich nur Miese auf der Bank habe, vereinnahmt mich die Bank. Sind wir mal ehrlich. Entweder wir laden die Welt ein und unser Sozialsystem kippt aus den Latschen, oder wir machen jetzt Schluss damit und retten den Staat als solches. Mit allem drum und dran. Demokratie, Sozial, innere Ruhe oder machen das andere. Bitte dann will ich keine Klagen hören. Wenn man sich entscheidet, dann bitte mit allen Konsequenzen. Vorher denken. Nicht nachher. Ich lebe nicht in Wurzen. Aber ich würde mich diesem Forum auch nicht anschließen. Da ist jede Minute verlorene Lebenszeit. Bunkt

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